Henri-Nannen-Preis für Lausitzer Journalist Ein Reporter bietet Neonazis die Stirn

Spremberg · Der Lausitzer Reporter René Wappler ist für seine mutigen Berichte über die rechtsextreme Szene in Brandenburg mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet worden.

 René Wappler nimmt den Henri-Nannen-Preis entgegen.

René Wappler nimmt den Henri-Nannen-Preis entgegen.

Foto: dpa, shp axs

Es begann fast genau vor einem Jahr mit einem scheinbar unspektakulären Text von René Wappler in der Spremberger Ausgabe der "Lausitzer Rundschau", die unter dem Dach der Rheinischen Post Mediengruppe erscheint. Er schrieb über "Vermummte Neonazis am Bismarckturm". Ein Foto von mehr als 30 Rechtsextremisten, die mit Fackeln, Fahnen und einem Transparent auf dem Spremberger Georgenberg posierten, war für Wappler Anlass, die rechtsextreme Szene in der Stadt und der Umgebung zu beschreiben. Das Bild war im Internet öffentlich zugänglich gewesen.

Die Reaktion der örtlichen Neonaziszene war heftig. In der Nacht nach Erscheinen des Textes wurde die Spremberger Redaktion mit Plakaten beklebt und mit Parolen wie "Lügenpresse halt die Fresse" besprüht. In der nächsten Nacht wurden Tierinnereien an der Eingangstür verteilt und Blut verschmiert.

Es war der Auftakt zu immer neuen Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen René Wappler und die "Lausitzer Rundschau". Als Wappler im Juli 2012 vor der Redaktionstür stand, flog ein schwerer Böller auf ein benachbartes Bürodach. Die Explosion riss ein Loch in das Dach.

Unter Polizeischutz zum Ortsausgang gebracht

Noch dreister traten die Neonazis im vergangenen August beim "Fest der Vielfalt" in Spremberg auf. Auf dem Nachhauseweg von der Veranstaltung wurden Wappler und ein Begleiter von gut einem halben Dutzend Jung-Extremisten verfolgt und angepöbelt. Polizisten begleiteten die beiden Bedrängten bis zur Spremberger Redaktion. Weil die rechtsradikalen Verfolger in der Nähe warteten, wurde Wappler unter Polizeischutz bis zum Ortsausgangsschild gebracht.

Anfang November vorigen Jahres tauchten erneut Neonaziaufkleber an den Redaktionsscheiben in Spremberg auf. Kürzlich erschienen mehrere Rechtsextremisten in der Redaktion und forderten Wappler auf, ihnen die erste Lokalseite des nächsten Tages zu zeigen. Sie wollten ihm vorschreiben, wie er über Graffiti, die mutmaßlich aus der linken Szene stammten, zu berichten habe. Der Journalist ließ sich durch keine dieser Aktionen einschüchtern.

Dabei hatte er mit seiner Geschichte vom Aufmarsch am Bismarckturm in ein Wespennest gestochen. Denn in Spremberg gibt es nicht nur etwa zehn NPD-Mitglieder und Sympathisanten sowie Mitglieder der inzwischen verbotenen "Widerstandsbewegung Südbrandenburg".

Die "Nationalisten Spremberg", deren harter Kern vom Verfassungsschutz auf 25 Personen geschätzt wird, gehören zu den aggressivsten Neonazis in Brandenburg. Verschärft wird diese ohnehin gefährliche Konstellation durch Verbindungen der Rechtsextremisten zur lokalen Rockerszene des "MC Gremium". Unter den Kuttenträgern sollen sich mehrere ehemalige Rechtsextremisten befinden, deren Söhne inzwischen beim Neonazinachwuchs mitmischen.

René Wappler hat sich im vergangenen Jahr nicht in eine andere Lokalredaktion versetzen lassen. Er bleibt in Spremberg, wo er jeden Tag Gelegenheit hat, die Rechtsextremisten, die ihn bedrohen, auf der Straße zu treffen. Ihn schützen dabei die Öffentlichkeit und der Rückhalt der gesamten "Rundschau"-Redaktion.

Platzeck: "Ihn treibt sein Selbstverständnis als Journalist"

Am Freitag wurde Wappler in Hamburg für sein Engagement mit dem renommierten Henri-Nannen-Preis für seinen besonderen Einsatz für die Pressefreiheit ausgezeichnet. "Stern"-Chefredakteur Andreas Petzold begründete die Ehrung damit, dass der "Rundschau"-Reporter "die Pressefreiheit auf lokaler Ebene, an den Wurzeln der Demokratie" verteidige. Im November vorigen Jahres war René Wappler bereits in München mit dem "Leuchtturm-Preis" der Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche" ausgezeichnet worden.

"René Wappler ist ein würdiger Preisträger, der diese Auszeichnung wahrlich verdient hat. Es ist eine Anerkennung, die Mut macht und das gesamte Medienhaus der 'Rundschau' mit Stolz erfüllt. Zugleich stellt die Preisverleihung eine Verpflichtung dar, nicht müde zu werden, mit der Schreibfeder den Feinden der Freiheit das Schwert zu zerbrechen", erklärte "Rundschau"-Chefredakteur Johannes M. Fischer.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) würdigte ebenfalls die Auszeichnung für den Redakteur: "Ihn treibt sein Selbstverständnis als Journalist. Ein Journalist wie er richtet nicht, er berichtet. Er informiert seine Leserschaft über die Dinge, die in ihrer Heimat passieren. Er versorgt seine Umgebung mit den wichtigen Informationen, damit sich die Menschen selbst ein Urteil bilden können." Das alles seien gute Gründe, warum der Henri-Nannen-Preis mit René Wappler und der Redaktion der "Lausitzer Rundschau" würdige Preisträger bekomme. "Es gehört Mut dazu, sich in seiner journalistischen Arbeit nicht davon beeindrucken zu lassen, wenn das Büro mit Drohungen und Beleidigungen beschmiert wird", so der Ministerpräsident.

Der so gelobte Wappler selbst, ein gebürtiger Cottbuser, verliert über seine tägliche Arbeit nicht viele Worte. Es gehöre zur Aufgabe von Lokaljournalisten, nicht nur die schönen, sondern auch die weniger schönen Seiten einer Stadt zu beleuchten, sagt er. "Und Ärger ab und zu gehört dabei nun mal mit zum Beruf."

(RP/das)
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