TV-Kritik zu "Die Bachelorette" Adelheid und ihre Lover

Lissabon · Offiziell geht es bei "Die Bachelorette" darum, dass zwei Menschen gegensätzlichen Geschlechts zueinander finden. Doch die Folge von Mittwoch zeigte, dass RTL an Kuppelei nur nebenbei interessiert ist. Dem Sender geht es um eine viel größere Sache.

Twitter-Reaktionen zur zweiten Folge von "Die Bachelorette" 2015
Infos

Twitter-Reaktionen zur zweiten Folge von "Die Bachelorette" 2015

Infos
Foto: RTL

Sehr dumme Menschen sagen, dass das Szenario "Frau trifft in Villa auf 20 Männer" ziemlich künstlich ist. Dabei ist es es bloß eine Über-Verdeutlichung der Realität. In einem Club trifft eine Frau auch auf 20 Männer. Sie guckt die Männer an. Die Männer gucken sie an. Und am Ende entscheidet sie sich für einen. "Die Bachelorette" zieht diese Phase des Abcheckens und Aussuchens nur unendlich beziehungsweise acht Folgen in die Länge.

In der ersten Folge machte die Frau, die vermutlich Alisa heißt, aus 20 Männern 17. In der Folge vom Mittwoch sortierte sie zwei weitere Kandidaten aus. Allem Anschein nach heißen sie Till und Marvin. Aber sie könnten auch Florian und Simon heißen oder Kevin und Steffen. Es ist auch völlig egal, wer weitergekommen ist und wer am Ende übrigbleibt. RTL geht es um etwas ganz anderes als schnöde Partnervermittlung. Der Sender hat eine Botschaft zu transportieren, die mit jeder einzelnen Szene von Folge zwei klarer wurde.

"Die Bachelorette", das ist erst mal Ereignislosigkeit. Aufregung gab es nur gleich zu Beginn. "Der Deniz hat gerade abgehauen", sagte einer der anderen Kandidaten, dessen Name lieber unter den Teppich gekehrt wird. Ja, der Deniz hat gerade abgehauen, weil: "Ich habe den Druck vielleicht unterschätzt." Dann aber kehrt Deniz zurück, weil ihm Alisa oder Alina oder Alina-Lisa schließlich kürzlich eine Rose gegeben hat. Da wäre Abhauen einfach unhöflich.

Die Bachelorette: Bilder der 2. Folge mit den Kandidaten & Alisa
21 Bilder

"Die Bachelorette" hängt mit den Kandidaten am Strand rum

21 Bilder

Es folgt eine Aneinanderreihung von Einzel-, Kleingruppen- und Gesamtgruppendates, in denen jeder auf seine Weise beweist, wie gut es für Deutschland ist, dass er für ein paar Wochen aus dem heimischen Dating-Markt entfernt und nach Portugal abgeschoben worden ist. Vor dem Motor-Segel-Fliegen, auch Paratriking genannt, darf Florian Sätze sagen wie "Zum Glück habe ich nicht so viel gefrühstückt", nach dem Paratriking darf er mit Aida am Strand liegen, sich einen Grashalm in den Mund stecken und sagen "Ja, ich bin echt schüchtern" und sie sagt "Ja, so habe ich dich auch eingeschätzt" und er sagt "Jaja". Und dann sagt sie... ach ist ja auch egal.

Florian muss noch einen Brief mitnehmen, in dem steht, wer zum Kleingruppendate darf, und weil er sich damit so lange Zeit lässt, sagt einer in die Kamera "Einigen ist der Stift gegangen" und nach der Verkündung sagt ein anderer oder auch derselbe: "Ich bin freudig überrascht". Alisa sagt dann "Ich hatte natürlich noch nie ein Date mit sechs Jungs." Also dann Date am Strand, weil: "Da konnte ich gucken, wie die Jungs so gebaut sind". Der kaufmännische Angestellte Gordon erzählt ihr dort, dass er eine Tochter hat. "Hast du sie auch über Nacht?" — "Tatsächlich noch nicht." Danach klettern alle aufs Jetboat und jemand sagt: "Ich habe so etwas in der Art noch nie gemacht." Stimme aus dem Off: "Ein aufregender Tag, den keiner so schnell vergessen wird."

In der Werbepause will RTL für 3000 Euro wissen, ob die Bachelorette Alisa oder Adelheid heißt, was wirklich keine so ganz einfache Frage ist, und der Kerl von "Stern TV" kündigt an, dass einer Frau ein Live-Haarschnitt spendiert wird. Dagegen wirkt dann selbst "Die Bachelorette" originell wie eine neue Sendung von Jan Böhmermann. Irgendjemand stört dann noch irgendeinen anderen beim Einzelgespräch während des Gruppen-Dinners, und Alisa sagt: "Wie wir alle wissen, stehen Frauen auf böse Jungs."

"Die Bachelorette": die besten Sprüche der dritten Staffel
Infos

"Die Bachelorette": die besten Sprüche der dritten Staffel

Infos
Foto: RTL /Stefan Gregorowius

"Die Bachelorette" ist ein ziemlich un-doppelbödiges Format, man kann es nicht mal ironisch sehen, weil Ironie eine Mühe verlangt, die sich hier niemand machen will - aber die Sendung tut etwas, das für den Zuschauer, den es hoffentlich so nicht gibt, viel wertvoller ist als zu unterhalten: Es versichert ihm, dass seine Vorstellungen von Romantik und Liebe schon echt okay sind. Dass er die auf keinen Fall in Frage stellen muss. Es ist völlig ausreichend, am Strand spazieren zu gehen. Es ist ausreichend, sich ein paar Bauchmuskeln anzutrainieren, es ist ausreichend, so witzig zu sein wie ein kaufmännischer Angestellter und es ist völlig ausreichend, das Interesse an einer Frau mit Sätzen zu begründen wie "Sie ist echt ein süßes Mädchen. Sie lacht viel und das gefällt mir". Wer einer Person seine Zuneigung zeigen willst, gibt ihr eine Rose. Wer höflich sein möchte, gibt ihr ein Küsschen auf die rechte und auf die linke Wange. Wer ein bisschen verträumt sein will, schiebt sich einen Grashalm zwischen die Lippen.

"Die Bachelorette" ist eine Aneinanderreihung dieser Symbolhandlungen der Zuneigung und Ablehnung. Es braucht diese Bilder eben fürs Fernsehen, und der Zuschauer kann sie zuhause mühelos nachspielen, falls er das nicht eh schon gemacht hat. Wenn das Dschungelcamp signalisiert: "Promis sind auch nur Menschen wie du und ich", dann signalisiert "Die Bachelorette": "Und so wie du und ich zu sein, ist völlig ausreichend." Das Naheliegende liegt nicht nur nahe, es ist sogar immer die beste Wahl. Sag ihr, dass sie "atemberaubend" aussieht. Benutze genau dieses Wort. Auf keinen Fall ist es abgenutzt. Setz dich mit der Frau ans Meer. Wie wäre es mit Portugal? Hey, sagt RTL da, das ist ja unser Sponsor. Und du Frau, mach dir die Haare. Am besten mit den Produkten von...

Der letzte, der sich am Mittwoch seine Rose von Adelheid abholte, war Philipp. Philipp mit einem "l" und hinten zwei "p". Genau so, wie man es erwartet.

(seda)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort