Berlin Echo-Verleihung mal anders

Berlin · Die deutsche Musikindustrie richtet ihren wichtigsten Preis neu aus - zum ersten Mal überträgt Vox die Gala.

Ein Helene-Fischer-Abend ist die Echo-Verleihung in diesem Jahr nicht. Deutschlands Schlagerkönigin - gefühlte Daueranwärterin auf den Musikpreis - ist nicht nominiert. Und auch sonst ist einiges anders. Die Echo-Macher proben den Neuanfang.

Die Verleihung ist straffer geworden. Die Juroren bekommen mehr Stimmgewicht. Die Sänger Sascha und Xavier Naidoo moderieren. Und nicht mehr das Erste, sondern der Privatsender Vox überträgt die Show - allerdings zeitversetzt um 24 Stunden, heute ab 20.15 Uhr.

Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI), versprach schon im Vorhinein ein Programm, das "die enorme stilistische Bandbreite der aktuellen Popmusik" widerspiegeln soll. Das Hip-Hop-Trio Beginner geht mit vier Nominierungen als Spitzenreiter ins Rennen, auf der Bühne stehen unter anderem Udo Lindenberg mit BAP-Sänger Wolfgang Niedecken, die Amerikanerin Beth Ditto von der Indie-Band Gossip, die jetzt solo unterwegs ist, und Die Toten Hosen mit ihrer neuen Single "Unter den Wolken".

Ob diese Auswahl mehr Zuschauer bringt? Nach einem schleichenden Verfall der TV-Quoten hatte der Musikverband im Dezember die Notbremse gezogen und zur 26. Echo-Ausgabe eine Neuausrichtung angekündigt. Das Erste, das die Echo-Verleihung seit 2009 im Programm führte, hatte bald nach der Gala den Ausstieg angekündigt - aus "inhaltlichen Gründen", wie es hieß. Doch auch die Quote war enttäuschend. Nur 3,38 Millionen Menschen schauten zuletzt zu, das entsprach einem Marktanteil von 11,6 Prozent.

Die inhaltliche Kritik lautete: langatmiger Ablauf, zu viele Preise und einige Skandale. Die umstrittenen Deutschrocker von Frei.Wild hatten dem Publikum im vergangenen Jahr den Stinkefinger gezeigt. 2013 war die Band wegen ihres rechtslastigen Images nach Protesten nachträglich von der Nominierungsliste gestrichen worden.

Für den Echo 2017 wurde die Zahl der Kategorien von 31 auf 22 gekürzt, auch die Auswertungsbasis hat sich geändert. Zwar sind für die Nominierung die Verkaufszahlen entscheidend, die Jury bekommt bei der Preisvergabe aber mehr Gewicht, ihr Votum fließt zu 50 Prozent in das Ergebnis ein.

Marius Müller-Westernhagen (68) erhielt den Echo für sein Lebenswerk. Er habe die deutschsprachige Rockmusik als Sänger, Songwriter und Performer maßgeblich und nachhaltig geprägt, sagte der BVMI. "Songs wie ,Sexy', ,Freiheit' oder ,Wieder hier' gehören zur DNA der Rockmusik in Deutschland." Müller-Westernhagen gehöre zweifellos zu den Pionieren der deutschsprachigen Rockmusik, sagte der BVMI-Vorstandsvorsitzende Dieter Gorny.

Moderator Jan Böhmermann hatte kurz vor der Verleihung die deutsche Popmusikindustrie kritisiert. Der wichtigste deutsche Musikpreis ehre zu oft "seelenlose Kommerzkacke", beschwerte er sich in einem Youtube-Video. Die deutsche Popmusik sei vom Schlager kaum noch zu unterscheiden, findet Böhmermann. Neben dem "Heile-Welt-Getue" kritisierte er Schleichwerbung in Musikvideos und fragte: "Ist der Echo eigentlich der Preis der deutschen Musikindustrie oder der Preis der deutschen Industriemusik?"

"Echo 2017 ", Vox, 20.15 Uhr

(dpa)
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