Maischberger-Talk zu G20 eskaliert "Es ist unerträglich, mit Ihnen in einer Runde zu sitzen"

Düsseldorf · Die Krawalle rund um den G20-Gipfel lassen die Emotionen auf allen Seiten hochkochen. Und so wurde schnell klar, dass Sandra Maischbergers Talk diesmal keine ruhige Diskussion werden würde. Nach einer Stunde hitziger Debatte verließ Wolfgang Bosbach aufgebracht das Studio.

Streit bei Maischberger – Wolfgang Bosbach verlässt vorzeitig das Studio
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Streit bei Maischberger – Bosbach verlässt vorzeitig das Studio

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Darum ging's

"Gewalt in Hamburg: Warum versagt der Staat?" lautete der Titel der Sendung. Maischberger startete mit den Bildern der Randalierer beim G20-Gipfel in Hamburg, der durch die Straßen von Altona zog und wahllos Autos anzündete. "Hamburg — eine Stadt im Ausnahmezustand", kommentierte Maischberger und fragte: "Haben diese Bilder das Sicherheitsgefühl der Menschen nachhaltig beschädigt und welche Konsequenzen muss man aus dieser Gewalteskalation in Hamburg ziehen?"

Darum ging's wirklich

Eine richtige Debatte über die Konsequenzen aus den Krawallen kam nicht einmal ansatzweise zustande. Vielmehr ging es den Gästen, die zum Teil vor Ort waren, darum, die Geschehnisse in Hamburg aus ihrer Sicht noch einmal darzustellen — und das mit allen Mitteln und mitunter in deutlich erhöhter Lautstärke und Beleidigungen. Maischberger selbst musste zusehen, wie ihr die Sendung mehr und mehr entglitt.

Die Gäste

  • Wolfgang Bosbach, CDU-Innenpolitiker
  • Katarina Barley, SPD, Bundesfamilienministerin
  • Jutta Ditfurth, Publizistin und Politikerin
  • Joachim Lenders, Hamburger Hauptkommissar
  • Jan van Aken, Linke, Bundestagsabgeordneter
  • Hans-Ulrich Jörges, Journalist

Frontverlauf

Maischberger hatte mit Ditfurth, van Aken und Lenders gleich drei Gäste eingeladen, die bei den Krawallen in Hamburg mit dabei waren und so ihre Sicht der Dinge aus der Erfahrung heraus schildern konnten. Während Lenders sagte, die Polizei habe vorbildlich reagiert, und die Krawalle hätten eine Qualität gehabt, die eine unbeschreibliche Brutalität mit sich gebracht habe, machte Ditfurth vor allem die Polizei für die Eskalation der Lage verantwortlich. Das sei die übelste Eskalation vonseiten Senat, Bundesregierung und Polizei gewesen, die sie je erlebt habe, man habe zusehen können, wie von Tag zu Tag Demütigungen, Schikanen und Prügel zugenommen hätten. Der schwarze Block sei zunächst diszipliniert gewesen, den Einsatzleiter dagegen nennt sie einen Choleriker. "Ich habe mich eigentlich gewundert, dass der Zorn bei einigen nicht schon früher explodiert ist."

Van Aken blieb angesichts der anderen Streithähne recht ruhig und forderte, nicht alle Demonstranten des schwarzen Blocks über einen Kamm zu scheren. Er widersprach Lenders, dass die Gewalt von den Camps ausgegangen sei. Er sei dort gewesen, und die Aktivisten dort seien friedlich gewesen. "Es muss doch möglich sein, sowohl die Krawallos als auch die Polizeiführung zu kritisieren", forderte er schließlich.

Barley betonte, man müsse die Dinge voneinander trennen und auch sehen, dass viele Menschen nach Hamburg gekommen waren, um friedlich zu demonstrieren. Ansonsten blieb die SPD-Politikerin recht blass. Und Jörges, der die Auseinandersetzungen von Hamburg nur von der Couch aus mitbekam, versuchte, mitzuspielen und wehrte sich gegen die Unterstellung, die Krawalle seien eine Reaktion auf die Polizei gewesen, sondern da seien gezielt Krawallmacher angereist. Seine Kritik an Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz, dem er "jämmerliches Versagen" vorwarf, konnte er aber nicht nach vorn bringen angesichts des Streits der anderen.

