Heidelberg Entsetzen in Heidelberg

Heidelberg · Ein Mann fährt mit einem Auto in eine Menschengruppe und tötet einen 73-Jährigen. Die Polizei schießt den mit einem Messer bewaffneten Fahrer nieder. Das Motiv des mutmaßlichen Täters ist unklar.

Noch Stunden nach der Todesfahrt eines Mannes in eine Fußgängergruppe in Heidelberg wirkt die Szenerie am Samstagabend gespenstisch. Das schwarze Auto steht mit offener Fahrertür und Heckklappe - von Scheinwerfern grell angeleuchtet - an einer steinernen Säule vor dem Eingang einer Bäckerei. Davor dreht sich auf einem Dreibein langsam und geräuschlos ein Laserscanner, der für die Kriminaltechniker eine dreidimensionale Aufnahme des Tatorts macht.

Hunderte Passanten warten auf Straßenbahnen und Busse, deren Verkehr zeitweise gestoppt wird. Hin und wieder huschen an diesem ursprünglich fröhlichen Faschingstag wild verkleidete junge Frauen und Männer vorbei. Auf dem belebten Bismarckplatz, einem Knoten des öffentlichen Nahverkehrs am Rande der Heidelberger Altstadt, fährt ein 35-Jähriger am Nachmittag mit seinem Wagen auf den Fußweg und rammt drei Menschen. Ein 73-Jähriger stirbt wenig später im Krankenhaus. Auch der mutmaßliche Todesfahrer liegt schwer verletzt im Krankenhaus - Polizisten können den mit einem Küchenmesser bewaffneten Mann, einen Deutschen, der als Student in Heidelberg lebt, auf seiner Flucht nur mit einem Schuss in den Bauch stoppen. Pfefferspray allein bringt ihn nicht zur Räson. Der Haftbefehl wegen Mordverdachts wird dem Mann am Sonntag im Krankenhaus eröffnet. Allerdings rätselten die Ermittler auch gestern immer noch über das Motiv.

Der mutmaßliche Täter, ein 35 Jahre alter Deutscher, wird von der Polizei bewacht, bis er in ein Gefängniskrankenhaus verlegt werden kann. Er sei zuvor nicht polizeibekannt gewesen. Ob er bei der Tat möglicherweise vermindert schuldfähig oder schuldunfähig war, müsse jetzt ermittelt werden. Das Auto, das der Mann für die Todesfahrt nutzte, ist laut Polizei ein Mietwagen mit Hamburger Kennzeichen. Der 35-Jährige soll es vor rund zwei Wochen in der Stadt angemietet haben. An der Untersuchung des Wagens und von Gepäckstücken war auch ein Sprengstoffsuchhund beteiligt. Ob der Mann die Absicht hatte, auf der Flucht mit dem Messer mehr Menschen zu verletzen, war einem Polizeisprecher zufolge nicht bekannt. Hinweise auf einen terroristischen oder extremistischen Hintergrund gebe es laut den Angaben nicht. Die beiden verletzten Spaziergänger erlitten Prellungen und konnten nach ambulanter Behandlung das Krankenhaus wieder verlassen.

Nach den Schüssen auf den 35-Jährigen wird auch gegen den Polizeischützen ermittelt. Solche Überprüfungen finden nach einem Schusswaffengebrauch durch die Polizei grundsätzlich statt, wie ein Polizeisprecher sagte. Polizisten dürfen ihre Waffen nur in Extremsituationen einsetzen. Gründe sind meist Notwehr oder der Schutz eines Bedrohten. Das Schießen ist im Ernstfall aber auch erlaubt, wenn schwere Verbrechen oder die Flucht eines gefährlichen Täters nicht anders verhindert werden können. Der Gebrauch der Waffe sollte angedroht oder ein Warnschuss abgefeuert werden. Im Fall von Heidelberg ist dies nach Angaben der Polizei auch geschehen. Der 35-Jährige wurde mehrmals aufgefordert, sein Messer wegzulegen - das belegt auch ein von der Polizei als echt eingestuftes Video, das auf Twitter zu sehen ist.

Die Polizei in Mannheim prüft auch, ob sie gegen beleidigende und anstößige Beiträge vorgehen kann, die nach der Todesfahrt auf Twitter verbreitet wurden. "Wir werden uns einzelne Meldungen anschauen und nach ihrem strafbaren Inhalt bewerten", sagte Polizeisprecher Norbert Schätzle. Die Pressestelle der Polizei hatte kurz nach dem Vorfall stundenlang mit Anfragen und ausfallenden Tweets aus dem In- und Ausland zu tun. Einige davon hat sie ungewöhnlich harsch von ihrem offiziellen Account aus beantwortet und so manchen Twitternutzer zurechtgewiesen.

(dpa)
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