"Deutschland sucht den Superstar" Die schwächsten Top 10 aller Zeiten

Köln · Seit dem Recall-Finale von "Deutschland sucht den Superstar" 2016 stehen die Top 10 fest. Doch nicht nur gute Sänger, sondern vor allem die größten Möchtegern-Superstars sind qualifiziert. Zwei Gründe, warum DSDS in die Niveaulosigkeit abgerutscht ist.

DSDS Live Shows 2016: Laura verteidigt ihren Favoritenstatus
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DSDS: Kampf um die Top-10-Plätze

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Foto: RTL / Stefan Gregorowius

Die mittlerweile 13. Staffel von DSDS geht auf die Zielgerade. Am Samstagabend nominierte die Jury zehn Kandidaten für die Live-Shows: Anita Wiegand (17) aus Kiel, Prince Damien (25) aus München, Sandra Berger (28) aus Karlsruhe, Mark Hoffmann (19) aus Norderstedt, Angelika Turo (27) aus Duisburg, Tobias Soltau (19) aus Pinneberg, Igor Barbosa (19) aus Bassum, Aytug Gün (27) aus Radevormwald, Thomas Katrozan (35) aus Leipzig und Niederländerin Laura van den Elzen (18).

Doch fast wehmütig dachte man an das Jahr 2003 zurück, als DSDS am Samstag noch eine Freude war. Der bescheidene Alexander Klaws siegte und legte den Grundstein für seine Karriere. Von diesen Top 10 aber könnte man sich keinen auf einer seriösen Bühne vorstellen.

Alles ist "mega geil"

Zwei Faktoren haben den Wandel von DSDS begünstigt. Während Musikshows wie "The Voice" oder "Sing meinen Song" erfolgreich sind, weil sie auf gesangliche Qualität setzen, ist DSDS ein Synonym für Kleingeistigkeit geworden. Faktor eins ist Dieter Bohlen, dessen Einfluss mit jeder Staffel wuchs: Bohlens Vokabular, seine unerträgliche Polemik, prägt die Sendung längst. Alles ist "mega geil" oder "super scheiße". Und RTL unterstützt das. Denn, und das ist Faktor zwei, der Sender zeigt mehr Castingfolgen als Live-Shows. In denen geht es allein um das Bloßstellen der Kandidaten. Und selbst im Recall-Finale ging das so weiter: in den Einspielern etwa. Nicht Gesangsproben, sondern stupide Dialoge waren deren Inhalt. Die tätowierte Blondine Sandra wurde gezeigt, als sie "um die Wette schrie" oder ihren Partner "antanzte". Die Jury belohnte das auch noch, die Karlsruherin ist eine Runde weiter.

Auf den ersten Blick wäre man fast auf das Selbstbild hereingefallen, das Thomas Katrozan nach außen tragen will: Er gibt sich als "Reggae-Mann", mit sonnengebräunter Haut und Dreadlocks. Deswegen hatte er sich über die Songauswahl "Red Red Wine" von UB40 gefreut.

Die Maske fiel aber noch vor dem Duell. Nicht nur, dass er den Reggae-Titel als "volkstümlich" bezeichnete. Als er zu singen begann und sich völlig arhyrthmisch zum Beat bewegte, wurde klar, dass da in Wahrheit ein 35-jähriger Leipziger stand, mit Bauarbeiterbräune und keine Lust auf Haare waschen.

Sein Partnerin Franziska hingegen kündigte das Unheil vorher an: "Als Schlagerfrau englischen Reggae zu bekommen, ist wie einem Sprinter eine Kugel ans Bein zu hängen." Sie ahnte nur nicht, welch unangenehme Folgen das für den Zuhörer haben sollte. Ihr "Schlager-Reggae" war der Rubrik "Dinge, die die Welt nicht braucht" zuzuordnen. Ihr selbstgeschriebener deutscher Text fiel selbst bei der Jury als "ganz, ganz, ganz schlecht" durch. Symptomatisch für DSDS 2016, dass der Möchtegern-Rastafari dennoch zu den Top 10 (!) zählt.

Ein kleiner Lichtblick war das Duell zwischen Aytug Gün aus Radevormwald und Berlinerin Tallana. Zwar war auch hier das Umstyling von Gün ein Thema. Doch Gün brauchte weder die Piercings noch großmaulige Sprüche, um das Duell zu gewinnen. In dem Song "We‘ve Got Tonight" von Ronan Keating und Jeanette Biedermann duellierten sich die beiden Kandidaten.

Dieter Bohlen übte psychischen Druck auf Favoritin Tallana aus. Sie müsse "den Song rocken", sagte er. Das wirkte: Die Berlinerin traf nahezu keinen Ton. Das schmetterte Bohlen natürlich als "total scheiße" ab. Aytug Gün hingegen fühlte sich offensichtlich wohl mit der ersten Ballade, die er bei DSDS performen musste.

Während Tallana dem Druck erlag, adelte die Jury Aytug Gün als Überraschung des Tages. Gün sei "von der Ente zum Schwan geworden", sagte Dieter Bohlen. Nun wird Gün aber zeigen müssen, dass er auch live singen kann. Denn bisher war es eine Selbstverständlichkeit, die Auftritte mit dem nachbearbeiteten Ton zu belegen.

Künstlich erzeugten Neid à la "Germany's Next Topmodel" gab es natürlich auch. Der schlug Angelika Turo bereits vor dem Auftritt entgegen. "Ich hätte auch mal gerne so einen Vorteil", ätzten die Mitkandidatinnen, weil Bohlen für die Schlagersängerin "Warum hast du nicht nein gesagt" von Roland Kaiser und Maite Kelly ausgewählt hatte.

Zu Duettpartner Tobias (19) passte das genau so gut wie deutscher Schlager an den karibischen Strand (nämlich gar nicht). Das sah man ihm in jeder Sekunde im Gesicht an. Vanessa Mai bemerkte, was Phase war: "Ich hatte das Gefühl, dass du dich geschämt hast." Er hatte sich vermutlich tatsächlich gefragt, warum er nicht einfach "Nein" gesagt hatte, als Bohlen ihm den Song zugeteilt hatte. Am Ende sagte die Jury dennoch "Ja" — und zwar zu beiden.

Anita Wiegand (17) und Prince Damien (25) konnten laut der Jury ihrem Favoritenstatus mit "Make You Feel My Love" von Adele gerecht werden. Die 17-Jährige hatte zuvor noch die Angst, den Text zu vergessen. Das heißt, was bei dem TV-Format "The Voice Kids" schon Neunjährige schaffen, bereitete ihr die größte Sorge. Prince Damien hingegen setzte sich erst einmal drei Plastikdiamanten (?!) als Accessoires auf die Augenbraue (?!), bevor er auftrat. Zumindest die beiden lieferten entgegen der Erwartung eine ordentliche gesangliche Leistung. Beide qualifizierten sich für die Live-Shows.

Nach mehr als zweieinhalb Stunden hatte auch Jury-Mitglied Michelle das eigentliche Konzept verstanden: Mit den Worten "nur die Beste kann weiterkommen", leitete sie das finale Battle ein.

Ramona trat gegen Laura an. Mit "Total Eclipse Of The Heart" von Bonnie Tyler entschied Laura das Battle für sich. Kollektives Aufatmen. Weil eine gute Sängerin weiterkam und die Sendung ein Ende fand.

Über das Format DSDS kann man das nicht sagen, solange sich ein deutsches Millionenpublikum findet, dass weiterhin einschaltet. Zumindest eine Zuschauerin weniger ist es ab kommender Woche aber wieder.

(ball)
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