Der König der Zwölfdeutigkeit So reagiert Böhmermann in seiner Sendung auf die Kritik

Düsseldorf · Eine halbe Ausgabe "Neo Magazin Royale" ließ es sich Jan Böhmermann nicht anmerken, dass gerade der Staatsanwalt, Erdogan und das halbe deutsche Feuilleton hinter ihm her sind. Dann schlug er auf eine Art zurück, die ihn für den nächsten Grimme-Preis berechtigt.

 Wegen seines Schmähgedichts über Erdogan drohen Böhmermann juristische Konsequenzen.

Wegen seines Schmähgedichts über Erdogan drohen Böhmermann juristische Konsequenzen.

Foto: dpa, rve kde

Wie reagiert einer, gegen den nicht nur der Staatsanwalt ermittelt und der vom eigenen Sender kritisiert wird, sondern mit dem sich auch Feuilleton- und Facebook-Deutschland seit einer Woche beschäftigt? Wie also reagiert Jan Böhmermann in seiner Sendung "Neo Magazin Royale", die am Donnerstag ausgestrahlt und am Mittwoch aufgezeichnet wurde?

Erst einmal gar nicht, wenn man nicht den Hashtag zur Sendung, "Witzefrei", als Anspielung verstehen will, dass er lieber erst mal keine dummen Sprüche mehr macht. Zunächst macht er Gags über das Saarland und verspottet Til Schweiger und seinen Internetshop. So plätschert die Sendung ohne Höhepunkt vor sich hin, und fast schon hat man das Gefühl, er würde die Gelegenheit bewusst vorüberziehen lassen, sich in seiner Sendung gegen die Kritik zu wehren. Einfach mal schweigen — es wäre ein neuer Stunt von Jan Böhmermann gewesen.

Dann aber setzt sich Anne Will zu ihm an den Schreibtisch. Sie reden zunächst über ihren festen Händedruck, dann endlich die erste Anspielung auf das aktuelle Geschehen. In der nächsten Ausgabe ihrer Talksendung würden sie über die Türkei sprechen, sagt Anne Will, "da hatten wir schon mal über dich als Gast nachgedacht". Das Gespräch gerät danach merklich ins Stocken, Böhmermann spricht hölzern, es wirkt, als sei er nervös, habe sich nicht richtig vorbereitet. Will antwortet diplomatisch — und dann, in den letzten 15 Minuten der Sendung beweist Böhmermann, warum ihm am Freitag der Grimme-Preis verliehen wird. Er ist wie ein geschlagener Boxer, der sich im Rückkampf die Rache für die letzte Runde aufgehoben hat.

"Ich war letzte Woche auch bei dir zu Gast in der Sendung", sagt er — und dann wird es von Minute zu Minute surrealer. Denn Jan Böhmermann war letzte Woche nicht bei Anne Will zu Gast, er ist in dem Einspieler aber trotzdem in ihrer Sendung zu sehen neben Anne Will und Katrin Göring-Eckardt, sie haben das einfach nachgestellt. Anne Will sagt: "Jan, dir gelingt ja im Moment ein Hit nach dem anderen — weißt du, wie das Internet funktioniert, oder hast du einfach einen Nerv getroffen?" Der antwortet: "Wir sind eine kleine schmierige Sendung von Losern für Losern." Eine Anspielung auf die Aussage des ZDF, die Erdogan-Schmähkritik entspreche nicht den Ansprüchen, die das ZDF an eine Satiresendung stellt?

Gefangen in einer Endlosschleife

Er präsentiert in der Talkshow von Anne Will auch ein neues Video. Er als Penner, der auf der Straße liegt, hinter ihm brennen die Mülltonnen, und dann plötzlich — Sprung — ist er in der Show von Markus Lanz zu sehen, der ihn fragt, woher er seine Ideen nehme, und Böhmermann sagt "Hauptsächlich alte Yps-Hefte". Erneuter Sprung, in eine Kneipe. Böhmermann sitzt dort alleine abends an der Theke und sagt "Da habt Ihr euren großen Spartenspacken, der einmal im Jahr auf die Bühne darf, aber danach wieder zurück in den Käfig um 0.30 Uhr. Oh Böhmi, tanz doch mal, oh Böhmi, mach doch mal Faxen. Mal gucken, was die Kanzlerin dazu sagt". Jetzt bekommt das ZDF die volle Breitseite ab. Später ist zu sehen, wie sich Menschen im Auftrag des ZDF seine Sendung anschauen. Ein Mann vom ZDF sagt zu ihnen:

"Neo Magazin Royale ist so ein bisschen unser Sorgenkind. Auf einer Skala von eins bis zehn, wie würden Sie die Sendung bewerten?"

"Vier"

"Viel zu verwirrend — drei."

So geht das immer weiter. Böhmermann ist gefangen in einer TV-Endlosschleife, immer wieder taucht er in anderen Formaten auf, es gibt Bildstörungen, er landet wieder in seinem Studio mit Anne Will, ist dann plötzlich eine Action-Figur mit dem Spruch "Ach du heilige Makrele" — ein Lieblingsspruch von Spongebob — bis er schließlich endgültig wieder im eigenen Studio landet. Längst ist dem Zuhörer da schwindelig geworden. Was war das denn bitte?

Die Äußerungen des ZDF haben ihn schon getroffen

Die Meta-Ebene ist Jan Böhmermanns Dancefloor, und niemand tanzt dort schneller als er. Auch mit diesem Clip zeigt er, warum Deutschland ständig über ihn spricht — weil er der König der Zwölfdeutigkeit ist. Er setzt nichts mehr in die Umlaufbahn, zu dem man sich klar positionieren könnte, weil gar nicht klar ist, wie genau sich Böhmermann positioniert.

Doch hineindeuten darf man wohl Folgendes, auch wenn der grundsätzliche Plan zum Video schon vor der Causa Schmähkritik entstanden ist — was sich schon alleine daran erkennen lässt, dass zu viele Gaststars auftreten, um das alles in wenigen Tagen zu organisieren.

Erstens: Weil das ZDF ihm mangelnde Qualität unterstellt, dreht Böhmermann einen Clip, der den Zuschauer völlig überfordert in Geschwindigkeit, Anspielungen und Ebenen. Ein Clip also, der vom Niveau das Gegenteil einer Schmähkritik ist. Anstatt sich also einfach nur über die ZDF-Kritik an ihm lustig zu machen, spielt er seinen Gegenschlag über Bande. Dass hingegen der Name "Erdogan" nicht einmal fällt, könnte daran liegen, dass es Böhmermann in seiner Schmähkritik ja nie um Erdogan selbst gegangen ist — anders als beim Video von "Extra 3".

Zweitens: Die Situation, die er gerade erlebt, empfindet er als ungefähr so surreal und unangenehm wie dieses Video.

Drittens: Es hat ihn schon getroffen, wie sich das ZDF über ihn geäußert hat. Warum sonst diese Szene als einsamer Obdachloser, warum die Szene am Tresen? - "Oh Böhmi, tanz doch mal". Er will nicht einfach der Kerl sein, der ab und zu mal für Unterhaltung sorgt.

Aber vermutlich ist auch das nur die halbe Wahrheit oder ein Drittel. Oder all das war einfach nur großer Böhmermann-Quatsch. Und dieser Text löst sich gleich von selbst auf.

(seda)
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