"Tatort: Wofür es sich zu leben lohnt" Auf ein letztes Glas Wein mit Klara Blum

Konstanz · Klara Blum löst ihren letzten Fall – und Schauspielerin Eva Mattes bekommt ein filmhistorisches Abschiedsgeschenk als "Tatort"-Ermittlerin am Bodensee.

Klara Blum löst ihren letzten Fall — und Schauspielerin Eva Mattes bekommt ein filmhistorisches Abschiedsgeschenk als "Tatort"-Ermittlerin am Bodensee.

Es ist ein leiser Abgang. Einer, wie er zu Kriminalhauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes) passt. Sie, die in 14 Jahren Ermittler-Arbeit im Bodensee-"Tatort" kaum mal die Waffe gezogen hat, darf zum Schluss noch mal so richtig melancholisch sein.

Bereits Anfang 2015 hatte der Südwestrundfunk (SWR) das Aus für die Ermittlerin angekündigt. An den Quoten kann es nicht gelegen haben. Gerade in den letzten Jahren schalteten immer zwischen neun und sogar mehr als zehn Millionen Zuschauer ein.

Dass die Krimis mit Ermittlerin Blum ohne wilde Action-Szenen und mehrere Leichen pro Folge auskommen, dürfte ein Teil des Erfolgsgeheimnisses sein. Klara Blum ist eine der letzten Ermittlerinnen vom alten Schlag. Ihre Stärken liegen in ihrer hohen Sozialkompetenz, ihrem psychologischen Geschick und ihrer stillen, aber unerbittlichen Art, Verhöre zu führen. Das Privatleben: ruhig und gesittet. Die Kommissarin sitzt gern im Garten, schaut über den Bodensee und hängt ihren Gedanken nach, sie liebt gutes Essen und Salsa-Tanzen.

Zwischen Selbstjustiz und Gerechtigkeit

Viel Fingerspitzengefühl ist auch im letzten Fall gefragt. In "Wofür es sich zu leben lohnt" geht es um nicht weniger als Schuld, Rache, unglückliche Liebe, Selbstjustiz und Gerechtigkeit. Das bringt auch Kommissarin Blum an ihre Grenzen. Gemeinsam mit Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) und Matteo Lüthi (Roland Koch) ermittelt sie an vielen Fronten: Ein berüchtigter rechtsextremer Vordenker ist zu Tode gepeinigt worden. Ein Anlagebetrüger starb an Vergiftung, und ein Unternehmer muss sich für den Tod Tausender Arbeiter in einer Textilfabrik in Bangladesch rechtfertigen. Das ist schwere Kost, das sieht man Klara Blum in jeder Szene an.

Ein kleines bisschen wird die melancholische Kommissarin aus der Reserve gelockt, als sie bei den Ermittlungen drei alte Frauen trifft. In einer Art Hippie-Kommune für Senioren leben sie zusammen in der Einsamkeit und diskutieren die großen Themen des Lebens. Die Szenen mit den Schauspielerinnen Eva Mattes (61), Hanna Schygulla (72), Margit Carstensen (76) und Irm Hermann (74), die sich mal wohlwollend, mal distanziert, mal vertraut, mal misstrauisch im Wohnzimmer gegenübersitzen, sind die stärksten des "Tatort". "Das da draußen ist doch nicht mehr unsere Welt", sagt Hermann in einer Szene. Das Gefühl kennt auch Blum, ahnt man.

Die drei bekannten Gefährtinnen des großen Rainer Werner Fassbinder spielen an der Seite von Eva Mattes in ihrem letzten "Tatort" - der SWR sieht das als Abschiedsgeschenk für Mattes, die in den 70ern selbst mit Fassbinder zusammenarbeitete. Und es ist auch ein Geschenk an die Zuschauer. Denn alle vier Frauen haben unter dem Ausnahme-Regisseur große Rollen gespielt, waren aber noch nie gemeinsam in einer Szene zu sehen.

Es ist der hohe Anspruch, an dem dieser "Tatort" letztlich dennoch scheitert: Aktuelle Weltpolitik gepaart mit philosophischen Fragen darüber, was gut und böse, was gerecht und ungerecht ist, in 90 Minuten "Tatort" zu packen - das kann kaum klappen. Auch die Frage "wofür es sich zu leben lohnt" ist nur vage beantwortet. "Es geht darum, dass Gerechtigkeit herrscht", sagt Blum. Was das genau bedeutet, bleibt offen.

Nur eine Szene bereitet den Zuschauer vor dem Schluss darauf vor, dass dies der letzte "Tatort" vom Bodensee ist: Blum und Perlmann gucken zusammen über den See, ein Glas Rotwein in der Hand. Schauspielerin Eva Mattes bereut das Ende nicht. "Ich mag meine Klara Blum sehr gerne und bin eng mit ihr verbunden", sagt sie. Aber: Sie wolle raus aus der Schublade der Kommissarin. Was das heißt? "Auch mal wieder kritischere Filme drehen, auch mal provozieren und weniger gefällig sein." Die 61-Jährige will wieder mehr Theater spielen und Chanson-Abende geben. Krimis habe sie selbst ohnehin noch nie so sehr gemocht, gestand sie einmal.

"Tatort: Wofür es sich zu leben lohnt", DasErste, So., 20.15 Uhr

(RP)
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