Istanbul Erdogan, Putin und Ruhani treffen sich zu Syrien-Gipfel

Istanbul · Keinen ausländischen Politiker hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in jüngster Zeit so oft getroffen wie Wladimir Putin. So wie gestern: Der Kremlchef kam nach Ankara. Per Videokonferenz wohnten die beiden Staatschefs der Grundsteinlegung des ersten türkischen Kernkraftwerks bei Akkuyu an der Mittelmeerküste bei. Der russische Staatskonzern Rosatom wird es bauen und betreiben. Das Projekt symbolisiert die immer engere Anlehnung der Türkei an Russland. Bereits im vergangenen Jahr besiegelten die beiden Präsidenten die Lieferung russischer Flugabwehrsysteme des Typs S-400 an die Türkei. Erst russische Rüstungsgüter, jetzt Nukleartechnik: Unter Erdogan geht das Nato-Land Türkei eigene Wege.

Das wird sich auch heute zeigen. Dann will Erdogan in Istanbul mit Putin und dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani das weitere Vorgehen im Syrien-Konflikt abstimmen. Ende Januar ließ Erdogan türkische Truppen in Nordsyrien einmarschieren. Sein Treffen mit Putin und Ruhani unterstreicht, dass die Türkei die Neuordnung Syriens maßgeblich mitgestalten will.

Bereits im vergangenen November gab es ein solches Gipfeltreffen. Damals empfing Putin den türkischen Staatschef und den iranischen Präsidenten im Badeort Sotschi. Wenige Tage zuvor war der syrische Diktator Baschar al Assad nach Sotschi gereist. Er dankte Putin "im Namen des ganzen syrischen Volkes für das, was Sie getan haben - wir werden es nicht vergessen." Russland ist Assads wichtigster Verbündeter. Den Luftangriffen, mit denen Russland seit 2015 die syrische Armee unterstützt, verdankt es Assad, dass sich der Bürgerkrieg zu seinen Gunsten gewendet hat.

Die Türkei, Russland und der Iran verfolgen im Syrienkonflikt unterschiedliche Interessen. Bei ihrem Gipfeltreffen am Bosporus werden die drei Präsidenten versuchen, ihre Ziele abzustecken und ihr militärisches sowie diplomatisches Vorgehen so abzustimmen, dass man sich möglichst nicht auf die Füße tritt. Gemeinsames Ziel dürfte es sein, den Einfluss der USA bei der Gestaltung zurückzudrängen.

Putin geht es vor allem darum, die militärische Präsenz Russlands im Nahen Osten zu sichern. Der Iran unterstützt ebenfalls das Assad-Regime und unterhält in Syrien Militärstützpunkte. Das Land ist für Irans Regionalmacht-Ambitionen von großer Bedeutung. Es bildet ein wichtiges Element der "schiitischen Achse", die vom Iran über den Irak und Syrien bis zur Hisbollah im Libanon reicht und Teheran einen Zugang zum Mittelmeer verschafft.

Im Gegensatz zu Putin und Ruhani arbeitete der türkische Staatschef Erdogan jahrelang auf den Sturz Assads hin. Aber er hat sich damit abfinden müssen, dass Assad mit Putins Unterstützung zumindest vorerst an der Macht bleibt. Das ist der Preis dafür, dass die Türkei die Kurden aus dem Norden Syriens vertreiben und dort ihre eigene Einflusssphäre schaffen kann. Denn ohne die Duldung Russlands, das die Lufthoheit über Syrien hat, wäre die türkische Militäroperation in Nordsyrien nicht möglich gewesen. Mit dem Gipfeltreffen zeigt Erdogan erneut, dass er seinen eigenen Weg geht, ohne Rücksicht auf die Nato-Verbündeten.

(RP)
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