"Anne Will" Beatrix von Storch macht sich zum Gespött

Düsseldorf · Braucht Deutschland eine Obergrenze wie Österreich? Bei Anne Will verbreitet eine AfD-Politikerin wirre Verschwörungstheorien, CSU-Mann Hans-Peter Friedrich legt sich lieber mit CDU-Vize Armin Laschet und der Kirche an. Der Talk im Schnell-Check.

AfD-Politikerin Beatrix von Storch fabulierte bei Anne Will von Merkels Flucht nach Chile.

AfD-Politikerin Beatrix von Storch fabulierte bei Anne Will von Merkels Flucht nach Chile.

Foto: Screenshot ARD

Das Thema lautet "Vorbild Österreich — braucht Deutschland eine nationale Obergrenze?" Alles dreht sich um die Frage, wie sich die Zahl der Flüchtlinge reduzieren lässt.

Drei Parteipolitiker sitzen in der Runde. Entsprechend geht es natürlich auch um Profilierung — und die Positionierung gegenüber Kanzlerin Angela Merkel. Anne Will bearbeitet in dieser Sache vor allem CSU-Gast Hans-Peter Friedrich. Der vermeidet eine klare Solidaritätsadresse.

Die Runde

Eine bemerkenswerte Konstellation, die aufzeigt, wie sehr die Fronten quer durch die Parteien gehen. Neben Hans-Peter Friedrich (CSU) sitzt der Merkel-Getreue Armin Laschet (CDU), links von Will der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und die AfD-Politikerin Beatrix von Storch.

Die Lager teilen sich in zwei Erklärungsmodelle der Flüchtlingskrise. Aus Sicht von Friedrich und von Storch hat Merkel mit ihrer Willkommenspolitik den "Magneten eingeschaltet". Beide fordern daher ein gegensätzliches Signal der Kanzlerin. Das werde die Zahl der Flüchtlinge reduzieren. Zudem vertreten sie einen rechtlich-formalistischen Umgang mit Flüchtlingen. In Reinform formuliert das die AfD-Politikerin: "Wenn wir uns an das Recht halten würden, bräuchten wir keine Obergrenze." Menschen, die aus Österreich nach Deutschland einreisen wollen, sind für sie keine Flüchtlinge, weil sie in Österreich nicht bedroht sind.

Laschet und Bedford-Strohm halten das mehr oder minder für Unfug. Der CDU-Vize besteht darauf, dass Merkel niemals jemanden eingeladen habe und seit Monaten an nichts anderem als einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen arbeite. Dafür müsse man in den Flüchtlingslagern um Syrien wieder menschenwürdige Bedingungen ermöglichen. In diese Kerbe haut auch Bedford-Strohm. In seinen Augen hat nicht ein Magnet die Flüchtlingsströme verursacht, sondern die Kürzung der Hilfsgelder auf unter 20 Dollar pro Kopf im Monat. Die Forderungen nach einer Obergrenze weisen sie zurück und warnen vor unabsehbaren Folgen für Europa und die Menschen.

Bizarrster Moment des Abends

Beatrix von Storch tut alles, um die guten Umfragewerte für die AfD schnell wieder einzudampfen. Sie hält es für unnötig, Flüchtlinge zu integrieren, weil diese nach drei Jahren wieder in ihre Heimat zurückkehren würden. Sie behauptet, es sei Aufgabe der AfD zu versachlichen und Realitäten beim Namen zu benennen. Will führt solche Aussagen ad absurdum, indem sie ein Facebook-Zitat der Politikerin aufgreift. Über Merkel schrieb sie im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik: "Ich nehme Wetten an: Wenn sie bald zurücktritt, wird sie das Land verlassen. Aus Sicherheitsgründen."

Unüberhörbar geht ein Raunen durch das Publikum. Doch von Storch setzt noch einen oben drauf. "Damit meine ich das Gerücht, dass sie nach Chile oder Südamerika geht, das wird auch schon diskutiert." Damit macht sie sich endgültig zum Gespött. Im Publikum erntet sie Gelächter. "Unfassbar" ruft Laschet in die Runde. Meint sie das wirklich ernst? Genauso wirkt es. Ohne einen Anflug von Sarkasmus oder Ironie fabuliert eine Politikerin der AfD tatsächlich von einer Flucht der Kanzlerin, ähnlich der eines Erich Honecker, in ihrer Fantasiewelt vermutlich hinweggespült vom deutschen Volkszorn. Anne Will ist es zu verdanken, dass von Storch in diesem Moment einen Einblick in die abenteuerliche Gedankenwelt der AfD und ihrer Gesinnungsgenossen zulässt.

Aha-Effekt des Abends

Bemerkenswert die Reaktion von Friedrich. Spontane Kritik an der AfD-Politikerin ist nicht zu registrieren. Stattdessen merkt er nach den Äußerungen von Storchs an: "Liebe Frau Will, die Facebook-von-Storch-Exegese interessiert mich überhaupt nicht. Wir müssen den Menschen das Vertrauen zurückgeben, dass dieser Staat handlungsfähig ist." Spätestens jetzt wird klar, dass an diesem Abend die Kluft zur CDU größer ist als die zur AfD.

Erkenntnis: Nach dieser Vorstellung, kann man davon ausgehen, dass die AfD trotz ihres aktuellen Höhenflugs auf Dauer keine ernsthafte Konkurrenz für die etablierten Parteien sein kann. In der Flüchtlingskrise tritt die Diskussion quälend auf der Stelle. Mehrere Argumente hat man von exakt diesen Menschen schon vor Monaten exakt so gehört. Nur zum Ende öffnet sich beim Gespräch über Julia Klöckners Plan A2 ein Türchen für einen Kompromiss.

(pst)
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