"Tatort: Wofür es sich zu leben lohnt“ So verabschiedete sich der "Tatort" vom Bodensee

Düsseldorf · Der finale Bodensee-Tatort behandelt gleich drei Fälle. Ob und wie sie zusammenhängen, bleibt unklar. Rätselhaft ist auch der Abschied von Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel): Zum Schluss ist vieles noch ungeklärt und die Kommissarin fährt in ihrem alten Kombi einfach davon.

"Tatort: Wofür es sich zu leben lohnt" - Filmszenen mit Eva Mattes
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Szenen aus dem "Tatort: Wofür es sich zu leben lohnt"

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Foto: ARD

Der Fall

Schon der Titel "Wofür es sich zu leben lohnt" lässt erahnen, dass es hier um die ganz großen Themen geht: Gut und Böse, Recht und Unrecht. Ein berüchtigter rechtsradikaler Hassprediger ist ermordet worden. Der Zuschauer kann ihm beim Sterben in einem Boot auf dem Bodensee zuschauen. In seiner Villa ist ein betrügerischer Anlagebetrüger vergiftet worden und ein reicher Unternehmer muss sich dafür rechtfertigen, dass in einer Fabrik, in der er Kleider nähen lässt, ein Feuer ausgebrochen ist und tausende Arbeiter getötet hat. Klara Blum trifft bei den Ermittlungen auf drei Frauen, die weit ab am Bodensee in einem alten Haus in einer WG leben. Sie wirken harmlos, ein wenig wie vom Leben enttäuschte Hippie-Frauen. Blum fühlt sich zu ihnen hingezogen und verbringt viel Zeit mit den drei Damen. Die drei haben ihre eigene Sicht auf die Welt und zögern auch nicht, selbst für die Gerechtigkeit zu sorgen, die sie für richtig halten.

Was war gut?

Bei der Besetzung ist Regisseurin Aelrun Goette ein echter Coup gelungen: Für die Rollen der drei Hippie-Frauen konnte sie drei große Fassbinder-Frauen gewinnen. Hanna Schygalla als Catherina, Margit Carstensen als Margarethe und Irm Hermann als Isolde versprühen eine Lust am Spielen, die auch Eva Mattes ansteckt: Es sind die vier Frauen, die den Krimi tragen und diees an manchen Stellen sogar schaffen, dem sperrigen Tatort ein wenig Leichtigkeit zu verleihen. Es ist die richtige Entscheidung der Macher, Klara Blum nicht einen blutigen Serientod sterben zu lassen. Das würde nämlich zu der analytisch starken, still und hartnäckig ermittelnden Kommissarin, die in ihren insgesamt 31 Fällen in 14 Jahren nur selten die Waffe gezogen hat, nicht passen. Stattdessen fährt sie in ihrem mit Möbeln vollgestopften alten Auto einfach davon in ein neues unbekanntes Leben. Kollege Perlmann bleibt da nur, ihr hinterher zu winken.

Was war nicht so gut?

Drei Fälle, drei Mal guckt der Zuschauer in menschliche Abgründe: Seltsam und voller Rätsel sind die Geschichten in "Wofür es sich zu leben lohnt". Es fehlt der rote Faden und dass am Ende offen bleibt, ob und wenn ja, wie die Geschichten zusammen gehören, ist unbefriedigend. "Ich wollte gern eine radikale Geschichte über unsere Zeit erzählen", sagt Regisseurin Aelrun Goette. Dabei wäre es schon jeder einzelne Erzählstrang wert gewesen, ausführlicher betrachtet zu werden. Fremdenhass, Ausbeutung und Globalisierung in 90 Minuten sind zusammen zu sperrig.

Das Verhältnis zwischen Blum und Perlmann ist im letzten Bodensee-Tatort für Fans des Teams etwas seltsam. Es war schon immer so, dass die beiden immer wieder zwischen Nähe und Distanz zueinander schwankten. Sie nennt ihn "Perlmann" und "Du", er sagt "Frau Blum". So fremd wie diesmal waren sie sich aber nie. Klara Blum versucht, vor Perlmann zu verstecken, dass sie herzkrank ist. "Hast du jetzt das Sorgerecht für mich bekommen?", giftet sie ihn an, als er wissen will, was mit ihr los ist. Und selbst, wenn sie gemeinsam mit einem Glas Rotwein in der Hand auf den See blicken, kommt kaum Vertrautheit auf.

Aus dem Leben

Die Fälle, die die Kripo Konstanz zu bearbeiten hat, sind tragisch, aber keineswegs unrealistisch. Da ist der Rechtsextreme, dem selbst der friedliebende Perlmann teilweise beipflichtet: "Ich find nicht alles verkehrt, was er gesagt hat", und der eine Tochter hat, die heimlich einen Farbigen liebt. Der Unternehmer, der in Bangladesch Arme ausbeutet und deren Tod nur als nervige Komplikation sieht. Und der Anlagebetrüger, der mit repräsentativer Frau in repräsentativer Villa lebt. All das ist nicht weit hergeholt, das kann es so im echten Leben geben und ist sicher inspiriert von wahren Gegebenheiten, wie dem Tod vieler Näherinnen in einer Fabrik in Bangladesch vor gut vier Jahren, in der auch deutsche Firmen unter prekären Bedingungen produzieren ließen.

Bester Dialog

Catherina (Hanna Schygalla) rechtfertigt die Entführung des Textilunternehmers Maximilian Heinrich (Matthias Habich): "Wir nehmen keine Waffe, wir sorgen für Gerechtigkeit". "Ihr seid nicht Gott", sagt Klara Blum. "Der macht es ja nicht", antwortet Catherina.

So wird der Bodensee gezeigt

Es ist meist dunkel in Konstanz und am See, es scheint, als würde das Wetter die melancholische Stimmung der Kommissarin untermalen. Oft stehen die malerische Landschaft und der friedliche See im direkten Kontrast zu all dem Bösen, mit dem Blum und Perlmann in diesem Fall konfrontiert sind. Nichts scheint so zu sein, wie es auf den ersten Blick aussieht.

Letzte Worte

"Sie sind weit gegangen, Frau Blum" sind die rätselhaften letzten Worte, mit denen Kai Perlmann Klara Blum verabschiedet. "Nicht weit genug", antwortet die und fährt davon. Ohne ein weiteres Wort.

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