Fernsehen "Der Bachelor" — ein TV-Selbstversuch

Los Angeles · Unser Redakteur hat acht Jahre keinen Fernseher besessen. Jetzt guckt er wieder und staunt über absurde Shows – etwa den "Bachelor".

"Der Bachelor" Oliver Sanne startet jetzt durch
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Jetzt startet der "Bachelor" durch

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Unser Redakteur hat acht Jahre keinen Fernseher besessen. Jetzt guckt er wieder und staunt über absurde Shows — etwa den "Bachelor".

Das Fernsehen hat seine Chance als Eheanbahnungsinstitut, wenn ich das richtig sehe, ziemlich spät zu nutzen begonnen. Über Jahre war TV-Unterhaltung streng der moralisch korrekten Gesamtfamilie gewidmet; jedwede private Emotion oder gar Erotik blieb unter einem imaginären Keuschheitsgürtel weggesperrt.

Das änderte sich erst Ende der 80er Jahre, etwa durch die "Herzblatt"-Show, die Rudi Carrell mit warmherzigem Zynismus als einen originellen, wenn auch flachen Unterhaltungs-Joker ins Programm warf. Heutzutage wird im Fernsehen gekuppelt, was die Lederhose hergibt. Doch immer noch werden die Kandidaten hinterher getrennt voneinander befragt; der Zuschauer möchte ja wissen, ob Jennifers Schmollmund oder Tinas Oberweite bei ihrem Gegenüber bleibende Ab- und Eindrücke hinterlassen hat.

Bachelor Oliver Sanne verteilt Küsse an Liz
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"Der Bachelor" verteilt erste Küsse und zeigt sich oben ohne

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Ich besaß über acht Jahre kein Fernsehen, erwarb aber kürzlich ein topmodernes Bildempfangsgerät. Eine neue Welt tut sich mir seitdem auf, vor allem ein Meer mit giftigen Schaumkronen, eine Flut aus seriellem Müll. Wenn ich im Urlaub fernsah, war mir alles egal. Jetzt ist es der Wahnsinn, ich habe es genauestens geprüft: 95 Prozent des Programmangebots sind Ramsch. Wird von der Welt aber ausgiebig geguckt. Neulich lief auf Arte zum Glück "Match Point" von Woody Allen, und für Sekunden wusste ich, dass meine Rundfunkgebühren doch nicht nutzlos sind.

Eine Jury sortiert die Welt Eine Spezialität des (privaten) Fernsehens sind Jurys, die Gesichter, Stimmen, Aussehen, Fettleibigkeit, Tanzkompetenz und Ekelresistenz bewerten. Natürlich wird auch nach Lebenspartnern gefahndet. "Bauer sucht Frau" ist ein Format, das Landwirten wildfremde Frauen zutreibt, die an den oftmals begrenzten Artikulationsfähigkeiten bei Hof regelmäßig scheitern. Der Bauer nimmt, was er kriegt. Meistens kriegt er nichts.

Der Bachelor 2016: Leonard Freier empfängt die Frauen (Folge 1)
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"Der Bachelor" 2016: So empfing Leonard die Damen an der Villa

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Foto: RTL

Ganz anders der "Bachelor", eine absolut unfassliche Ich-finde-mir-die-Traumfrau-Show. Hierbei besteht die aktuelle Jury, die eine Auswahl aus lauter Bikini-Schönheiten, Boxenludern, Schnecken, Bratzen, Schrapnellen, Mauerblümchen und sympathischen Normalpersönchen trifft, aus einem einzigen Mann: einem durchtrainierten Beau namens Oliver Sanne aus Düsseldorf. In wöchentlichen Ausleseschritten darf er die finale Dame der Herzen finden. Zu seinem Urteil gelangt er auf Basis tiefsinniger Zweiergespräche ("Lass uns quatschen, Sarah!") und polygamer Intimkontakte ("Karina, kommst du zum Kuscheln unter die Decke?"). Wodkakonsum fördert die Willigkeit ("Trinkt was, Mädels, dann werdet ihr lockerer!"). Wer im "Bachelor"-Camp haust, muss saufen, um es auszuhalten; RTL hat selbstverständlich alles per Drehbuch festgelegt.

Diese Show habe ich mir jetzt mehrfach angeschaut, zunächst mit der Neugier des Laien, danach wie ein faszinierter Laborant, der nicht glaubt, dass dieser TV-Primitivismus wirklich ausgestrahlt wird. Aber er wird es, und allmählich begreife ich die Methode: Was da so romantisch Woche für Woche, auch heute Abend, in der "Nacht der Rosen" endet, ist die Nachstellung der Rituale im Circus Maximus oder im Colosseum. Es geht um nichts weniger als das Menschenopfer, um die akkurate Imitation des Dreischritts aus Demonstration, Selektion und Exekution:

Demonstration Die Mädchen posieren in allen möglichen sittlichen und sündigen Stellungen und Garderoben und stehen dem Bachelor für Detail-Nachforschungen jederzeit zur Verfügung.

Selektion Vor einer riesigen Tafel, die Porträtfotos der Kandidatinnen zeigt, fasst der Bachelor, heftig mit sich ringend, schicksalsschwere Entschlüsse, welche Damen eine Rose bekommen und welche nicht.

Exekution Die Entscheidung wird in einem quälend langsamen, von einem fetten Werbeblock unterbrochenen Hinrichtungsformat mitgeteilt. "Möchtest du diese Rose von mir, Samantha?" Am Ende jeder Folge bleiben Mädchen ohne Rose übrig, und zuweilen fließen Tränen.

Die Sklavinnen hausen über die Wochen in einer edlen US-Hütte wie Gattinnen in einer Mormonen-Ehe - alles furchtbar langweilig hier, es sei denn, den Pascha gelüstet es nach Abwechslung. Dann fährt der Fuchs vor dem Hühnerstall vor und reißt ein Mädchen - im Einzel-Date.

Der Bachelor: Die Kandidatinnen 2016 posieren sexy im Bikini
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Die "Bachelor"-Kandidatinnen 2016 zeigen sich im Bikini

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Foto: RTL / Gerard Santiago

Im Jahrgang 2015 fällt die Wahl dem Oli schwer, weil das Angebot vor allem aus verwechselbaren Ultra-Blondinen besteht. Unvermeidlich herrschen Eifersucht ("Was findet der denn an der?") und Zickenalarm, zumal einige der Sirenen nach Art von Naturschönheiten ihre Schminke lieber mit dem Spachtel als mit dem Pinsel auftragen.

Grund zum Fremdschämen? Beim "Bachelor" kann sich jeder Betrachter nach Lust und Laune fremdschämen, doch keiner sollte sich um das Seelenheil der abservierten Frauen sorgen. Sie gehen ins Fernsehen, um ihre Seele zu verkaufen; sie wissen, was sie tun, um als Stars zweiter Güte zu enden. Vom "Bachelor"-Frauenhaus in L.A. zum "Dschungelcamp" ist es kaum mehr als ein Wimpernschlag.

Bietet die Sendung Unterhaltung? Nun, sie lehrt, dass sich das Publikum von damals in Rom und von heute nicht geändert hat. Die Serie zeigt den Voyeuren in uns eine Stafette von Demütigungen. Und die Siegerin weiß: Der Typ hat über Wochen auch andere Mädchen befingert. Aber sie hat gelernt, wie man sich das schöntrinkt. Ich gucke mir das nicht mehr an.

Jedoch hört man, am Ende werde er Liz nehmen. Liz? Gerade die? Das sollte man, finde ich, wissen.

(RP)
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