TV-Nachlese "Anne Will" "Die Bilder der Angst — das ist es, was der IS will"

Düsseldorf · Angesichts der Absage des Länderspiels in Hannover hat Anne Will das Thema ihres Talks am Mittwochabend geändert. "Wie bedroht sind wir vom islamistischen Terror", fragte sie. Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius war zu Gast. Es wurde ein unaufgeregter, aber interessanter Talk. Viel schlauer war man am Ende dennoch nicht. Der Talk im Schnellcheck.

Anne Will sprach mit ihren Gästen über die Terrorgefahr durch den IS in Deutschland und Europa.

Anne Will sprach mit ihren Gästen über die Terrorgefahr durch den IS in Deutschland und Europa.

Foto: Screenshot ARD

Darum ging's

"Das sind unruhige Zeiten", sagte Anne Will gleich zu Beginn der Sendung, um gleich nachzuschieben: "Fühlen wir uns nur bedroht oder sind wir es auch?" Dass der Terror längst in Europa angekommen ist, darin waren sich die Gäste einig. Entsprechend viele Ideen, wie der IS bekämpft werden kann, wurden an diesem Abend in den Raum geworfen. Mehr vernetzte Zusammenarbeit der europäischen Behörden, der Umgang mit den Gefährdern in Deutschland, Bodentruppen oder nicht — kaum ein Thema wurde im Talk von Anne Will ausgelassen. Dazu ein Journalist, der ein deutliches Profil der Terrormiliz zeichnete, aber zwischenzeitlich auch auf Gegenwehr stieß.

Die Runde

Es war eine gemischte Runde, die abseits jeglicher Parteipolitik argumentierte. Da war zunächst Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD), der aus erster Hand über die Gefährdungslage am Abend der Länderspielabsage erzählen konnte — aber in seiner Argumentation des Tages standhaft blieb. Da war der Journalist und Buchautor Christoph Reuter, der versuchte, die Strukturen des IS zu beleuchten. Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sprach von einer "neuen Phase des Terrorismus", die es zu RAF-Zeiten nicht gegeben habe, weil sie sich nun nicht mehr gegen Amtsträger, sondern gegen die Bevölkerung richte. Recht blass blieb Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der EVP-Fraktion im EU-Parlament, der versuchte, die Wichtigkeit der europäischen Zusammenarbeit hervorzuheben. Und da war die Deutsch-Kurdin und Jesidin Düzen Tekkal, die als Regisseurin einen Film über das Leid der Jesiden gedreht hatte.

Der Standhafte

Dass Will Pistorius in ihrer Sendung hatte, stärkte natürlich die Neugier der Zuschauer, ob denn nun mehr zu erfahren sei in Bezug auf die Hintergründe der Länderspielabsage, zumal es einen Medienbericht gegeben hatte, nachdem mehrere Bomben im Stadion hätten gezündet werden sollten. Doch Pistorius blieb bei seiner Linie, der er schon den ganzen Tag über treu geblieben war. Die Informationshoheit liege beim Bund, daher werde er den Medienbericht weder dementieren noch kommentieren. Die Absage, so hob er noch einmal hervor, sei "die einzig richtige und die einzig verantwortliche Entscheidung" gewesen. Und am Ende sei diese Absage auch ein Symbol, nämlich, dass die Sicherheitsbehörden gute Arbeit leisteten.

Der Skeptiker

Diese Rolle nahm ein wenig Gerhart Baum auf. Im Gegensatz zu Journalist Reuter sah er eher die Anschläge in Paris als eine Reaktion darauf, dass der IS in Syrien und im Irak an Boden verliert. Die Länderspielabsage wiederum wollte er nicht negativ sehen, sondern sagte, er vertraue da den Sicherheitsbehörden und wolle auch nicht wissen, was diese wissen. Aber wenn ein Bundesinnenminister sage, dass es eher verunsichere, wenn er die Wahrheit sage, "dann werde ich misstrauisch". Zudem betonte er, dass man nun aufpassen müsse, dass es nicht zu einer Serie von Absagen komme. Als es schließlich um die sogenannten Gefährder ging, stellte er die schlichte Frage: "Was machen Sie mit den Gefährdern?" Eine wirkliche Antwort bekam er nicht.

Der Analytiker

Journalist und Buchautor Christoph Reuter versuchte einen Einblick zu geben, wie der IS tickt, und legte dabei vor allem viel Wert darauf, nicht nur nach Europa zu schauen. "Wenn man viel in Syrien unterwegs war, ist das, was in Paris passiert ist, Alltag", stellte er angesichts der vielen Gräueltaten des IS fest. Rein technisch hätten sie mehr drauf als das, was sie in Paris umgesetzt hätten. "Es ist nicht eine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Kalküls", sagte er. Denn der IS wäge genau Kosten und Nutzen solcher Anschläge ab. Auch nannte er den IS eine "lernende Organisation". Für ihn war es bewusst gewählt, dass sich ein Attentäter als Flüchtling tarnte, eben um den Flüchtlingen den Schwarzen Peter zuzuschieben. "Die Bilder der Angst, das ist es, was der IS will", sagte er und fügte hinzu: "Es erschüttert unsere verwundbare Gesellschaft." Und er hob hervor, man solle sein Augenmerk nicht nur auf die sogenannten Gefährder richten, denn der IS sei "grandios darin, über eine lange Zeit Schläferzellen einzuschleusen".

Die Betroffene

Düzen Tekkal hat Familie in Hannover, aber auch im Irak. Sie ist Deutsch-Kurdin und Jesidin, hat einen Film über die Gräueltaten des IS gedreht, indem sie von der Terrormiliz verkaufte und missbrauchte Frauen interviewte. Für sie war es ein eigenartiger Moment, dass sie nun von ihrer Familie in Hannover die gleichen Sorgen zu hören bekam wie schon lange von ihrer Familie im Irak, denn schließlich hätten sie alle gedacht: "Wir sind zwar Jesiden, aber wir sind in Deutschland." Sie frage sich, warum Deutschland, warum Europa erst jetzt reagiere. "Ich fühle mich veräppelt. Habt ihr nicht hingeguckt?", sagte sie. Sie sprach sich für mehr Härte des Rechtsstaates aus, dass etwa die Koran-Verteilungsaktionen der Salafisten verboten werden sollten und auch dafür, dass Bodentruppen gegen den IS im Irak und Syrien eingesetzt werden sollten.

Fazit

Einig war sich die Runde, dass man sich nicht vom Terror einschüchtern lassen, sondern die Freiheit verteidigen wolle, die wir leben. Aber klar war allen auch, dass der Terror nun direkt vor der Haustür steht. Wie ihn aber bekämpfen — sowohl in Syrien als auch im Irak, da gehen die Meinungen weit auseinander. Es gibt hunderte Konzepte, hunderte Fragen, aber die richtige Antwort kann niemand geben. Dafür ist die Gefahr auch zu diffus. Denn wie sagte Pistorius bei Anne Will? "Es gibt nicht den einen Dschihadisten."

(das)
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