Maybrit Illner über Einbrüche "Alarmanlagen ziehen Täter an"

Düsseldorf · Um Einbruchskriminalität in Deutschland ging es am Abend im TV-Talk bei Maybrit Illner. Ein ehemaliger Einbrecher und ein Kriminalbeamter gaben Einblicke in Maschen und Organisation der Täter, während Cem Özdemir im Stänkermodus blieb. Der Talk im Check.

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Foto: RP-Grafik

Darum ging's
Alle drei Minuten wird in Deutschland eingebrochen. "Mit jedem Einbruch nimmt das Sicherheitsgefühl der Deutschen Schaden, schleichend, aber stetig" — mit diesen Worten beginnt Illner ihren Talk zum Thema "Einbruch, Diebstahl, Überfall — Kriminalität ohne Grenzen?" Es geht vor allem um Einbrüche in ihrer Sendung, und auch darum, ob offene Grenzen vermehrt Verbrecher nach Deutschland bringen. Oder wie Illner selbst sagt: "Offene Grenzen bringen nicht nur Menschen ins Land, die Schutz und Arbeit suchen." - Deutschland importiere auch Kriminalität.

Die Runde

  • Streetworker Hammed Khamis, der in seiner Jugend selbst Einbrecher war
  • Sebastian Fiedler, Kriminalhauptkommissar und stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter
  • Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer
  • Grünen-Chef Cem Özdemir
  • Kriminologin Gina Wollinger
  • Historiker Jörg Baberowski
  • Elke Wolber, die die "Bürgerhilfe Esch" organisiert

Frontverlauf
Einig war sich die Runde, dass es mehr Personal bei der Polizei geben muss, um der Einbruchskriminalität Herr zu werden, was vor allem Fiedler immer wieder betonte. Sein Beispiel: "Beim Abhören ihrer Telefone hören wir manchmal, wie sich die Täter darüber unterhalten, wie sie sich im Ausland eine Rolex kaufen wollen. Aber wir können nichts machen, weil wir zu wenig Leute haben."

Während er aber auch immer wieder auf osteuropäische Banden zu sprechen kam, wollte Kriminologin Wollinger betont wissen, dass es keine homogene Tätergruppe gebe. Regional seien die Unterschiede groß. Gewaltforscher Baberowski wiederum nannte Gewalt den Anfang vom Ende einer weltoffenen Gesellschaft. "Freiheit, Toleranz und Weltoffenheit sind nur möglich, wenn der Staat das Gewaltmonopol hat", sagte er. Und Mayer und Özdemir taten das, was Politiker gern tun: Sie stritten sich.

Einblicke eines Einbrechers
Illner befragte Hammed Khamis am Rande der eigentlichen Talkrunde. Der Streetworker will aufklären, Präventionsarbeit leisten und lieferte interessante Einblicke — auch wenn er durch seine Art zu sprechen für Lacher im Publikum sorgte. So sagte er, dass für ihn die Strafen in Deutschland zu lasch seien und dass deshalb Täter wie er nicht von Einbrüchen abgehalten würden. Seiner Ansicht nach würden auch einfache Alarmanlagen nichts bringen. "Das zieht Einbrecher an, weil sie wissen: Der hat was zu beschützen".

Neue Alarmanlagen, die mit dem Internet verbunden seien, hätten da eine andere Wirkung, aber Außenalarmanlagen - etwa mit einer Sirene - brächten nichts, da könne man die Stromversorgung auch einfach abziehen. Abgeschreckt hätten ihn immer Hunde und Aufkleber wie "Aufmerksamer Nachbar". Das habe etwas mit Psychologie zu tun, weil: "man wird darauf hingewiesen, was man gerade macht". Er selbst — ebenfalls schon Opfer eines Einbruchs geworden — stelle jetzt immer zwei paar Schuhe vor die Wohnungstür, wenn er weggehe, um zu signalisieren, es sei jemand zu Hause.

Die Erfahrungen des Kriminalbeamten
Sebastian Fiedler verwies immer wieder darauf, dass die Polizei durchaus das Portfolio habe, gegen Einbrecher und Einbrecherbanden vorzugehen, aber einfach das Personal fehle. Er kritisierte die fehlende Zusammenarbeit der Bundesländer, aber auch, dass die deutschen Behörden jedesmal ein Rechtshilfeersuchen stellen müssten, wenn die Täter sich ins Ausland abgesetzt hätten. Fiedler gab aber auch Einblicke in die Praxis.

So sagte er, dass die Kriminalstatistik nur einen kleinen Ausschnitt der tatsächlichen Einbruchskriminalität wiedergebe, die Dunkelfelder seien extrem groß. In Bezug auf osteuropäische Banden berichtet er, dass die Märkte "einigermaßen aufgeteilt" seien. Er berichtete aus dem "georgischen Bereich", die mit Ladendiebstählen beginnen und sich dann zu Einbrüchen hocharbeiten würden. Diese Banden seien hochprofessionell organisiert. Da seien etwa zwei in einer Wohnung registriert, in der letztlich 30 Menschen lebten. Er bestätigte zudem, dass Mitglieder von Banden im Rahmen eines Asylverfahrens nach Deutschland kommen und die Zeit, während dieses läuft, nutzten, um hier Einbrüche zu verüben. Das sei aber kein neues Phänomen, sondern habe es auch schon in den vergangenen Jahren gegeben.

Der Stänkerer
Cem Özdemir war in Angriffslaune. Das bekam zum einen Historiker Baberowski zu spüren, dem er ein umstrittenes Zitat vorlas, um ihn zu diskreditieren, aber auch CSU-Politiker Mayer. In säuselndem Ton stichelte er in Richtung der Christsozialen. Etwa, als Mayer mehr Polizei forderte und Özdemir entgegnete, die Grünen seien es nicht gewesen, welche die Stellen abgebaut hätten - das sei vielmehr "unter Ihrer Regierung" geschehen. Als Mayer darauf verwies, dass in Bayern die Einbruchskriminalität zurückgehe und sie in NRW sechsmal höher liege, startete Özdemir die nächste Attacke: "Immer wenn ein Vertreter aus Bayern hier sitzt, dann ist dort alles großartig." Mayer wehrte sich, doch der Grünen-Chef legte nach: "In NRW gibt es ja ein paar soziale Brennpunkte mehr als in Bayern. Ich tue mich schwer, Äpfel mit Birnen zu vergleichen."

Satz des Abends
"Die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist, dass der Staat Zähne zeigt." — Gewaltforscher Jörg Baberowski, der damit noch einmal deutlich machte, dass es eine wehrhafte Polizei braucht, um gegen Einbrecherbanden vorzugehen.

Erkenntnis
Viele Fakten, viele Zahlen, viele Einblicke lieferte die Sendung, was insbesondere Fiedler und Khamis zu verdanken war. Ein spannender Talk, in dem sogar die kleineren politischen Scharmützel erträglich waren. Mehr davon, bitte!

(das)
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