Neue Folgen von "Designated Survivor" "House of Cards" für Arme, aber spannend

Aus dem Nichts plötzlich Präsident der USA – dieses spannende Szenario wird in der Serie "Designated Survivor" etwas zu sehr nach Schema F abgehandelt. Schuld sind die Zwänge traditioneller TV-Ausstrahlung.

 Leistet seinen Amtseid in Schlabberpullover und mit Nerdbrille: Tom Kirkman (Kiefer Sutherland).

Leistet seinen Amtseid in Schlabberpullover und mit Nerdbrille: Tom Kirkman (Kiefer Sutherland).

Foto: ABC

Aus dem Nichts plötzlich Präsident der USA — dieses spannende Szenario wird in der Serie "Designated Survivor" etwas zu sehr nach Schema F abgehandelt. Schuld sind die Zwänge traditioneller TV-Ausstrahlung.

Was hätte aus dieser Serie werden können! Kiefer Sutherland ("24") demonstriert, was das tatsächlich existierende "Designated Survivor"-Prinzip bedeutet, demzufolge zu bestimmten hohen Anlässen ein Kabinettsmitglied bestimmt wird, um im hypothetischen Fall des Todes von Präsident, Vizepräsident sowie allen anderen Mitgliedern von Kabinett und Kongress als Übergangspräsident der USA zu dienen.

Ein Anschlag auf das Capitol macht den ungeliebten, schon halb entlassenen Minister für sozialen Wohnungsbau, Tom Kirkman, zum mächtigsten Mann der Welt. Fortan muss sich der selbstkritische Akademiker ohne Parteibindung, umgänglich bis hin zur Schüchternheit, gegen aggressive Generäle und skrupellose Geheimdienstmänner wehren, gegen die verbliebenen verschlagenen Politikveteranen und bissige Journalisten. Dann sind da noch sein pubertierender Sohn, seine für den Geschmack vieler Amerikaner zu linke Ehefrau sowie, last but not least, die geheimnisumwobenen Terroristen, die Kirkmans gesamtem Apparat immer mehrere Schritte voraus zu sein scheinen.

Die Serie hat ihre Momente — bis hinunter zu manchem wunderbaren Detail wie den blauen Blümchen auf dem Teppich, den Kirkman offensichtlich für das Oval Office ordern ließ. Trotzdem ist "Designated Survivor" eine gute Serie — unterhalb von "House of Cards" oder dem Klassiker "The West Wing" ist schließlich Platz genug. Doch sie leidet unter dem Holzhammer-Syndrom.

Zu viele hölzern gezeichnete Charaktere sprechen zu oft zu markig zu platte Plattitüden in die Kameras, unterlegt von zu viel zu dramatischer Musik. Das alles ist so aus demselben Grund, aus dem es die vielen, oft arg konstruierten paukenschlag-artigen Cliffhanger gibt: "Designated Survivor" wurde fürs Fernsehen produziert, in diesem Fall für ABC. Das heißt: Nicht nur zum Ende jeder Episode, nein, vor jeder einzelnen Werbepause sind die Drehbuchautoren gezwungen, ihren Zuschauern Leckerchen hinzuwerfen.

Dieser Rhythmus ermüdet. Und wer damit rechnet, dass das Publikum im Zweifel komplette Folgen verpasst, statt wie beim Binge-Watching jede einzelne Szene aufzusaugen, schließt damit allzu ambitionierte Charakterzeichnung à la "Breaking Bad" (der Goldstandard, noch immer) aktiv aus.

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Foto: Screenshot: Youtube (Netflix)

"Designated Survivor" ist nicht besonders tiefsinnig oder gar subtil, aber hochspannend. Genießen kann sie, wer zweierlei toleriert: Erstens und vor allem dutzende Sätze, die sich in ihrer Schlichtheit maximal für Trailer oder Rückblenden eignen. Und billige Tricks wie das berühmt-berüchtigte "Heranzoomen" von wundersam hochaufgelöstem Überwachungskamera-Videomaterial, bis jedes Nummernschild perfekt lesbar ist. Fast schon loben muss man die Macher der Serie dabei für die Chuzpe, mit der sie erklären, warum ein Nerd in seinem Schlafzimmer lebensgefährliche Wunden so flicken kann, dass die halbtote Patientin nach ein paar Stunden Schlaf wieder froh und munter ist. "Wo hast du das gelernt?", fragt sie verblüfft. Antwort: "Youtube."

Die ersten 10 Folgen von "Designated Survivor" sind schon länger bei Netflix abrufbar, seit dem 29. März gibt es wöchentlich je eine neue dazu.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes war davon die Rede, es handele sich um die zweite Staffel der Serie. Das ist so nicht richtig: Es handelt sich um den zweiten Teil der ersten Staffel. Wir bitten um Entschuldigung.

(tojo)
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