TV-Kritik zu "Anne Will" Merkel ist die Tollste

Berlin · Angela Merkel steht im zehnten Jahr ihrer Amtszeit. Kritiker halten die Flüchtlingkrise für den Stein, über den die Kanzlerin stolpern könnte. Doch das wird nicht passieren, denn Merkel ist ganz toll. Diesen Eindruck vermittelte zumindest die Talkrunde bei Anne Will.

 Die Talkrunde bei Anne Will war sich einig: Angela Merkel ist eine ganz tolle Kanzlerin.

Die Talkrunde bei Anne Will war sich einig: Angela Merkel ist eine ganz tolle Kanzlerin.

Foto: Screenshot ARD

Darum ging's
Zehn Jahre Angela Merkel. Am vergangenen Sonntag feierte die Kanzlerin ihr Amtsjubiläum. Das ist zwar jetzt schon einige Tage her und es ist auch schon sehr viel zu dem Thema gesagt worden. Trotzdem hatte Anne Will eingeladen, um zum gefühlt 1638ten Mal über Glanzleistungen, noch lieber aber über Pleiten, Pech und Pannen der Kanzlerin zu diskutieren. Schließlich könnte ihre Autorität im "verflixten zehnten Jahr" angeknackst sein - so mutmaßte man jedenfalls im Titel der Sendung.

Darum ging's wirklich
Doch von Knacks keine Spur. Angela Merkel ist so toll. Darauf wurde man sich schnell einig - sogar Sahra Wagenknecht, auch wenn sie es vielleicht gern verborgen hätte. Nachdem das in den ersten fünf Minuten geklärt war, ging es dann um alles mögliche: Flüchtlinge und die Forderung des Präsidenten des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, nach einer Obergrenze. Die Niedrigzinspolitik der EZB. Das Selbstverständnis der FDP. Den Kampf gegen den IS. Die Demokratie-Müdigkeit und die Beliebigkeit der Politik in Deutschland. Also im Grunde alles, was die Öffentlichkeit derzeit beschäftigt (die FDP einmal ausgenommen). Und eben nicht die längst von allen Seiten durchdiskutierte Frage nach der Autorität von Angela Merkel.

Die Runde
Sahra Wagenknecht vermisste bei Merkel die "Persönlichkeit". Willy Brandt, Franz-Josef Strauß - die hatten noch Format, meinte Wagenknecht, obwohl sie "einen der beiden sicherlich nicht gemocht hat". Als ebenso widersprüchlich wie dieser Satz erwies sich im Laufe des Talks auch Wagenknechts Haltung zu Merkel. "Merkel hat keinen Plan", sagte die Linken-Vorsitzende an einer Stelle. Doch das war weniger Kritik, als sorgenvolles Mitgefühl. Denn was Wagenknecht umtreibt, "ist, dass Merkel in den letzten Wochen in der Bevölkerung viel Zustimmung verloren hat".

Glühendster Merkel-Fan der Runde war Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Bürgermeister von Hamburg. Der ist zwar in der SPD, aber weil er kein aktiver Politiker mehr ist, kann er wohl über den parteispezifischen Zuordnungen stehen. Da musste Anne Will zwischendurch doch nochmal daran erinnern, dass von Dohnanyi "nicht von der CDU ist". Von Dohnanyi sagte, er bewundere Merkel, wie sie alles aushalte und durchstehe. Dabei ist es gerade diese passive, abwartende Haltung (Stichwort "Merkel schweigt"), die der Kanzlerin von ihren Kritikern oft vorgehalten wird. "Wer zuletzt lacht, lacht am besten", sagte von Dohnanyi. Und hat damit vielleicht das Rezept der Kanzlerin enttarnt.

Vierter Gast der Runde war der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Er findet Merkel "souverän", ihren Unions-internen Kontrahenten Seehofer "dumm". Vor allem aber hatte Lindner offenbar nicht so richtig Lust, schon wieder über Angela Merkel zu reden. Ihm gehe es um die Sache. Deshalb sprach er lieber über Flüchtlinge und die Frage nach der Obergrenze, und über seine Partei, die FDP. "Wir wollen keine Volkspartei sein", sagte Lindner. Da sie davon im Hinblick auf die Umfragewerte derzeit auch meilenweit entfernt ist, könnte man sagen, es läuft für die FDP.

​​Frontverlauf
"Man kann immer etwas besser machen, aber ich finde, sie hat das richtig gemacht", sagte von Dohnanyi direkt zu Beginn der Diskussion. Damit war eigentlich alles geklärt. In der Runde fehlte ein Gast, der wirklich Kontra gab. Aus der CSU war aber kein Vertreter anwesend.

Dabei sind selbst in Merkels eigener Partei Kritiker durchaus vorhanden. Doch CDU-Vertreterin Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland gehört nicht dazu. Sie äußerte zwar Kritik an ihrer Partei, doch niemals an der Kanzlerin. Die Querschüsse von Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière in der Flüchtlingspolitik seien nicht hilfreich gewesen: "Es gibt ein hohes Maß an Verunsicherung. Was wir in der Bundesregierung gesehen haben, war nicht optimal. Darüber ärgere ich mich", sagte die Politikerin.

Sieger nach Punkten
Angela Merkel (in Abwesenheit). Volle Punktzahl, auch nach zehn Jahren noch. Oder: Gerade nach zehn Jahren. Glaubt man der Stimmung in der Talkrunde, ist Merkel heute stärker denn je. Vor allem deshalb, weil ihr vieles verziehen wird. Denn: "alle machen Fehler", wie von Dohnanyi erklärte.

Angela Merkel – herausragende Momente einer Kanzlerin (in Bildern)
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Angela Merkel – herausragende Momente einer Kanzlerin

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Satz des Abends
"Ich kann doch nicht Gästen, die vor meiner Tür stehen und die ich hereinbitte, weil sie frieren, hinterher ein böses Gesicht zeigen, weil sie an meinem Tisch sitzen. Das ist doch dummes Zeug!", fasste von Dohnanyi das Dilemma der Flüchtlinge in Deutschland auf den Punkt zusammen.

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Foto: ap, Michael Sohn

​​Erkenntnis
"Wir werden das schaffen", lautete wohl eher zufällig der letzte Satz von Kramp-Karrenbauer. Da war sie dann nach einer Dreiviertelstunde voller Abschweifungen wieder, fast, als hätte sie sich unbemerkt eingeschlichen: Angela Merkel. Ein Paradebeispiel für ihre manchmal vielleicht stille, abwartende, aber doch starke Autorität? "Und wir schaffen es, jetzt aufzuhören", beendet Anne Will die Sendung.

(lsa)
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