Carolin Kebekus im Interview "Ich befolge die Regeln der Kirche nicht"

Köln · Die Kölner Kabarettistin Carolin Kebekus spricht im Interview mit unserer Redaktion über ihre Kindheit, Katholiken und ihre schlimmsten Kritiker.

 Carolin Kebekus ist Deutschlands bekannteste Kabarettistin.

Carolin Kebekus ist Deutschlands bekannteste Kabarettistin.

Foto: Anne Orthen

Carolin Kebekus schlendert in einem Kölner Vorort am Rhein entlang. Sie besucht ab und an eine der Kneipen dort mit Freunden oder ihrer Familie. Und wie wahrscheinlich immer, wenn die Kölnerin in ihrer Heimatstadt unterwegs ist, wird sie auf der Straße erkannt. Fahrradfahrer drehen sich nach der 1,64 Meter großen Comedienne um, es wird getuschelt.

Erst kürzlich sei sie mit ihrem Vater in eine Gaststätte eingekehrt. "Wir hatten kaum die Kneipe betreten, da beratschlagten die Gäste lautstark, ob das die Kebekus sei. Und dann erzählte einer, dass die Kebekus ganz viele Häuser gekauft habe, die ganze Straße, quasi das halbe Viertel", erzählt die 36-Jährige und grinst. Das sei alles Schwachsinn. Aber typisch für Köln, dort rede man gerne mit, gebe vor, etwas zu wissen, und neige dabei zu Übertreibungen. "Dass ich alles hören konnte, hat die null interessiert", sagt sie. In diesen Momenten hört die Kölnerin aufmerksam zu - und schweigt, ausnahmsweise.

Sie waren eine der ersten Frauen, die es in der Comedyszene geschafft haben, ohne sich eine Kunstfigur wie Cindy aus Marzahn auszudenken.

Kebekus Ich bin einer der glücklichsten Menschen, denn ich kann auf die Bühne treten und Blödsinn erzählen, und die Zuschauer lachen und finden es gut. Manchmal denke ich, dass Gott gleich um die Ecke kommt und sagt: "Moment, habe ich es einer jetzt hier so einfach gemacht? Da stimmt doch was nicht, da müssen wir was ändern!"

Interessant, dass Sie Gott erwähnen. Sie haben sich mit Ihrer Kirchensatire viel Ärger eingehandelt. Woran glauben Sie?

Kebekus Meine Eltern waren sehr aktiv in der Kirche, sie war in unserer Kölner Siedlung ein wichtiger Ort, um ein soziales Gefüge zu errichten. Mein Vater hat in einer Band gespielt, meine Mutter hat Jugendgottesdienste organisiert. Ich bin mit tollen christlichen Aspekten groß geworden, aber auch - durch meine Oma - mit viel Schuld und Angst. Das war sehr ambivalent. Es ist schwer zu sagen, ob ich gläubig bin. Jesu Botschaft, dass Liebe alles kann und schafft, würde ich voll zustimmen. Aber ich glaube nicht daran, dass ich Regeln befolgen muss, damit ich erlöst werde - mit der Kirche kann ich nicht viel anfangen.

Wie halten Sie Kurs?

Kebekus Für mich ist die Heimatbasis sehr wichtig. Die Menschen, die mich schon kannten, bevor ich bekannt wurde, und die mich nicht anders behandeln als früher. Diese Hauptmenschen sollte man unbedingt behalten. Meine Freunde und Familie erden mich. Die Karriere ist vergänglich, und wenn sie eines Tages vorbei sein sollte und man hat keine Basis, würde man ins Bodenlose fallen. Kabarettist ist nur ein Beruf, wenn auch der beste der Welt.

Wo haben Sie Singen und Gagschreiben gelernt?

Kebekus Von meinem Vater kommt das Musikalische - wobei ich glaube, dass meine Mutter auch gut singen könnte, wenn sie sich trauen würde. Woher es aber kommt, dass ich so extrovertiert bin, weiß ich nicht. Wahrscheinlich muss ich irgendwas verarbeiten und gehöre eigentlich in Therapie (lacht).

