Verleihung der Grimme-Preise 2014 Gauck macht Medien Mut zu mehr Qualität

Marl · Glückwünsche von Gauck, ein Ständchen von Elaiza und zwölf neue Trophäen: Mit einer großen Gala hat der Grimme-Preis seinen 50. Geburtstag gefeiert. Im Stadttheater von Marl standen am Freitagabend nicht nur die Preisträger im Mittelpunkt, es wurde auch auf das Gründungsjahr 1964 zurückgeschaut.

Die Gewinner der Grimme-Preise 2014
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Foto: dpa, hka kde

Damals wurden die ersten fünf Bildschirmtrophäen für Qualitätsfernsehen vergeben. Reines Bildungsfernsehen stand damals im Vordergrund. Jahre später kamen Unterhaltung und Fernsehfilme dazu.

Allen Veränderungen zum Trotz bleibt die Frage der journalistischen Qualität nach den Worten von Bundespräsident Joachim Gauck zentral für die Medien. Das Medium selbst sei noch keine Botschaft, vielmehr komme es auf die Inhalte an, betonte das Staatsoberhaupt am Freitagabend in Marl. Gauck äußerte sich bei der Verleihung der Grimme-Preise.

"Mut, individueller Zugriff, kontroverse Themen und Thesen, langer Atem" seien nicht nur für gutes Unterhaltungsfernsehen unabdingbar, sondern auch für "aufklärerische politische Magazine", führte Gauck laut vorab verbreitetem Redemanuskript aus. Weiter sagte er: "Wir brauchen selten den atemlosen Gestus der Empörung, aber andauernd den unbestechlichen Blick aus freiheitlicher und demokratischer Überzeugung."

Die Gewinner des Grimme-Preises 2013
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Besonders machte sich der Bundespräsident für Berichte aus fernen Weltgegenden stark. "Je weiter wir reisen, umso weniger sehen wir oftmals von der Welt, weil wir kaum hinter die touristische Oberfläche schauen können", sagte Gauck. "Darum wünsche ich mir - zusammen mit vielen Zuschauern - Reporter, die sich Zeit nehmen können für Menschen und für deren Schicksale und Geschichten, die uns bewegen, erstaunen, erschüttern." Für "tiefschürfende und deswegen lange nachwirkende Dokumentationen" sollten sich die Macher "auch ruhig einmal mehr Zeit nehmen können als 45 Minuten".

Die Preisträger

Zu den Preisträgern im Bereich Fiktion gehörten das Dokudrama "Eine mörderische Endscheidung" (NDR/ARTE) über den Bombenangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan im September 2009 und der Film "Mord im Eberswalde" (WDR), der auf einem realen Kriminalfall in der DDR der 60er Jahre basiert. Auch der Wiener "Tatort: Angezählt" (RBB/ORF)
über den Tod einer Bulgarin im Prostituiertenmilieu, der Film "Grenzgang" (WDR/NDR) und die Echtzeit-Serie "Zeit der Helden (SWR/ARTE) bekamen Grimme-Preise.

Für den Dokumentarfilm "Restrisiko" (BR) über Sexualtäter im Maßregelvollzug wurden die Autorin und Regisseurin Katrin Bühlig sowie die Produzentin Dagmar Biller ausgezeichnet. Der 90-minütige Film über drei Täter ermögliche "einen Blick in eine uns sonst verschlossene Welt", befand die Jury. In der Kategorie Information & Kultur war die satirische Reportagereihe "Sonneborn rettet die Welt" (ZDF/ZDF neo) des früheren "Titanic"-Chefredakteurs Martin Sonneborn der Jury einen Preis wert. Weitere Ehrungen gingen an die Reportage "Betongold" (RBB/ARTE) über den Verkauf eines Berliner Mietshauses und die Produktion "Work hard - play hard" (ZDF/ARTE) über die von ständigem Optimierungsdenken gekennzeichnete Arbeitswelt.

In der Kategorie Unterhaltung wurden neben "Circus Halligalli" auch Jan Böhmermann, Matthias Schulz und Philipp Käßbohrer für die Sendung "Neo Magazin" (ZDF/ZDFneo) ausgzeichnet. Die Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes erhielt in diesem Jahr die ARD-Krimireihe "Tatort". Damit wurde erstmals und einmalig ein Programmformat statt einer Persönlichkeit ausgezeichnet.

Der undotierte Grimme-Preis gilt als wichtigster deutscher Fernsehpreis und wird in diesem Jahr zum 50. mal vergeben. Die Auszeichnung ist nach Adolf Grimme benannt, von 1948 bis 1956 Generaldirektor des damaligen Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR).