Denn Wolfgang Bosbach schien schon bei seiner zweiten Aussage der Kragen zu platzen. Er kritisierte den naiven Umgang mit Linksextremisten und sagte, er glaube nicht, dass es sich nur um Event-Krawallmacher handele, denn sie tauchten immer wieder bei ähnlichen Gelegenheiten auf — wie eben auch G8. Zudem verteidigte er Lenders und die Polizei insgesamt: "Ich finde es atemberaubend, dass auch nur der Ansatz gemacht wird, der Polizei die Schuld an den Exzessen in Schuhe zu schieben", sagte er etwa oder auch: "Es ist doch nicht nur ein Stein geflogen, das ist doch nicht nur Sachbeschädigung, das sind doch versuchte Tötungsdelikte."

Die Streithähne des Abends

Die Diskussion eskalierte anhand von drei Personen: Ditfurth, Bosbach und auch Lenders. Gleich zu Beginn gerieten erstere aneinander, als Bosbach seine Eindrücke schilderte und Ditfurth sagte: "Sie sind in einer solchen Filterblase." Er daraufhin: "Sie sind doch gar nicht dran." Da wurde der Ton schon lauter und schärfer, sodass Maischberger das erste Mal eingreifen musste: "Sie sind beide nicht auf einer Demonstration, sondern in einer Talkshow. Ich würde gerne irgendwie versuchen, die Argumente gesittet auszutauschen."

Irgendwann fragte sogar van Aken, wie man denn hier zu Wort komme, wenn man nicht wie die drei immer dazwischen reden würde. Schon da war klar, dass die Sendung völlig aus dem Ruder läuft.

Immer wieder echauffierte sich Ditfurth über die Darstellung der Ereignisse der anderen. "Mensch, Polizisten haben Leute überfahren", sagte sie etwa lautstark Richtung Bosbach. "Das wird alles geleugnet." Und an Lenders gerichtet holte sie aus: "Sie sind so ein Klischee." Er wiederum ließ sich die Attacken irgendwann auch nicht mehr gefallen und sagte in Richtung der Aktivistin: "Sie haben sowieso keine Ahnung, das ist einfach dummes Gesabbel." Das war der Moment, wo auch Bosbach nicht mehr will...

Der Eklat des Abends

Richtig in Fahrt kam Bosbach, als Ditfurth in Bezug auf das Vermummungsverbot sagte, darauf stehe ja nicht die Todesstrafe. "Sie bagatellisieren das Vermumungsverbot. Jetzt möchte ich gern wissen, sind Sie persönlich der Meinung, dass man Vermummung bei einzelnen Personen oder Gruppen hinnehmen soll, oder sind Sie der Meinung, dass das nicht geht, weil es ausdrücklich verboten ist." Schließlich sagte er: "Es ist unerträglich, mit Ihnen in einer Runde zu sitzen, wenn Sie sich als Oberzensor, als Oberintellektuelle hier verstehen und dann noch einen Polizeibeamten in dieser Form beleidigen. Das hat mit Diskussion nichts mehr zu tun, und daran möchte ich mich nicht beteiligen."

Und dann platzte ihm der Kragen, als Lenders und Ditfurth sich abermals sehr persönlich angriffen. Bosbach machte sein Mikro ab und stand auf. Maischberger versuchte noch, ihn zurückzuhalten und sagte: "Bleiben Sie bei uns." Doch der CDU-Politiker entgegnete: "Ich habe vorhin gesagt, was ich mitmache und was ich nicht mitmache." Als Ditfurth ihn dann auch noch eine "Mimose" nannte, verließ er endgültig das Studio.

Maischberger wollte dann die Aktivistin dazu bewegen, auch das Studio zu verlassen, um Parität herzustellen, doch sie blieb stur sitzen und sagte der Moderatorin, sie werde es schon mit ihr aushalten. Tat diese auch, denn an der Diskussion wurde sie die letzte viertel Stunde einfach nicht mehr beteiligt.

Satz des Abends

"Es macht keinen Sinn, wenn wir nicht mehr miteinander reden können." Sandra Maischberger, als Bosbach das Studio verlassen will.

Fazit

Der Redaktion war sicherlich durchaus klar, dass diese Sendung keine ruhige Debatte werden würde. Aber eine derartige Eskalation hätte wohl kaum einer erwartet. Dennoch war das von Beginn an abzusehen, doch Maischberger gelang es nicht, die Emotionen wieder einzufangen. Was übrig bleibt, ist keine Debatte über Inhalte, sondern nur Streit — ähnlich wie vom Gipfel selbst.

(das)
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