TV-Talk mit Anne Will "Aufstehen und für Europa überzeugen"

Düsseldorf · In ihrer Erleichterung über den Wahlausgang in Frankreich sind sich Anne Wills Talkgäste einig. Sie loben die Symbolwirkung und freuen sich, dass man mit Europa wieder Wahlen gewinnen könne.

Darum ging's

Mit klarem Vorsprung hat der parteilose Kandidat Emmanuel Macron die Wahl in Frankreich gewonnen. Anne Will möchte von ihren Gästen wissen, wie der neue Präsident Europa verändern kann.

Darum ging's wirklich

Die Runde ist sich einig in ihrer Freude über den Sieg des jüngsten französischen Präsidenten. Zwei Politiker und zwei Frankreich-Experten diskutieren die Symbolwirkung der Wahl aber auch, wie sich Deutschland verhalten kann, um Emmanuel Macron in seiner schwierigen Aufgabe zu unterstützen. Mit der Verteidigungsministerin spricht Anne Will zuletzt noch über die Bundeswehr. Offensichtlich konnte die ARD die Ministerin nur so in die Sendung locken.

Die Gäste

  • Ursula von der Leyen, Verteidigungsministerin, CDU
  • Xavier Bettel, Premierminister von Luxemburg, Demokratische Partei
  • Gesine Schwan, Politologin, SPD
  • Alfred Grosser, französischer Politologe

Frontverlauf

Alfred Grosser, der mit 92 Jahren älteste Teilnehmer der Runde, erklärt seine Freude über den Wahlausgang in Frankreich. 70 Prozent seien noch besser gewesen, doch 66 Prozent der Stimmen für den Kandidaten nennt der Politologe ein "befriedigendes Ergebnis". Die anderen Gäste stimmen zu und bekräftigen ihren Eindruck, dass die Wahl von Macron einen hohen Symbolwert für ein stärkeres Europa hat.

Revolution der Jugend

Dass die alte Garde abgewählt wurde und der 39-jährige Macron Präsident der Franzosen ist, wertet Grosser als "eine Revolution der Jugend." Seiner Ansicht nach könnte Macron auch bei den Parlamentswahlen im Juni eine Mehrheit bekommen. Als Bilder von der Feier vor dem Louvre eingeblendet werden, die zeigen, dass bei Macrons Gang auf die Bühne die Europahymne gespielt wird, jubelt der Luxemburger Bettel.

Macron sei ein Zeichen dafür, dass man mit einem positiven Bild von Europa wieder Wahlen gewinnen könne, findet Verteidigungsministerin von der Leyen. "Das ist ein großartiger Tag für Frankreich und ein großartiger Tag für Europa, und darüber kann man sich ja mal freuen", sagt sie.

Gesine Schwan ist ebenfalls vom positiven Effekt für Europa überzeugt, gibt allerdings zu bedenken, dass Reden allein nicht ausreiche. Frankreichs Probleme lägen im Sozialen, in der Arbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit der Jugend auf dem Land. Es gelte nun auch etwas zu verändern, damit Frankreich mehr in Arbeitsplätze investieren könne. Angesichts von 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit im Süden des Landes sei auch Deutschland aufgerufen, mit mehr Verantwortung die Veränderung die Europapolitik in Angriff zu nehmen.

"Es muss ein Schwung kommen und der muss auch von Seiten deutscher Politik kommen", so die SPD-Politikerin. Moralisierende Kritik helfe wenig weiter, denn Deutschland verdanke seine Stärke zwar nicht nur, aber auch dem Euro. Die Bundesverteidigungsministerin zieht es hingegen vor, Frankreich "seinen eigenen Weg" zur Stärke gehen zu lassen. Sie hoffe, dass Macron auch für die komplexe Situation der miteinander konkurrierenden Arbeitnehmerverbände Lösungen finde.

"Wir sind alle Brüssel"

Xavier Bettel kritisiert, dass Brüssel gerne als Sündenbock von einem anderen Planeten gelte. Viele meckerten zu viel und hielten die europäische Gemeinschaft und ihre Errungenschaften für zu selbstverständlich. Aber Brüssel sei keineswegs machtlos oder abgerückt: Angela Merkel sei Brüssel, Macron sei Brüssel, so der Luxemburger, "wir sind alle Brüssel".

Anne Will fragt ihre Gäste, ob Macron mit seiner Idee eines Eurozonenbudgets erfolgreich sein werde, "das von einem Parlament der Eurozone beschlossen und von einem Wirtschafts- und Finanzministerium der Eurozone umgesetzt wird." Alfred Grosser befürwortet das.

Grosser lobt Macrons Plan, erfahrene Lehrer in die benachteiligten Vororte von Paris zu schicken und dort in kleineren Schulklassen aktiv gegen die Diskriminierung zu kämpfen. Denn natürlich gebe es große Probleme in Frankreich, was sich darin zeige, dass 34 Prozent der Franzosen für Marine Le Pen stimmten.

Auch Ursula von der Leyen ist der Ansicht, dass man sich in Europa nun nicht siegesgewiss "zurücklehnen" dürfe. Doch sie ist optimistisch: "Wir als Europäer lernen dazu." Man sei nach den Wahlen in Österreich, in den USA und dem Brexit-Votum "aufgewacht", nun heiße es "für Europa aufstehen und überzeugen".

Zum Schluss der Sendung spricht Anne Will die Bundeswehr an. Nach einer turbulenten Woche mit Nachrichten von Wehrmachts-Relikten in Bundeswehrkasernen und den rechtsextremen Soldaten will sie von der Verteidigungsministerin wissen, ob ihr ihre Aussage inzwischen leid tue. "Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen", hatte die Verteidigungsministerin vor laufenden Kameras erklärt. Von der Leyen sagt, sie wünschte, sie hätte noch vorausgeschickt, dass ganz großer Teil der Bundeswehr hervorragenden Arbeit leiste und loyal sei.

Sie fordert Offenheit im Umgang mit dem heiklen Thema. Die zutiefst rechtsextreme Haltung sei schön geredet worden. Bei diesem "gründlichen Säuberungsprozess" auf verschiedenen Ebenen der Bundeswehr sei noch eine Menge zu tun.

(juju)
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