Wie haben Sie gemerkt, dass Sie eine Rampensau sind?

Kebekus Meine Eltern haben mich angstfrei erzogen. Dadurch habe ich schon als Kind versucht, mein Potenzial auszuschöpfen. Damals war ich zwar schüchtern, aber den inneren Drang, etwas vorzuführen, habe ich immer verspürt. Ich habe Klavier gespielt und Stuhlreihen davor aufgebaut, obwohl ich keinen Ton getroffen habe. Aber ich habe ein Klavierkonzert gegeben. Und vorgetanzt. Und einen Zirkus erfunden.

Und wann haben Sie herausgefunden, dass das ein richtiger Beruf ist?

Kebekus Bei einem Praktikum beim Fernsehen. Das war sehr praktisch, denn ich habe festgestellt, dass es eine Marktlücke gab. Weibliche Kabarettisten. Das hat es mir leicht gemacht, in die Szene reinzukommen.

Sie haben einige Shitstorms erlebt. Wer ist in Ihren Augen der heftigste Gegner?

Kebekus Den krassesten Shitstorm erlebte ich von fundamentalistischen Christen. Das waren handfeste Bedrohungen, so dass ich auch mit der Polizei Kontakt hatte. Und die breiteste Front waren Helene-Fischer-Fans, die sich persönlich angegriffen gefühlt haben.

Haben Sie deshalb etwas an Ihrem Programm verändert?

Kebekus Ich habe genauso weitergemacht - weil es auch die gleiche Menge an Zuspruch gab. Und mir war klar, dass meine Gags im Rahmen des Erlaubten waren.

Wobei man sich offenbar ja nicht mehr sicher sein kann, was in Bezug auf Satire erlaubt ist ...

Kebekus Der Fall Böhmermann hat viele in der Branche in ihren Grundfesten erschüttert. Auch mich. Die Kanzlerin hat Jan förmlich den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Natürlich wollte er Grenzen ausloten, aber dass mit solchen Konsequenzen zu rechnen sein würde, war überhaupt nicht absehbar. Und es ist auch noch nicht ausgestanden.

Wie Jan Böhmermann wechseln Sie ins Hauptprogramm. Wird Ihre Sendung "Pussy Terror TV" im Ersten dann braver?

Kebekus Auf keinen Fall! Auch wenn es viele ältere Zuschauer geben wird, die die Sendung als Affront begreifen werden. Vielleicht sollten wir in der ersten Folge zu Beginn in einem "Sendung mit der Maus"-Ton erklären, was eine Pussy ist.

Aber die ARD hat Sie noch nicht gefragt, ob Sie die Sendung umbenennen würden?

Kebekus Nein, aber das will nichts heißen. Manchmal ist es so, dass das intern ausgemacht wird und gar nicht zu mir durchdringt. Und dann hört man plötzlich einen Satz wie: "Wir haben es lange diskutiert", und ich denke mir: Echt? Mit wem? Nicht mit mir!

Was bedeutet Ihnen der Wechsel vom WDR ins Hauptprogramm?

Kebekus Darauf habe ich hingearbeitet. Ich habe mir zunächst selbst Druck gemacht, perfekt sein zu müssen, aber momentan denke ich, das klappt schon und wird super. Das Team bleibt ja das gleiche, und die Redaktion bleibt trotzdem im WDR.

Hatten Sie mal eine Schaffenskrise?

Kebekus Ja, andauernd. Als ich das erste Programm fertiggestellt hatte, wusste ich nicht, wie ich weitermachen soll. Denn ich dachte, dass ich die besten Sachen erzählt habe. Und dann fällt einem natürlich doch wieder was ein. Mittlerweile merke ich, dass ich eine solche Professionalität auf der Bühne habe, dass ich funktioniere, selbst wenn mich etwas belastet. Das ist ein gutes Gefühl.

Sind Freunde und Familie Testpublikum?

Kebekus Ja, sie sind meine Opfer. Ich erzähle ihnen in der Kneipe einen Witz, später entdecken sie ihn in meinem Programm wieder. Manchmal entstehen die Gags auch aus solchen Kneipengesprächen.

Worüber können Sie selbst lachen?

