Kerner, Pocher, Cindy aus Marzahn Das Karriere-Grab Sat.1

Düsseldorf · Sie kamen, um zu scheitern: Johannes B. Kerner, Oliver Pocher und nun Cindy aus Marzahn. Wer zu dem Krisensender wechselt, findet sich kurze Zeit später in der Versenkung wieder.

Die irre Karriere von Cindy aus Marzahn
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Foto: RTL / Bodo Schackow

Im Frühjahr 2013 fühlten sie sich bei Sat.1 ganz groß. Ihnen war etwas Ungeheures gelungen. Die notorisch von Flops geplagten Münchner hatten es doch tatsächlich geschafft, dem Erzfeind RTL eines seiner Sendergesichter abzuwerben. Ilka Bessin, 42, bekannt als Cindy aus Marzahn, wechselte für eine unbekannte, aber mit Sicherheit sehr hohe Summe zu Sat.1 und erhielt dort einen Exklusivvertrag für drei Jahre. Es war, als habe Augsburg Bastian Schweinsteiger von den Bayern verpflichtet. "Endlich ist Deutschlands Kult-Comedy-Prinzessin dort angekommen, wo sie hingehört", jubelte Sat.1-Geschäftsführer Nicolas Paalzow. "Sie passt perfekt zu uns, und wir haben gemeinsam viel vor in den nächsten Jahren."

Angekommen, wo sie hingehört. Wer vor kurzem die zweite Staffel der Show "Promi Big Brother" gesehen hat, der kann bei diesem Satz noch nicht mal mehr Häme empfinden, so schmerzlich wahr ist er. Ein Sender, der mangels eigener Ideen erfolgreiche Formate anderer Sender kopiert — Stichwort Dschungelcamp — holt eine Frau, die mangels Talent und Kreativität Witze anderer Leute von Karten abliest. Trotz des Quotenerfolgs der Show, über deren knapp drei Millionen Zuschauer die RTL-Konkurrenz von "Ich bin ein Star — Holt mich hier raus!" mit ihren knapp acht Millionen Zuschauern allerdings nur müde lächeln kann, hinterließ Cindy aus Marzahn einen verheerenden Eindruck.

Überhaupt funktionierte die Show einzig und allein wegen der halbwegs gelungenen Zusammensetzung der Insassen und Freaks wie Ronald Schill und Hubert Kah. Die Moderationen von Jochen Schropp und die Witz-Einlagen von Cindy aus Marzahn waren wie Werbeblöcke, nervig und überflüssig. Erschreckend war, wie wenig Ilka Bessin die doch recht große Bühne, die sich ihr nach langer Zeit wieder bot, nutzte. Statt die Zuschauer und ihren Sender daran zu erinnern, warum er sie vor anderthalb Jahren für eine Millionengage eingekauft hatte, wirkte sie lustlos bis zur Grenze der Arbeitsverweigerung.

Neun Jahre, sechs Geschäftsführer

Ihre sonst gespielte Genervtheit über die Welt und sich selbst war ganz offensichtlich echt. Sie fühlte sich unwohl, weil sie, wie schon in der ersten Staffel an der Seite von Oliver Pocher, mit der Situation überfordert war. Ihr fehlt die Fähigkeit, wie Sonja Zietlow beim Dschungelcamp Gags mit dem richtigen Timing und der nötigen Ironie vorzutragen. Ihr fehlen allerdings auch, und damit wären wir bei ihrem Arbeitgeber, vernünftige Autoren.

Schon 2013 war es ein Trauerspiel, wie ungelenk Pocher und Cindy aus Marzahn vor die lauen Gags herunterleierten. Sowohl die Wahl des Moderatoren-Duos als auch die Texte muss sich Sat.1. ankreiden lassen, ein Sender, der seit Jahren im Quotentief steckt. Seit 2005 gab es sechs verschiedene Geschäftsführer, der Job gilt in der Branche als Schleudersitz. Keinem ist es gelungen, den früheren Film- und Familiensender wieder annähernd auf Augenhöhe mit RTL zu bringen, dem Hauptkonkurrenten um die Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren.

