"Ein Mann, eine Wahl" Zu wenig Zeit und zu viel Geplänkel

Düsseldorf · Auch in der zweiten Folge von Klaas Heufer-Umlaufs Politiksendung geht es hektisch zu. In nur eine Stunde werden Gespräche mit Politikern wie Jens Spahn, Heiko Maas und Alice Weidel gequetscht, auch Toni Kroos tritt auf. Zeit für Tiefgang bleibt bei "Ein Mann, eine Wahl" leider kaum.

Klaas Heufer-Umlauf.

Klaas Heufer-Umlauf.

Foto: ProSieben / Claudius Pflug

Es sind nur noch sechs Tage bis zur Wahl — ein guter Zeitpunkt eigentlich, um sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie man sich Deutschland in zehn Jahren wünscht und bei welcher Partei man demnach sein Kreuz machen sollte. Der Fernsehsender Pro7 und Moderator Klaas Heufer-Umlauf wollen dabei helfen — dafür haben sie das einstündige Format "Ein Mann, eine Wahl" erfunden.

Wie sich in der ersten Folge in der vergangenen Woche gezeigt hatte, ist das zwar durchaus ehrenwert — aber trotz Gästen wie SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und FDP-Spitzenmann Christian Lindner drehte sich die Sendung vor allem um einen: um den Moderator. Das liegt auch am Konzept der Sendung — Heufer-Umlauf diskutiert zwischendurch immer wieder mit sich selbst: Dann redet ein linker Klaas im roten Pulli mit einem konservativen Klaas im schwarzen Pulli, und dazwischen sitzt ein liberaler Klaas im grauen Pulli. Für wirklich spannende politische Gespräche bleibt deshalb zu wenig Zeit — und das trotz durchaus guter Ansätze.

"Ich will keine Kopftücher mögen müssen"

Wie schon in der ersten Folge sind die Interviews zeitlich sehr beschränkt. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn bringt in zehn Minuten immerhin ein paar Wahlprogramm-Floskeln unter wie: "Wer mehr leistet, soll auch mehr haben". Außerdem erklärt er, dass das Leben nicht erst mit dem Abitur beginne. Auf Heufer-Umlaufs eigentlich interessante Frage nach der sozialen Ungerechtigkeit des Bildungssystems geht er aber nicht ein. Stattdessen spricht er seiner Partei eine Vorreiterrolle in Sachen Schwulen- und Frauenrechte zu — bezieht das aber vor allem darauf, diese muslimischen Flüchtlingen näherzubringen. "Ich will Kopftücher nicht mögen müssen", sagt Spahn. Er hält das für "selbstbewusste Integration".

Ein Mann, eine Wahl auf Pro7: Zu wenig Zeit und zu viel Geplänkel
Foto: ProSieben / Claudius Pflug

Danach darf auch die Linken-Vorsitzende Katja Kipping ein paar Minuten etwas erzählen — sie schafft es, direkt im ersten Satz nicht nur gegen Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus zu ledern, sondern auch gleich das Grundeinkommen zu fordern. Im Gegensatz zu Spahn ist Kipping zudem weiter überzeugt von der Einteilung in rechts und links — und sieht den größten Unterschied wenig überraschend im versuchten Abbau von Ungerechtigkeit.

Zwischensequenzen ohne Relevanz

Bevor es anschließend zu zwei durchaus interessanten Gesprächen mit Justizminister Heiko Maas (SPD) und AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel kommt, darf wie in der ersten Folge Spiegel-Kolumnist Jakob Augstein auftreten — diesmal in einer Fake-Doku über die schlimmen Folgen der Globalisierung, etwa die Kinderarbeit im Kongo. Aber auch hier fehlt der Tiefgang. Eine Auseinandersetzung mit dem Gezeigten bleibt aus.

Hinzu kommen Zwischensequenzen mit Heufer-Umlauf, die sich dem dem Zuschauer aber kaum erschließen — sie bleiben Füllmaterial, das letztlich weniger Zeit für die Politiker-Interviews lässt. Das gilt auch für ein Gespräch mit Fußball-Nationalspieler Toni Kroos. Soll der bekennende Merkel-Fan ein Gegenpol zum linken Kolumnisten Augstein sein? Man weiß es nicht, es wird auch nicht erklärt. Dafür darf Kroos nette Sachen wie "Es ist in einem Team wie Real Madrid egal, wer woher kommt" sagen, und ein Mineralwasser trinken.

Zwei gute Gespräche und ein Aufruf zum Abschluss

Das Interview mit Justizminister Heiko Maas gehört zu den besseren Momenten der Sendung. Heufer-Umlauf zeigt sein Potenzial als politischer Gesprächspartner, etwa als er mit Blick auf Maas' Kampagne gegen den zunehmenden Hass und die Hetze im Netz fragt, ob denn nicht zuerst die wütenden Menschen da gewesen seien, die jetzt eben eine Plattform gefunden hätten — oder ob sich Deutschland beim Sommermärchen 2006 zu früh über die eigene Toleranz gefreut hätte. Und auch Maas ist souverän. Angesprochen etwa auf die teils menschenverachtenden Plakate der AfD sagt er: "Meinungsfreiheit muss auch weh tun", die Gesellschaft müsse sich damit auseinandersetzen — und dabei könne jeder mitmachen.

Und auch das Interview mit AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel gehört zu Heufer-Umlaufs besseren Momenten. Zwar liefert er Weidel nur Stichworte wie Heimat, Patriotismus oder völkisch, bringt diese aber dadurch dazu, sich teilweise in völligem Widerspruch zu ihren Parteigenossen zu äußern ("völkisch positiv aufladen geht nicht" bezogen auf Frauke Petrys Forderung, "Deutschland zuerst ist nicht mein Spruch", bezogen auf Alexander Gaulands Wahlspruch). Auch Weidels Schluss-Statement ist mindestens erstaunlich: Deutschland solle in zehn Jahren ein sicheres Land sein, in dem man in Frieden und Respekt inmitten von Europa lebe. Offenbar war die AfD-Politikerin zum Zeitpunkt der Aufnahme noch deutlich entspannter als im Wahlkampf-Endspurt, in dem sie vor allem mit einem vorzeitigen Abgang aus einer ZDF-Wahlrunde von sich reden machte.

Zum Abschluss steht dann aber wenig überraschend nochmal der Moderator selbst im Mittelpunkt — zuerst in einem Best-of aus allen Gesprächen, schließlich in einem Aufruf für Toleranz, gesellschaftliche Geschlossenheit und Respekt. Zudem fordert Heufer-Umlauf von seinen Zuschauern, mitzuentscheiden, wie Deutschland in zehn Jahren aussehen soll. Das wird von der Regie leider unnützerweise musikalisch unterlegt. Recht hat der Moderator mit seinem Abschlussstatement aber allemal: "Demokratie funktioniert nur dann, wenn alle mitmachen."

(kess)
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