Kebekus Ich bin extrem albern und leicht zu erheitern. Was das betrifft, bin ich sehr einfach gestrickt. Nur für Wortspiele bin ich nicht zu haben. Sowas wie herzlichen Glühstrumpf finde ich schrecklich.

Ihre Eltern sind Sozialpädagogin und Bankkaufmann - wie entdeckt man da den Humor?

Kebekus Meine Eltern sind nicht die lustigsten Menschen, bieten aber sehr viel Potenzial. Wenn man sie von außen betrachtet, dann sind sie sehr lustige Menschen.

Was sagen Ihre Eltern denn zu dem, was Sie tun?

Kebekus Meiner Mutter geht es manchmal zu weit. Dann sagt sie zu mir, dass ich nicht so "eklisch" sein soll. Mein Vater ist hart im Nehmen, der kann über alles lachen.

Gibt es ein Tabuthema für Sie?

Kebekus Nein, wenn ich zu einem Thema etwas sagen will, dann mache ich das auch. Aber bei Themen, von denen ich keine Ahnung habe, halte ich lieber die Klappe. Und ich würde nie einen Gag bringen, nur um zu provozieren, wenn nicht auch eine Botschaft dahintersteckt.

Sie sind Feministin. Wo erkennen Sie nach wie vor Missstände?

Kebekus Da gibt es einiges zu tun: vorrangig die ungleiche Bezahlung zwischen Männern und Frauen. Auch wenn die Quote vielleicht nicht die beste Lösung ist, so ist sie zumindest ein Anfang.

Was hat sich an wichtigen Dingen bei der Gleichberechtigung getan?

Kebekus Seit Juli ist das "Nein" einer Frau ein "Nein". Es ist unfassbar, wie das deutsche Recht vorher ausgesehen hat und wie lange es gedauert hat, bis etwas geändert wurde. Die ganze Debatte hat mich aufgeregt. Es hieß lange, dass man "Nein heißt Nein" nicht einfach ins Gesetz schreiben könne. Und ich hab mich gefragt, warum denn nicht!? Nach dem Motto: Gebt den Frauen bloß nicht zu viele Rechte, damit wissen sie nicht umzugehen. Das ist so ähnlich wie mit der Diskussion darum, ob die Pille danach rezeptfrei zu haben sein sollte. Als ob dann alle Frauen plötzlich ungeschützten Geschlechtsverkehr hätten. Nur weil das "Nein" einer Frau jetzt auch tatsächlich als "Nein" im Gesetz verankert ist, werden nicht plötzlich Hunderte Frauen behaupten, vergewaltigt worden zu sein, obwohl das nicht stimmt.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Kebekus Ich werde auf keinen Fall mehr zweimal in der Lanxess Arena spielen - das werde ich schon nächstes Jahr nicht mehr machen. Dass Comedy ganze Stadien füllt, ist, glaube ich, ein aktueller Trend, der der Kunstform nicht gerecht wird. Vielleicht wird es dann wieder der kleine Club sein. Das passt viel besser, wenn man auf der Bühne steht und einfach etwas erzählt.

Sie sind 36 Jahre alt, erfolgreich ... denken Sie an Familienplanung?

Kebekus Damit beschäftige ich mich gar nicht.

Wie wichtig sind die sozialen Netzwerke für Sie?

Kebekus Total wichtig. Manchmal auch sehr nervig, weil man sie bedienen muss. Twitter ist für mich super, denn es zwingt einen dazu, ein kurzes, prägnantes Statement abzugeben. Und man kann dort sehr gut testen, ob Gags zünden. Bei Instagram überlege ich genau, was ich poste. Zum Beispiel, wenn ich ein Foto im privaten Rahmen gemacht habe, will ich es nicht mit aller Welt teilen, auch wenn es ein tolles Bild ist. Ich habe auch ein echtes Leben!

Dieses Interview ist das letzte Gespräch in unserer Sommerreihe "Kurs halten".

Am 29. September um 22.45 Uhr ist die WDR-Show "Carolin Kebekus: Pussy Terror TV" erstmals im Ersten zu sehen.

(bro)
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