Mangels Ideen haben die verschiedenen Chefs ihr Heil darin gesehen, der Konkurrenz die Köpfe wegzukaufen. Nur nützt einem Sender das größte Talent nichts, wenn er damit nichts anzufangen weiß. Im Jahr 2009 wechselten zwei vermeintliche Großkaliber zu Sat.1. Johannes B. Kerner hielt sich beim ZDF für so unersetzlich, dass er sich bei der Gagenforderung verzockte und unter trotzigem Gegrummel zu seinem alten Arbeitgeber zurückkehrte. Oliver Pocher hatte das unselige und für ihn zuletzt demütigende Projekt "Schmidt und Pocher" in der ARD hinter sich und nahm das Sat.1-Angebot dankend an.

"Es war ein Fehler, zu Sat.1 zu gehen"

Kerner bekam seine eigene Talkshow, eine unausgegorene Mischung aus Gesprächen mit prominenten Gästen, Servicebeiträgen und Reportagen. Ein Art "Stern TV", nur plumper. Die Quoten von "Kerner" stimmten von Anfang an nicht, auch der Wechsel vom Montagabend auf den Donnerstagabend änderte nichts an den einstelligen Marktanteilen. Nach zwei Jahren endete der Spuk, und Kerner heuerte bald wieder beim ZDF an, diesmal ungewohnt kleinlaut. Inzwischen gibt er das Offensichtliche zu: "Es war ein Fehler, zu Sat.1 zu gehen. (…) Ich habe gedacht, dass mir die Zuschauer schon folgen werden, aber sie waren intelligenter als ich."

Ungeachtet dessen, dass Kerner mit der ZDF-Show "Deutschlands Beste" kürzlich das Gesicht einer Sendung wurde, die ihr Ranking manipuliert hat, um den Stars im Studio eine bessere Platzierung zu schenken: Sein Image ist seit dem Sat.1-Flop beschädigt, er muss sich nun einige Etagen niedriger einordnen, als er es zu seinen besten Zeiten beim ZDF gewohnt war. Statt Talkshow, Kochshow, Fußball und Olympia hält er nun sein Gesicht für belanglose Quizshows hin.

Ähnlich desaströs lief es für Oliver Pocher. Sein Late-Night-Versuch "Die Oliver-Pocher-Show" scheiterte erwartungsgemäß am mangelnden Format des Gastgebers, dem die intellektuelle Schärfe für diese Art der Fernsehunterhaltung fehlt. Nach anderthalb Jahren setzte der Sender die Show ab, und die "Süddeutsche Zeitung" schrieb: "Danke für diesen Quotentod". Der Sender habe das Publikum vom "unlustigsten Witzereißer erlöst, den das deutsche Fernsehen zu bieten hat".

Heute DJ in Großraumdiskotheken

Danach geriet die rasante Fernsehkarriere des gelernten Versicherungskaufmanns merklich ins Stocken. Der öde "Schlag-den-Raab"-Abklatsch "Alle auf den Kleinen" bei RTL war nach drei Episoden Geschichte. Auch der Sender Sky beendete die Zusammenarbeit mit Pocher, der dort eine Fußballsendung moderierte. Heute verdient er sein Geld vor allem als DJ in Großraumdiskotheken und wandelt als Freund der Tennisspielerin Sabine Lisicki durch die Klatschpresse. Einzig den TV-Job als Moderator der RTL-Show "Fünf gegen Jauch", die alle paar Wochen ausgestrahlt wird, hat er noch. Als Fernsehstar ist Oliver Pocher vorerst erledigt.

Cindy aus Marzahn, die Frau, mit der Sat.1-Chef Paalzow "so viel vorhatte", deren Verpflichtung er 2013 als "wichtigen Meilenstein" bezeichnete, "um Sat.1 wieder zur ersten Adresse für Deutschlands Kino- und Fernsehstars zu machen", diese Frau wird vorerst wieder in der Versenkung verschwinden. Ab dem 17. Oktober zeigt der Sender Ausschnitte ihres Bühnenprogramms "Pink is bjutiful" im Anschluss an "The Voice of Germany". Von der geplanten neuen Show "Cindys Deutschland", die Sat.1 im Juli angekündigt hatte, spricht niemand mehr.

(RP)
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