Talk bei Anne Will Köln kann jederzeit wieder passieren

Düsseldorf/Berlin · Neuer Sendeplatz, altes Thema: Auch Anne Will hat noch einmal die Taten aus der Silvesternacht in Köln diskutiert. Ein Zweikampf sorgte für Unterhaltung, ein Salafismus-Experte für Klartext.

 Lieferten sich das Duell des Abends: Stefan Aust und Peter Altmaier.

Lieferten sich das Duell des Abends: Stefan Aust und Peter Altmaier.

Foto: ARD / Anne Will

Darum ging's:

Es scheint derzeit ein ungeschriebenes Talk-Gesetz in Deutschland zu sein: Jede Gesprächsrunde muss sich nach der Winterpause mit den Geschehnissen der Silvesternacht von Köln beschäftigen. "Nach Köln — Höchste Zeit für eine neue Flüchtlingspolitik?" lautete dementsprechend der Titel von Anne Wills Rückkehr-Sendung auf den Platz am Sonntagabend. Doch auch mehr als zwei Wochen "nach Köln" sind inhaltliche Erkenntnisgewinne vor der Kamera Mangelware. Vielleicht haben die Wahlstrategen von Angela Merkel aber dieses Mal besonders hingeschaut, schickte sich die Will-Redaktion doch an, ihre Arbeit mit folgender Frage zu übernehmen: "Wie lässt sich das Vertrauen in Merkels Flüchtlingspolitik wieder herstellen?"

Darum ging's wirklich:

Für Anne Will ist es ein verspäteter Triumph: Nach dem Ende von Günther Jauch im Ersten darf sie wieder zu bester Sendezeit am Sonntagabend talken, das Gasometer Schöneberg ist einem deutlich beschaulicheren Studio in beige gewichen. Von Will zu ihrer neuen Rolle: kein Wort. "Ich freue mich über den netten Empfang", sagte sie zu Beginn. Vielleicht lag es auch daran, dass sich bereits jedere andere Talkshow im deutschen Fernsehen des Themas "Köln" angenommen hat: Aber manch einer fand es am Abend deutlich spannender, in den sozialen Netzwerken darüber zu diskutieren, dass Anne Wills Lebensgefährtin Miriam Meckel gut sichtbar im Publikum saß. "Schön, dass wir uns jetzt wieder sonntags unterhalten, Anne", sagte Caren Miosga dann auch nach der Überleitung zu den anschließenden Tagesthemen. Dort wurde Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) übrigens deutlich mehr ins Verhör genommen als alle Gäste bei Will zusammen.

Die Runde:

Während bei Maybrit Illner noch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) den Kurs der Regierung erklären durfte, wurde nun Peter Altmaier (CDU) in gleicher Funktion zu Anne Will geschickt. Leider wurde er viel zu oft in seiner Funktion als Kanzleramtsminister wie ein Sprachrohr zur Kanzlerin befragt und zu selten in seiner Rolle als Flüchtlingskoordinator. Psychologe und Autor Ahmad Mansour, der an Projekten gegen Extremismus mitarbeitet, brachte frischen Wind in die Runde. Stefan Aust, Herausgeber und Chefredakteur von "WeltN24", hatte sich Peter Altmaier vorgenommen. Gesine Schwan (SPD) ist Politologin und hat zwei Mal gegen Horst Köhler bei der Wahl zum Bundespräsidenten verloren. Seitdem ist sie (unter anderem) regelmäßiger Talkshow-Gast.

Bizarrster Vergleich:

Stefan Aust verglich die Zahl jener jungen Männer, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, mit der von Bundeswehr- und NVA-Soldaten "auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges". Nicht wundern, wer sofort bärtige Kalaschnikow-Träger vor dem inneren Auge sieht. Die Assoziation dürfte man nicht exklusiv gehabt haben.

Stärkster Auftritt:

Der klare Sieger des Abends war Ahmad Mansour. Er scheute sich nicht davor, auftretende Probleme in islamischen Gesellschaften anzusprechen, ohne zu skandalisieren und zu verallgemeinern. Außerdem betonte er, nicht für ein allgemeingültiges Islambild sprechen zu können und berichtete von Anfeindungen, die ihm ("auch nach der Sendung") wegen seiner Arbeit als Autor zum Thema Salafismus entgegenschlagen. "Wir tabuisieren die Sexualität dermaßen, dass ein riesiges Gewaltpotenzial entsteht", sagte er. "Das ist natürlich sehr unterschiedlich von einer Person zur anderen, aber es ist leider weit verbreitet." Dabei ließ er sich auch nicht von Sätzen wie "Mir ist immer gesagt worden, dass Muslime keinen Alkohol trinken" von Peter Altmaier aus der Ruhe bringen.

Duell des Abends:

Immer wieder gerieten Journalist Stefan Aust und Kanzleramtsminister Peter Altmaier aneinander. Teilweise so wild, dass Anne Will dazwischen gehen musste. Während Altmaier nicht ausschließen konnte, dass sich Straftaten wie die in Köln wiederholen, behauptete Aust, die deutschen Grenzen seien komplett offen. "Wir haben gesehen, was sich auf der Welt alles auf die Socken macht, nachdem die Kanzlerin deutlich gemacht hat, wir nehmen jeden auf." De facto würden Grenzkontrollen nicht mehr stattfinden. "Das ist falsch", knurrte Altmaier dazwischen. "Ach, das ist doch nicht wahr", konterte wiederum Aust. "Die Behörden sind damit überfordert, was auf sie zukommt."

Satz des Abends:

Peter Altmaier zu den politischen Krisen der vergangenen Jahre: "Wir haben das getan, was wir mit unserem Gewissen vereinbaren konnten."

Erkenntnis des Abends:

Auch wenn er das 100. Mal gefragt wird, sollte man von Peter Altmaier keine bedeutungsschweren Antworten zum Seelenleben und zu persönlichen Konsequenzen Merkels angesichts der Flüchtlingskrise erwarten. Für die kommende Woche sollte das Motto für Anne Will im Interesse aller Beteiligten lauten: "Nach Köln — Höchste Zeit für ein neues Thema?"

(lukra)
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