Köln-"Tatort" Die Vorstadthölle hinter den Gardinen

Köln · In "Nachbarn" stoßen die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk auf viele Verdächtige und noch mehr Geheimnisse.

Szenen aus dem Kölner "Tatort Nachbarn"
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Szenen aus dem Kölner "Tatort Nachbarn"

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Foto: WDR/Martin Menke

In knapp 20 Jahren Ermittler-Arbeit sind die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) schon oft auf Schweigen und verschlossene Türen gestoßen. In "Nachbarn" spüren sie deutlich wie nie, dass sie unerwünschte Störenfriede sind. Denn hinter der perfekten Fassade hat jeder sein großes oder kleines Geheimnis, das auf keinen Fall öffentlich werden soll.

Aber die Vorstadt-Idylle wird gestört von einem Mord, der die Ermittler auf den Plan ruft: Mitten in der Nacht fällt ein Mensch von einer Brücke und wird von einem Lkw überfahren. Doch als das passiert, ist Werner Holtkamp (Uwe Freyer) schon tot. Er lebte allein und zurückgezogen in der Kölner Vorstadt, nachdem ihn seine Frau vor Jahren verlassen und die gemeinsame Tochter mitgenommen hatte. Ermordet wurde er zu Hause in seinem Schlafzimmer.

Ballauf und Schenk müssen sich erst einmal einen Überblick verschaffen, denn irgendwie scheint jeder der Nachbarn ein Motiv zu haben: Da ist das Ehepaar Möbius (Birge Schade und Stephan Grossmann), deren Ehe nur noch Fassade ist. Einen offensichtlichen Streit hatte der Tote mit Nachbar Leo Voigt, der nebenan mit Stieftochter Sandra (Claudia Eisinger) und deren Tochter Mira (Lena) lebt. Ein Gericht hatte entschieden, dass die Grenze zwischen ihren beiden Grundstücken nicht korrekt gezogen worden war. Voigt musste ein kleines Stück seines Grundstückes an Holtkamp abgeben. Diese Fläche nutzte der, um an dieser Stelle Zypressen zu pflanzen - ein weiteres Ärgernis für Voigt.

Lustige Dialoge Mangelware

Und dann ist da noch die Familie Scholten mit Tochter Paulina (Lilli). Vater Jens (Florian Panzner) ist auch der Vater von Mira - kurz vor dem Abitur verbrachte er eine Nacht mit der damaligen Klassenkameradin Sandra Voigt. Irgendwie verhalten sich alle Beteiligten merkwürdig. Wie Ballauf und Schenk muss auch der Zuschauer mit viel Geduld die Beziehungen der Nachbarn zueinander entwirren, bevor überhaupt Spannung aufkommen kann.

Die Kommissare verlieren darüber sogar ihren Humor. Lustige Dialoge des eingespielten Ermittler-Teams gibt's diesmal kaum. Das liegt vielleicht auch daran, dass Schenk selbst Probleme mit seinem Nachbarn hat. Zwar ist es ganz unterhaltsam, Freddy Schenk als Spießbürger dabei zuzusehen, wie er nachts die Lautstärke des Papageis seines Nachbarn misst, die Nebenhandlung wirkt allerdings etwas konstruiert. Noch merkwürdiger ist die Rückschau auf Szenen des Films am Schluss des "Tatorts". Sie ist - ähnlich wie der Clip mit Nachbarschafts-Impressionen zu Beginn des Films - gemacht wie ein Video-Clip. Macht die Untermalung mit Pharell Williams "Happy" im ersten Clip noch Sinn, um die Idylle der Vorstadt vorzutäuschen, wirkt das am Ende merkwürdig aufdringlich und deplatziert. Schade, dass die Macher um Regisseur Torsten C. Fischer und Autor Christoph Wortberg die Sendezeit nicht dazu genutzt haben, um ihren Figuren noch mehr Tiefe zu geben und deren Spagat zwischen Normalität und tiefen Abgründen intensiver zu zeigen.

Wer im Verlauf des Films sicher ist zu wissen, was hinter zugezogenen Rolladen in den Familien vor sich geht, wird am Ende überrascht. Und das macht den Fall letztlich doch zu einem sehenswerten "Tatort".

"Tatort: Nachbarn", ARD, So., 20.15 Uhr

(RP)
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