Bürgerfragen im TV Eine Wahlarena voller Merkel-Fans

Berlin · Die ARD-Wahlarena ist ein bewährtes Format im Wahlkampf. Bürger dürfen Angela Merkel direkt fragen. Direkte Antworten gab die Kanzlerin jedoch nicht.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Moderatoren Sonia Mikich und Andreas Cichowicz in der Wahlarena.

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Moderatoren Sonia Mikich und Andreas Cichowicz in der Wahlarena.

Foto: dpa, dan tba

Die Szenerie ist tatsächlich wie in einer Zirkus-Arena: Im Rund steht die Kanzlerin an einem Pult. Ihr rechts und links gegenüber zwei Moderatoren. Drumherum das Publikum. Doch wer auf eine Art Raubtier-Dressur gewartet hat, wird enttäuscht. Es geht eher zu wie in einem Proseminar an der Uni über praktische Politik. Das Volk fragt und Merkel doziert geduldig über das, was sie tut und lässt. Dass das jetzt Wahlkampf sein soll, würde man außerhalb von Deutschland nicht vermuten.

Merkels Vorteil: Als Fragesteller melden sich reichlich Leute, die sich erst einmal als Merkel-Fans outen, bevor sie ihre Frage stellen. Dazu zählen zum Beispiel der junge Mann, der aus Bayern kommt und die Obergrenze ablehnt oder auch der türkischstämmige Rechtsanwalt aus Hamburg, der Merkel den Gefallen tut, die Debatte auf die internationale Politik zu lenken. Auch die junge Kölnerin mit Down-Syndrom sagt, sie finde die Kanzlerin toll. In der Begeisterung geht unter, dass Merkel ihre Frage zur Spätabtreibung nicht beantwortet. Es reicht, dass Merkel herzlich und persönlich reagiert.

Persönliche Ansprache als Geheimwaffe

Überhaupt: Das Persönliche in der Politik, das Merkel früher sorgsam vermied, ist in ihrem dritten Wahlkampf eine ihrer Geheimwaffen. Für die Physikerin im Publikum, die mit der Rentenpolitik nicht zufrieden ist, hat Merkel keine befriedigende Antwort. Die Dame strahlt aber, als die Kanzlerin sich nach ihrem Spezialgebiet erkundigt und sie dafür lobt, sich auf IT spezialisiert zu haben.

 Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) begrüßt Angela Merkel vor dem Auftritt in der Lübecker Kulturwerft.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) begrüßt Angela Merkel vor dem Auftritt in der Lübecker Kulturwerft.

Foto: dpa, dan tba

Die Moderatoren haben sich in dieser Sendung Zurückhaltung auferlegt. Der Ansatz funktioniert gut. Moderatorin Sonia Mikich hat zum Start der Sendung versprochen, dass die 150 Gäste das "kleine Deutschland" darstellten, also einen Querschnitt der Bevölkerung. Tatsächlich kommen Themen querbeet zur Sprache, überwiegend qualifiziert gefragt.

Als ein junger Familienvater aus Thüringen im AfD-Jargon seine Sorge vor Überfremdung ausdrückt und droht ausgebuht zu werden, springen ihm Mikich und Merkel zur Seite, dass er sein Anliegen vortragen darf. An diesem Mann redet die Kanzlerin dennoch vorbei, wenn sie sagt, sie würde sich nicht um die Zukunft seiner Kinder sorgen und dann wieder ganz schnell bei dem Punkt "mehr Geld für Entwicklungspolitik" ankommt.

Meisterlich im Unkonkreten

Auf das Thema Tierversuche kann die Kanzlerin nicht wechseln. Das gibt sie auch offen zu und verspricht der Dame eine schriftliche Antwort. Ansonsten sind die Tiefe und Breite von Merkels Kenntnis der fachpolitischen Zusammenhänge gewohnt beeindruckend. Dennoch hat sie auf manche zentralen Fragen keine überzeugenden Antworten. Zum Beispiel, was sie gegen den Pflegenotstand unternimmt, den ein junger Mann, der sich zum Altenpfleger ausbilden lässt, eindrücklich schildert.

Wo sie keine Versprechen machen will, mutet sie den Bürgern ganz einfach die Wahrheit zu, zum Beispiel, dass sie die Milchpreise nicht staatlich steuern will und dass sie Hortplätze für Grundschulkinder vorrangig vor kostenlosen Kita-Plätzen sieht. Das war eine Sendung wie Merkel selbst: unaufgeregt, nüchtern, solide und meisterlich im Unkonkreten. Nächsten Montag steht Martin Schulz in der Arena.

(qua)
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