Die Geschichte des Preises

Die Grimme-Preise haben in 50 Jahren viele Aufreger erlebt. Harald Schmidt, Stefan Raab, Edmund Stoiber und das Dschungelcamp waren solche Höhepunkte. Beispiele aus der frühen Zeit sind die Filme "Der Polizeistaatsbesuch", der den Schahbesuch 1967 in Deutschland und den Tod des Studenten Benno Ohnesorg behandelte, oder die Politsatire "Die Dubrow-Krise" (1969) von Wolfgang Menge.

Mit der Vergabe von fünf Grimme-Preisen hatte 1964 alles angefangen. Drei Jahre lang zeichnete der junge Preis ausschließlich Beiträge aus Bildungsprogrammen aus. Die Gründe lagen auf der Hand: Der Stifter des Preises war schon damals der Deutsche Volkshochschulverband. Unterhaltung und Fernsehfilme kamen später dazu. Die Zahl der Preise wuchs. Das private Fernsehen wurde 1985 bei den Grimmes zugelassen. Den ersten Preis holte sich 1989 "Spiegel TV".

Bis heute sind mehr als 500 Fernsehleistungen mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Da bei manch einem Film gleich Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor geehrt wurden, wanderten fast 1300 Bildschirm-Trophäen in die Hände von Siegern.

Zu den ersten Preisträgern zählte Drehbuchautor Gerd Oelschlegel mit dem Mauer-Drama "Sonderurlaub" (1963), Fritz Wepper spielte die Hauptrolle. Für tödliche Schüsse an der innerdeutschen Grenze erhält der DDR-Soldat Rolf Scheller (Wepper) Sonderurlaub. Doch er muss sich dafür zu Hause rechtfertigen. Immer mehr fühlt er sich als Mörder.
Ausgezeichnet wurden im ersten Jahr auch ein Porträt über den früheren israelischen Premierminister David Ben-Gurion und ein Interview von Günter Gaus mit dem Schauspieler, Regisseur und Intendanten Gustaf Gründgens.

Als ein Dokument des Schwarz-Weiß-Fernsehens schlechthin betrachtet Grimme-Preis-Chef Ulrich Spies den Schah-Film von 1967, den der Schweizer Roman Brodmann im Auftrag des Süddeutschen Rundfunks gedreht hatte. In Deutschland hofiert, habe sich der Schah im Iran als Diktator erwiesen, meint Spies. Während der Studentenproteste wird Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Brodmann habe die Bilder als Einziger eingefangen.

Ebenfalls ein Knüller, aber eine Komödie: die "Dubrow-Krise". 1969 erneuern Soldaten der Nationalen Volksarmee die Grenzanlagen und vergessen das malerische Dubrow wieder einzuzäunen. Am nächsten Morgen gehört das Dorf zur Bundesrepublik. Es kommt zur internationalen Krise.

Krisen realer Art lösen dagegen Harald Schmidt und Co. aus. Der als "Dirty Harry" bekannte Moderator vergleicht 1995 in seiner Show Bettina Böttinger wenig geschmackvoll mit einer Kloschüssel. Zwei Jahre später bekommt Schmidt, der selten mit bösen Anspielungen sparte, einen Grimme-Preis. Kritische Zuschauer und auch Medienexperten sind verstimmt. Besonderer Clou: Die Preisverleihung moderiert Bettina Böttinger. Ein Eklat bleibt aber aus.

Ähnliches Tohuwabohu erfährt ProSieben-Entertainer Stefan Raab. In seiner Show "TV Total" teilt er kräftig aus und wird für verbale Entgleisungen mehrfach verklagt. Weil er bei seiner Musik-Castingshow "Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star - Ein Lied für Istanbul" was Gutes schafft, bekommt er einen Grimme. Das nehmen Kritiker übel und sehen das als Einzelleistung neben fragwürdigen Auftritten. Immerhin steht der Grimme-Preis für Qualität jenseits von Quote und Prominenz.

Edmund Stoiber, erinnert sich Spies, habe 1985 als Leiter der bayerischen Staatskanzlei das Grimme-Institut überzeugen wollen, dass Monitor-Mann Klaus Bednarz der Grimme-Preis aberkannt werden müsse.
Der CSU-Politiker unter Ministerpräsident Franz-Josef Strauß habe Bednarz falsche Berichterstattung vorgeworfen. Es half nichts. Auch juristische Schritte gegen Bednarz seien wenig später im Sande verlaufen, meint Spies.

(KNA)
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