"Germany's Next Topmodel" Stöckelverdruss und Zuckerguss

Los Angeles · Haben diese Mädchen denn keinen Fernseher zuhause? Nur so ist es zu erklären, dass sie in der gestrigen Folge eklatantes Fehlverhalten an den Tag legten. Zur Sühne gab's eine Klebe-Dusche.

Ach, es ist schon ein Kreuz mit den jungen Hühnchen! Da tapsen sie arglos und unbeleckt in einen der größten Vorführzirkusse, die das Fernsehen dieser Tage zu bieten hat — dabei gebe es doch aus den vorausgegangenen etwa 46 Staffeln nun wirklich ausreichend Lehrmaterial, wie man die Klumsche Modelbildungsanstalt für höher gewachsene Töchter zumindest in den ersten Runden unbeschadet übersteht!

Stattdessen storchte Jasmin in ihrem offensichtlich höchst ungewohnten Hochhacken-Schuhwerk durch das unwegsame Catwalk-Gelände wie ein missgelauntes Bambi durch matschiges Schilf, und Yusra zimperlieste sich durch ihren ersten echten Auftrag, indem sie sich ausgiebig über die Entscheidungen und Wünsche von Fotografin und Stylistin echauffierte.

"Das ziemt sich eigentlich nicht", beschied Juror Michael Michalsky. Dabei sollte Yusra froh sein, überhaupt Gnade vor der Augen der gestrengen Mailänder Castingmadam mit dem bockwurstdicken Brillengestell gefunden zu haben.

Die dritte Folge von "Germany's Next Topmodel" labte sich ausgiebig am umfangreiche Fehlverhalten der jungen Modelaspirantinnen — neben ihrer Stöckel-Defizite präsentierte Jasmin auch einige Dellen in ihrem Sozialverhalten, indem sie einer Mitkandidatin den Spitznamen "Jumbo-Titte" angedeihen ließ. Hatte sie nicht aus den vorherigen Staffeln und diversen Teenie-Slasherfilmen gelernt, dass das böse Mädchen am Ende nie gewinnt?

Aber gut, aus dramaturgischen Gründen müssen die noch grünohrigen Girls natürlich zu Beginn möglichst täppisch und entchenhaft dargestellt werden, damit ihre Schwanwerdung sodann umso festlicher zelebriert werden kann. Einen Plumpheitspreis hat allerdings auch eines der dümmlichsten Product Placements der jüngeren GNTM-Geschichte verdient: "Hier ist euer Timekeeper", sprach Juror Thomas Hayo und überreichte den Mädchen extrem ausführlich eine Armbanduhr, die dann extrem ausführlich angelegt wurde.

Im Jahr 2016 machten sich die Kandidatinnen also mit Stadtplan und Armbanduhr in den fremden Städten Mailand und Madrid auf den Weg zu ihren Castings — komisch, dass man ihnen nicht auch noch Kompass und Sextanten überreicht hatte, sowie eine getreue Brieftaube, falls sie ein Not-Billet absetzen müssten.

Leidlich amüsant war das Wochenshooting, bei dem die Kandidatinnen im Bikini posieren mussten, während kübelweise Zuckersirup über ihnen ausgegossen wurde — auch wenn das Dschungelcamp-geschulte Hirn bei der klebrigen Masse sogleich impulshaft an schleimige Fischsoße denken musste. "Warum?", fragte die missmutige Yusra vor dem Shooting, und das ist eine gleichermaßen berechtigte wie natürlich auch sinnlose Frage.

Die schönsten Szenen entstanden allerdings unmittelbar nach der Sirup-Session, als ein Mädchen nach dem anderen wie ein klebrigst begossener Pudel, auf einem Schreibtischstuhl kauernd, in die Dusche geschoben wurde — das hatte in Haltung und Ausdruck schon viel von E.T. im Fahrradkorb.

Auch wenn der ganze Zirkus nun nach L.A. übersiedelte, blieb es übrigens trotzdem beim neuen Realitäts-Ansatz: Statt Luxusvilla bezog jedes der beiden Teams ein überschaubares Häuschen mit Stockbetten — mehr Komfort müssen sich die Kandidatinnen erst "verdienen", was immer das genau heißt. Auf dem besten Weg dazu ist die in der Vergangenheit schon als "katemossig" bezeichnete Julia, die gleich zwei echte Jobs einheimste.

Den schönsten Satz der Folge sprach allerdings Kandidatin Shirin, nachdem sie beim Entscheidungs-Catwalk mit monströsem Kopfschmuck ebenso wie Sophie nach Hause geschickt wurde. Sie schien erleichtert, nicht bestürzt: "Jetzt kann ich heimgehen und Heilpraktikerin werden."

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