Berlin Alzheimer ist ein Tyrann

Berlin · Demenzkranker Vater tyrannisiert seine Tochter in der Verfilmung des Theaterstücks "Der Vater".

Dramen über Demenz und Alzheimer versinken nicht selten in falscher Rührseligkeit und billigem Pathos. Ganz anders kommt der französische TV-Film "Der Vater" daher, der mit analytischer Schärfe und einem faszinierenden, hochbetagten Hauptdarsteller die Folgen der Krankheit - nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für seine Familie - sichtbar macht. Die Verfilmung von Florian Zellers Bühnenstück "Der Vater", das 2012 erfolgreich am Pariser Théâtre Hébertot aufgeführt wurde, läuft bei Arte in der Reihe "Theaterfilme".

Der 1925 geborene französische Mime Robert Hirsch spielt den zunehmend verwirrten André, der seine Tochter Anne (Isabelle Gélinas) mit seinen Eskapaden an den Rand des Nervenzusammenbruchs treibt. André lebt mehr und mehr in seiner eigenen Welt. Da ist zum Beispiel die Sache mit der ständig verlegten Armbanduhr. André insistiert: "Ich weiß eine Sache. Dass die Uhr unauffindbar ist. Der Beweis: Ich finde sie nicht wieder."

Mit verquerer Logik scheint der Kranke seinen eigenen Zustand noch zu reflektieren, aber bald wird es schlimmer. Da erkennt er Menschen nicht mehr oder verwechselt Personen. Isabelles Partner Pierre (Patrick Catalifo) kann mit dieser Situation gar nicht umgehen und reagiert mit aggressivem Zynismus gegenüber dem Kranken, der aber in der Tat auch eine echte Nervensäge sein kann.

Der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 87-jährige Robert Hirsch zeigt diesen Verfall mit erstaunlicher Verve und Energie: vom störrischen Rechthaber, Macho und Familientyrannen, der seine ihn umsorgende Tochter mit Missachtung straft, über den verwirrten Greis, der um seine Würde ringt, bis zum Pflegefall. Hirsch gibt eine ganz starke Vorstellung ab, auch hochbetagte Menschen sind zu Höchstleistungen fähig.

Trotz einiger Längen gelingt die Gratwanderung zwischen Ernst und Komik. Konsequent wird diese Geschichte eines mentalen Verfalls aus der Perspektive des Protagonisten erzählt. Der Zuschauer muss also aufmerksam bleiben, wenn eine fremde Frau plötzlich zur Tochter wird. Am Ende steht ein steril-weißes Krankenbett im Pflegeheim - alles andere ist verblasst.

"Der Vater", Arte, 22.10 Uhr

(dpa)
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