Missoula "Er war ein toller Schüler und Mensch"

Missoula · Ein anscheinend schießwütiger Hausbesitzer hat einen 17-jährigen Hamburger im US-Staat Montana getötet. Diren Dede wurde von vier Schüssen getroffen. In 43 Tagen wäre sein Austausch beendet gewesen.

Als Diren Dede in Missoula eintraf, soll er gleich gefragt haben, wann man sich zum Fußballtraining treffe. Ein ausgezeichneter Spieler sei er gewesen, mit vollem Einsatz bei der Sache, sagt Hatton Littman, Sprecherin der Big Sky High School. "Diren war sehr beliebt. Die Leute hören gar nicht mehr auf, davon zu schwärmen, was für ein toller Schüler er war, was für ein toller Mensch."

Im August war der 17-Jährige aus Hamburg für ein knappes Jahr in die 70 000-Einwohner-Stadt gekommen, die in den Bergen Montanas, vier Autostunden vom Nationalpark Yellowstone entfernt, liegt. Randy Smith und Kate Walker, die den Hamburger anfangs nur für ein paar Tage beherbergen sollten, bevor er bei seiner eigentlichen Gastfamilie einziehen würde, baten das Austauschprogramm, ihn bei sich behalten zu dürfen. "Wir haben uns auf Anhieb mit ihm verstanden, man kam leicht mit ihm ins Gespräch", sagt Kate. Aufgeschlossen sei der Junge gewesen, stolz auf seine türkischen Wurzeln. Er habe ihnen gezeigt, wie man auf türkische Art Kaffee koche und Essen zubereite. "Eine kulturelle Bereicherung", stellt die Schulsprecherin fest.

Umso schockierender wirken die tödlichen Schüsse auf Diren Dede selbst in Montana, einem Bundesstaat, in dem fast jeder Privathaushalt mindestens eine Waffe besitzt. In Montana gilt die "Castle Doctrine", die Schloss-Doktrin, vergleichbar der "Stand-your-ground"-Regel, die Florida vor Jahren einführte: Bürger, die sich in ihrer Wohnung oder auf ihrem Grundstück bedroht fühlen, dürfen sich mit Waffengewalt zur Wehr setzen, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Die Polizei alarmieren, sich verstecken, der Konfrontation ausweichen - alles zweitrangig. Die vier Patronen, die Markus Kaarma auf Diren abfeuerte, lassen jedoch weniger auf Notwehr schließen als vielmehr darauf, dass ein schießwütiger Hausbesitzer geradezu lauerte auf den Moment, in dem er zur Flinte greifen konnte.

Laut Anklageschrift wollten Kaarma und Janelle Pflager, seine Partnerin, potenziellen Dieben eine Falle stellen, nachdem binnen drei Wochen zweimal eingebrochen worden war in ihrem Anwesen am stillen Deer Canyon Court. Pflager stellte eine Handtasche in die Garage und notierte auf einer Liste, was sich darin befand: ein Köder. Wer immer der Einbrecher sein würde, sagte sie den Ermittlern, er sollte nach der Tasche greifen. Draußen installierten die beiden Bewegungsmelder, die Garagentür ließen sie offen. Sonntagnacht gegen halb eins, Kaarma und Pflager saßen im Wohnzimmer vorm Fernseher, schlugen die Sensoren Alarm.

Kaarma griff sich eine Schrotflinte, ging aus dem Haus und näherte sich der unbeleuchteten Garage. In jedem Fall habe er ihn erwischen wollen, "er erklärte, die Polizei ertappe Diebe ja nie auf frischer Tat". Deshalb habe er viermal in die Dunkelheit geschossen, "ohne mit Diren Dede zu kommunizieren", wie es in sperriger Behördensprache heißt. Was Diren zu dieser Uhrzeit dort wollte, ist unklar.

Janelle Pflager schildert es in wichtigen Details anders. Sie will gehört haben, wie Dede "Hey" oder "Wait!" rief, bevor kurz hintereinander die ersten Schüsse fielen. Sie habe das Licht in der Garage anschalten wollen, doch ehe sie dazu kam, habe ihr Mann zwei weitere Male abgedrückt. "Es waren Sekundenbruchteile", verteidigt Paul Ryan, Kaarmas Anwalt, seinen Mandanten. Eine Bekannte schildert wiederum einen Wortwechsel, bei dem Kaarma von seiner Jagd auf Kriminelle erzählte. Er habe nur darauf gewartet, "irgendein Kind erschießen zu können", sagte sie.

In Hamburg sind zurzeit Osterferien. Der Schulleiter hat seinen Urlaub abgebrochen, um mit Mitarbeitern der Beratungsstelle Gewaltprävention zu besprechen, wie Direns Mitschüler betreut werden. Der Vater des Jugendlichen ist bereits in die USA gereist: Er muss die Leiche seines Kindes nach Hause holen. Die Mutter sei so erschüttert, dass sie ins Krankenhaus gekommen sei, sagt Garip Ercin, Fußball-Trainer bei Direns Heimclub SC Teutonia 1910. In wenigen Wochen hatte er den talentierten Kicker zurückerwartet. "Er hätte noch 43 Tage in den USA gehabt."

(RP)
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