Düsseldorf Die Waffen der Frauen

Düsseldorf · Die Western-Serie "Godless" rückt weibliche Charaktere in den Vordergrund - zumindest ein bisschen.

 Die Witwen Mary Agnes McNue (Merritt Wever, l.) und Alice Fletcher (Michelle Dockery) müssen allein klarkommen.

Die Witwen Mary Agnes McNue (Merritt Wever, l.) und Alice Fletcher (Michelle Dockery) müssen allein klarkommen.

Foto: Netflix

Unter den zahllosen Männerdomänen dieser Welt ist der Westernfilm die größte. Eine weibliche Hauptrolle ist im klassischen Western schlicht nicht vorgesehen. Schauspielerinnen blieb vor allem die Wahl zwischen Jungfrau in Nöten und gewiefter Hure. Weibliche Anmut, Zartheit, Schönheit war stets sehr erwünscht, schon als Kontrast zu all dem Staub und Blut, aber in Sprechrollen schlug sich das kaum nieder. Entsprechend revolutionär ist das Setting von "Godless": Die Miniserie spielt im New Mexico der 1880er Jahre, kurz nach dem Tod des realen Revolverhelden Billy the Kid in dieser Gegend - und zwar in und um La Belle, einem Örtchen, das bei einem verheerenden Minenunglück fast alle männlichen Bewohner verlor.

Zu den Hauptpersonen gehören neben dem psychopathischen, einarmigen Bösewicht Frank Griffin (Jeff Daniels) sowie dessen Ziehsohn Roy Goode (Jack O'Connell), der sich gegen ihn gewendet hat, eben auch junge Witwen - die sich wiederum unterscheiden wie Tag und Nacht. Die spröde Mary Agnes McNue (Merritt Wever) etwa trägt Männerkleidung, entdeckt ihre Liebe zu einer Frau und übernimmt nicht nur den Job ihres Mannes, der Bürgermeister war. Sondern immer öfter auch den ihres Bruders, Sheriff Bill, der als zögerlich und trottelig gilt, als Sonderling und Feigling.

Umso femininer ist die schöne Alice Fletcher (Michelle Dockery, bekannt aus dem britischen Historiendrama "Downton Abbey"). Im Ort ist sie dennoch höchst unbeliebt, was vor allem am latenten Rassismus der feinen Damen liegt: Alice hat einen Sohn mit einem Paiute-Indianer, der ebenso auf ihrer entlegenen Farm lebt wie seine Oma, Alices Schwiegermutter. Die wiederum ist im Dorf als Hexe verschrien - doch wenn ein Kind krank wird, wird es trotzdem heimlich zu ihr gebracht. Solcherlei Doppelmoral entlarven die Macher von "Godless" mit Genuss.

Die siebenstündige Miniserie lebt vom Kontrast: Gesprochen wird kurz und knackig, aber umso länger fangen die Breitbildkameras die Protagonisten beim Pferdezähmen und Reiten durch die Bilderbuchlandschaften ein, beim Lesenlernen und Jagen. Dazwischen entladen sich gewitterartig Gewaltausbrüche - doppelt überraschend, weil sie oft in Form von Rückblenden gezeigt werden. Diese sind aber klug gesetzt und deutlich als solche erkennbar.

Noch vor dem ersten Vorspann bekommt der Zuschauer das grausige Ergebnis eines Massakers zu sehen, das Dutzenden das Leben gekostet hat. Wer diese harte und verwirrende Anfangsphase übersteht, wird belohnt mit einer so erschütternden wie erhellenden Geschichte über Gewalt und Religion, Angst und Emanzipation, Rache und Erlösung. Das stärkste Motiv ist die Sehnsucht nach Ruhe, Frieden und Sicherheit, die alle der in maximaler Freiheit lebenden Protagonisten eint. Bei allen Unterschieden eint die Männer und Frauen, dass sie der Gewalt müde sind. Ausgenommen sind davon nur die Banditen, die aber weiter morden, aus Niedertracht und Vergnügen und weil ihnen ohnehin der Galgen droht, sowie der sensationsgeile Journalist A.T. Grigg, dem es gar nicht blutig genug zugehen kann und der leider zu sehr zur Karikatur verkommt.

Stichwort Schwächen: Ausgerechnet das furiose Finale wird leider überschattet von übergroßem Zynismus und frechen Logiklücken, und die Frauen wirken alles in allem doch noch zu oft wie Beiwerk. Ein filmischer Triumph des Feminismus ist "Godless" also nicht. Aber ein Schritt in die richtige Richtung. Und ein toller Western.

Info Alle sieben Folgen von "Godless" sind beim Streamingdienst Netflix abrufbar.

(tojo)
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