Düsseldorf Ein Heim auf Rädern

Düsseldorf · Vor 70 Jahren hat der erste VW Bus - "Bulli" genannt - vom Fleck weg die Herzen deutscher Autofahrer erobert. Bis heute hat sich daran wenig geändert.

VW Bulli - die Legende wird 70 Jahre alt
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VW Bulli - die Legende wird 70 Jahre alt

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Foto: Volkswagen Nutzfahrzeuge

Der Bulli war mehr als ein Auto, er war ein Versprechen. Es lautete: maximale Unabhängigkeit mit minimalen Mitteln. Freiheit für jedermann, und zwar, wenn es denn sein muss, mit Kind und Kegel. Ein Haus, ein Stück Heimat auf Rädern. "Well, I'm gonna find a home on wheels" heißt es denn auch 1971 im Song "Going Mobile" der britischen Band The Who - besungen wird ein VW Bus, den Gitarrist Pete Townshend als rollendes Hippie-Heim bezeichnete. "Wir alle liebten ihn", sagte er. Wie viele Autos inspirierten Musiker, ihnen ein Lied aufs Blechkleid zu schreiben? Man darf wohl behaupten, dass der Bulli, vor 70 Jahren von Volkswagen zum ersten Mal auf die Straße gestellt, sein Versprechen von Anfang an eingelöst hat. Und das ist bis heute so geblieben. Zumindest fast.

Die Wurzeln des Bullis, offiziell T(ransporter)1, firmenintern Typ 29 genannt, liegen in den Niederlanden. Der holländische Autohändler Ben Pon skizzierte 1947 eine rollende Schuhschachtel, die Lasten transportieren sollte. Bis dahin wurde diese Aufgabe vor allem von Dreiradvehikeln und Pferdewagen erledigt. Zwei Jahre später ging sein Entwurf bei Volkswagen tatsächlich in Serie. Der erste VW-Bus hatte 1950 einen luftgekühlten Heckmotor mit stolzen 26 PS, brachte es auf 75 km/h und verbrauchte acht Liter. Aber das Wichtigste: Er konnte 750 Kilogramm Nutzlast transportieren. So wurde der Wagen ein Erfolgsmodell.

Auch deshalb, weil er zur rechten Zeit kam. Die Wirtschaft blühte, Menschen und Waren mussten dringend von A nach B. Bis Jahresende verkauften sich zwar 8000 Busse, das war aber längst nicht genug. Ausufernde Lieferzeiten waren die Folge. Bald kamen weitere Varianten heraus, ein stärkerer Pritschenwagen, dazu der Samba mit 25 Fenstern und einem Schiebedach. 1954 fuhren bereits 100.000 Bullis herum, 1960 war die halbe Million voll. Und in der Geschwindigkeit ging es weiter. Auch der T2 mit durchgehender Frontscheibe (Beim T1 war sie noch geteilt) verkaufte sich blendend. Wie der Käfer auch verdiente der Bulli das Prädikat Volkswagen.

Einen Teil seiner hohen Sympathiewerte verdankt der Bus wohl auch seinem unkonventionellen Spitznamen - den er eigentlich gar nicht hätte tragen dürfen. Im Gespräch waren damals noch Triumphator, Juwel, Felix und eben Bulli, der aber wegen der Verwechslungsgefahr mit Traktoren konzernintern verworfen wurde. Sich aber dann doch verbreitete und bei den Menschen festsetzte. T1 oder Typ 29 klang fürs Liebhaben dann doch ein wenig arg technisch.

Und Bulli-Besitzer liebten ihren fahrbaren Untersatz. Sie tun es immer noch, in etlichen Clubs, Vereinen und Interessengemeinschaften landauf, landab. Sogar ein Bulli-Museum gibt es, in Hessisch Oldendorf. Wobei nicht jeder Bus ein echter Bulli ist. Aus der Sicht hartgesottener Fans dürfen diesen Namen nur die luftgekühlten Modelle T1 bis T3 tragen. Ab 1990 wurde der VW-Busmotor wassergekühlt und wechselte zudem von hinten nach vorne. Für Bulli-Puristen ein Affront. An den guten Verkaufszahlen änderte sich allerdings nichts.

Dem luftgekühlten Motor war es unter anderem zu verdanken, dass der VW Bus auch weltweit zum Renner wurde. Getreu dem VW-Motto "Luft kann nicht kochen, Luft kann nicht zu Eis gefrieren, und deshalb ist der Motor eines Volkswagens luftgekühlt" liefen die Bullis selbst unter klimatisch ungünstigen Bedingungen, ob in tropischen oder frostigen Regionen. Und liefen und liefen und liefen. So schaffte der Transporter es auch nach Kalifornien, wo er zur Grundausstattung der Hippie-Kultur avancierte. Kunterbunt bemalte Bullis, von Rost und "Make love, not war"-Aufklebern sowie "Peace"-Stickern zusammengehaltene Karosserien prägen seither das Image des nützlichen Fahrzeugs. Am besten mit Surfbrett auf dem Dach. Noch heute trifft man an der kalifornischen Küste auf solche Gefährte. Und Videospiele wie "Grand Theft Auto" oder Filme nutzen den Bus, um Hippie-Atmosphäre zu vermitteln. So reist etwa in der Komödie "Little Miss Sunshine" eine unorthodoxe Familie nicht nur zu einem Kinder-Schönheitswettbewerb, sondern findet auch zu sich selbst. "Der VW-Bus brachte die Menschen zusammen", sagt beispielsweise der Designer Philippe Starck. "Er war das Loft von damals."

Derzeit fährt die fünfte beziehungsweise sechste Bulli-Generation (T5/T6) auf den Straßen, natürlich in diversen Versionen. Selbstverständlich auch als Wohnmobil - der VW California ist bei Campern sehr beliebt, kostet in gehobener Ausstattung aber schnell mehr als 50.000 Euro. Das ist allerdings vergleichsweise günstig gegen einen gut erhaltenen Samba mit Panoramafenstern aus der ersten Bulli-Generation. Diese Oldtimer erzielen heute sechsstellige Summen.

Die Zukunft des oft dieselbefeuerten VW Bus ist elektrisch. Mit der Studie ID Buzz hat Volkswagen einen vielversprechenden Elektro-Bulli vorgestellt, der 2022 auf den Markt kommen soll. Der ID Buzz greift das Design des Klassikers auf - inklusive Surfbrett auf dem Dach - und kombiniert es mit modernster Technik. Auch das ist also ein Versprechen: Die Reise des VW Bulli ist noch lange nicht beendet.

(RP)
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