Eklat um Kuhglocken-Verbot

Die Entscheidung eines Richters in der Steiermark, dass ein Bauer seine Kühe ohne Glocken auf die Weide schicken muss, entzweit Österreich. Landwirte sehen eine Tradition bedroht und fürchten weitere Anzeigen von Lärmopfern.

Stallhofen Träumen Städter von der Alm, sehen sie gerne saftige Wiesen vor Alpen-Panorama und hören zartes Glocken-Geläut. Damit soll zumindest im kleinen Ort Stallhofen in Österreich vorläufig Schluss sein. Ein Richter des Unabhängigen Verwaltungsrats für die Steiermark (UVS) hat vor kurzem entschieden, dass der Lärm von Kuhglocken in der Nähe einer Siedlung für die Anwohner unzumutbar ist. Das Urteil zieht seither Kreise, wird in Irland, England und Australien diskutiert – nicht ohne eine gehörige Portion Häme. Wird das Glocken-Gebimmel doch in eine Reihe gestellt mit alpinen Eigenarten wie Jodeln und Lederhosen; alles sei gleichermaßen unverzichtbar. In Österreich allerdings brodelt der Volkszorn, entzweit das Urteil traditionsverbundene Bauern und diejenigen, die Verständnis zeigen für die rigorose Entscheidung des Richters.

Zwei Familien hatten den Stein ins Rollen gebracht und nach schlaflosen Nächten im vergangenen Sommer und Herbst Anzeige erstattet bei der Bezirkshauptmannschaft. Richter Erich Kundegraber überzeugte sich vor Ort von den akustischen Gegebenheiten, sah eine "gravierende Beeinträchtigung" der Nachtruhe und sperrte sich allen Gegenargumenten, die die Kuhglocke als Besonderheit des ländlichen Raums, als allgemein beruhigend oder gar aussschlaggebend für das Gemeinschaftsgefühl der Tiere priesen. Kundegraber sah es hingegen als unzumutbar, "wenn die Tiere mit Kuhglocken in einem ländlichen Gebiet mit verstreuten Wohnobjekten innerhalb einer umzäunten Weide gehalten werden".

Der Richter mochte somit auch nicht der Argumentation der Landwirte folgen, dass eine glockenlose Kuh auf den weitläufigen Alm-Weiden schwer auffindbar sei. Doch gerade das beklagen viele Bauern auf dem Internet-Portal "Der fortschrittliche Landwirt". Im Forum der Internet-Plattform wird das Verbot erbittert und kontrovers diskutiert. Bauern berichten von Kälbern und Kühen, die sich etwa bei Unwettern verlaufen oder sich an den unmöglichsten Stellen verkriechen. Ohne das richtungsweisende Geläut sei es schwierig, die Tiere wieder aufzuspüren.

Vor allem anderen aber empören sich die Bauern über die Missachtung der "echten, unverfälschten Volkskultur". Die Kühe mit Glocken zu versehen, sei traditionelles Brauchtum, und überhaupt, wer tagsüber nur schwer genug schufte, der könne auch nachts gut schlafen. Die Adressaten solcher Spitzfindigkeiten sind zumeist "Zugereiste", aus den Metropolen aufs Land geflüchtete Städter. Nicht nur das Gebimmel gehe ihnen auf die Nerven. "Es hat mit Hähnen schon ähnliche Probleme gegeben", heißt es bei der Landwirtschaftskammer Steiermark. Aber da habe man als "ortsüblich" pro Hahn entschieden.

In Abwandlung eines Loriot-Zitats könnte man nun sagen, Städter und Landbewohner passen nicht zusammen. Aber so ist es nun auch wieder nicht. Denn zum einen zeigen auch Bauern Verständnis für die Lärmfrage. Einer weiß sogar, dass die betreffenden Kühe immer mit ihrer Glocke an den metallischen Futtertrog stießen, was den Geräuschpegel deutlich erhöhte. Auf der anderen Seite sprachen sich in einer Umfrage von Radio Steiermark insgesamt rund 75 Prozent gegen die richterliche Verfügung aus – auch deshalb, weil sie das Glockengeläut eben als unverzichtbar für hochalpine Romantik erachten.

Werner Brugner, Direktor der Landwirtschaftskammer Steiermark, packt die Affäre zunächst in ein Wort: "haarsträubend." Zum einen, weil das Urteil durchaus als Präzedenzfall für ähnlich gelagerte Streitereien herangezogen werden könnte. Zum anderen aber, weil er es als heikles Symptom sieht – etwa für das Unverständnis, das Landwirtschaft entgegengebracht wird. "Wir sollten uns aber auch Sorgen darüber machen, wie wir miteinander umgehen", sagt Brugner. "Wir sind eher bereit zu klagen, als mit dem anderen zu reden." Und das sei nicht nur beim Thema Kuhglocken so, sondern auch bei anderen Dingen, Kinderlärm zum Beispiel. "Das alles ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Hilflosigkeit, einem ausgeprägten Mangel an Interessen. Man könnte sich auch mit etwas Sinnvollem beschäftigen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort