Interview mit Frank Elstner "Auch ich bin verführbar"

Baden-Baden · Frank Elstner gilt als Grandseigneur der deutschen Fernsehunterhaltung. Zwar etwas trocken im Auftreten, aber immer den Menschen zugewandt. Am 19. April wird er 75 - und macht sich um den Nachwuchs keine Sorgen.

 Moderator Frank Elstner während einer TV-Aufzeichnung (Archivbild)

Moderator Frank Elstner während einer TV-Aufzeichnung (Archivbild)

Foto: dpa, pse pil bwe kde

Frank Elstner ist ein Zuhörer, der in seinen Talkshows auf sein Gegenüber eingeht, aber auch ein Macher, der im Hintergrund die Fäden zieht. Im Gespräch ist er direkt, überlegt, unkompliziert und formuliert fast druckreif. Ganz der Vollprofi, den man erwartet.

Sie gelten als rastlos, als Workaholic. Ruhestand ist also auch mit bald 75 Jahren für Sie ein relativer Begriff?

Frank Elstner Im Ruhestand bin ich seit zehn Jahren, mit 65 habe ich offiziell aufgehört, ein Arbeitnehmer zu sein. Dieses Rentnerdasein bekommt mir sehr gut, weil ich das große Hobby habe, ein Künstler zu sein und Erfindungen zu machen. Wenn mir eine neue Fernsehsendung einfällt, biete ich die noch mit 90 an. Ob ich sie loswerde, ist eine andere Frage. Aber ich werde nicht aufhören zu denken. Das ist aber mit allen Künstlern so: Ein Komponist hat vielleicht sein schönstes Lied mit 80 komponiert, ein Maler sein bestes Bild mit 70 gemalt. Ich lasse mich mal überraschen, was bei mir noch alles rauskommt.

Wie sieht es denn aus, wenn Sie zur Ruhe kommen?

Elstner Sport spielt bei mir eine wichtige Rolle. Ich gehe jede Woche mindestens viermal in den Wald, ich mache meine Kraftübungen, versuche mich zu bewegen und nicht einzurosten. Wobei das Einrosten natürlich, wenn Sie 75 werden, von alleine kommt.

Vor dem Fernseher klappt das mit der Entspannung sicher nicht so gut...

Elstner Weil ich mitdenken muss. Aber das kann ja auch Spaß machen. Wenn ich eine gute Sendung sehe, überlege ich nicht, was kann ich besser machen, sondern was kann ich mir merken. Wenn ich eine schlechte sehe, frage ich mich, wie kriege ich die am schnellsten wieder los. Wenn Sie mich vor den Fernseher setzen und mir "Schwiegermutter gesucht" zeigen, dann bleibe ich wahrscheinlich nur eine Minute sitzen.

Sind Sie denn mit dem, was Sie im TV sehen, eher zufrieden oder nicht?

Elstner Ich finde, dass das Fernsehangebot viel größer geworden ist. Ich bin sehr zufrieden und sage all denen, die nicht zufrieden sind, ihr könnt höchstwahrscheinlich mit der Fernbedienung nicht richtig umgehen.

Sind die Zeiten des TV-Lagerfeuers, vor dem sich alle versammelten, wie es "Wetten, dass..?" war, vorbei?

Elstner Da muss man jetzt sehr vorsichtig sein mit der Antwort. Als ich "Wetten, dass..?" erfunden habe, gab es schon keine Lagerfeuer-Sendungen mehr, und dann kam die Show und alle haben wieder anders darüber gesprochen. Ich schließe nicht aus, dass jemand nochmal eine Idee hat, die Mehrheiten interessiert. Aber heute haben wir eben Zielgruppenfernsehen. Etwas zu erfinden, was alle gleichermaßen sehen wollen, das wird immer schwieriger. Das gibt es gerade noch bei großen Sportveranstaltungen oder internationalen Events.

Liegt es auch daran, dass Sender und Produktionsfirmen mutloser werden, auf die Quote schielen?

Elstner Das Grundproblem ist, dass die Mehrheit derjenigen, die heute Fernseherfolg zu verantworten haben, Nachahmer sind. Es macht einer eine gute Kochsendung, also machen zehn andere auch eine und hoffen, ihre wird noch besser. Das besetzt Sendeplätze für Kreativität. Wenn Sie jeden Tag ein Quiz ausstrahlen, ist täglich eine Stunde weg, wo man vielleicht 365 Versuchssendungen hätte anbieten können, von denen sich die eine oder andere durchsetzt. Das ist das eine. Das zweite: Die haben alle kein Geld mehr. Wenn Sie heute zu einem Sender gehen und sagen, ich habe eine tolle Idee, heißt es sofort: Um Gotteswillen, kostet es was?

Sie haben im Laufe Ihres Lebens sicher tausende Showideen verworfen. Wandern die alle auf Nimmerwiedersehen in die Tonne?

Elstner Der Großteil schon. Wenn man da nicht innerlich aufräumt, kommt man nicht weiter. Aber es gibt auch viele Ideen, die fünf Jahre später erst modern sind. Ich kann mich gut erinnern an "Nase vorn", das ich nach "Wetten, dass..?" gemacht habe. Das war damals einfach fünf Jahre zu früh. Eine Idee ist sehr, sagen wir mal, wetterabhängig.

Man muss aber schon einen guten Riecher haben, wenn man einen künftigen Erfolg erahnen will.

Elstner Der große Rudi Carrell hat mir mal einen sehr wichtigen Satz gesagt. Er sagte, er brauche immer Leute, die sich professionell mit seinem Beruf beschäftigen und ihm Tipps geben für die Moderation. Das heißt, man ist immer abhängig davon, dass man von irgendwo einen Schubs bekommt, um in die richtige Straße abzubiegen. Wenn man wüsste, wie man Erfolg macht, wären wir alle Millionäre.

Von Formaten zu Figuren: Sie haben mal gesagt, Gottschalk sei selbst ein Ereignis gewesen. Fehlen heute im TV solche Figuren?

Elstner Nein, gar nicht. Schauen Sie sich mal um. Viele junge Moderatoren haben ganz große Qualitäten. Wenn ich an Joko und Klaas denke, dann kann ich nur sagen, die sind frech, sympathisch, die treffen den Zeitgeist wie Gottschalk damals. Ich mache mir um den Nachwuchs überhaupt keine Sorgen, höchstens um die Programme, die es nicht gibt, in denen er arbeiten könnte.

Sie haben alles gemacht: Show-, Quiz- und Talkmaster, Entertainer. Wobei fühlen Sie sich am wohlsten?

Elstner Ich sage Ihnen lieber, wobei ich mich am unwohlsten fühle: Ich bin kein Entertainer. Der muss singen, tanzen, ein Bonvivant sein, Operetten- und Musicalqualitäten besitzen, der muss die Treppe runtergehen, rechts und links 20 Ballettmädchen. Alles das können Sie von mir nicht haben. Ich bin ein Journalist, der Fernsehen macht.

Welche Qualitäten braucht man, um so lange erfolgreich zu sein?

Elstner Das ist eine gute Frage. Eigentlich sollte man in unserem Beruf sensibel sein, intelligent, anpassungsfähig, und das sind alles Eigenschaften, die eigentlich der Härte unseres Berufes widersprechen. Wenn Sie zu sensibel sind, fallen Sie einfach zu schnell um. Es gibt ganz wenige Menschen, die Kraft und Sensibilität gemeinsam ausstrahlen können, und deshalb gibt es auch so wenige wirkliche Spitzenkräfte.

Sie stehen zeitlebens auch für Seriosität, für Integrität.

Elstner Danke, dass Sie so freundlich mit mir umgehen. Ich habe da vor vielen Jahren mal einen Satz geprägt bei meinen Schülern von Radio Luxemburg: Leute, merkt euch eins. Man kann ein Publikum auf Dauer nicht anlügen.

Schlagen Sie denn privat mal über die Stränge? Haben Sie auch Laster?

Elstner Ich glaube, ich habe sogar viele Laster. Wie jeder Mensch, der mit wachen Augen durchs Leben geht, bin ich auch verführbar. Wenn Sie mir einen guten Rotwein auf den Tisch stellen, dann schließe ich nicht aus, dass ich ein Glas zu viel trinke. Ich glaube, ich bin ein völlig normaler Mensch.

Sind Sie beruflich ein Teamplayer?

Elstner Menschen, die mich gut kennen, sagen, ich sei harmoniesüchtig. Ich würde das nicht unterschreiben. Ich versuche zu vermitteln, das ja. Es gab einen Philosophen, den Professor Gadamer. Dessen Hauptaussage, so wie ich sie interpretiere, lautet: Der andere könnte Recht haben. Und das ist etwas, was ich sehr respektiere. Wenn man darüber nachdenkt, dass der andere Recht haben kann, dann stellt man sich selbst nicht in den Mittelpunkt.

Welche Wünsche stehen noch an?

Elstner Zuletzt war ich unterwegs, um Tierfilme zu drehen. Ich werde weiter durch die Welt reisen und Menschen unterstützen, die sich gegen das Artensterben engagieren.

Also kann man Sie als glücklichen Menschen bezeichnen.

Elstner Nein, gar nicht. Wenn ich die politische Situation sehe, in der wir leben, da kann man nicht glücklich sein. Da kann man nur gespannt sein und auf Wunder hoffen.

Jörg Isringhaus führte das Gespräch.

(RP)
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