Politik-Talk bei "Günther Jauch" "Krieg hieße: Krieg mit Russland"

Berlin · Diplomatie? Waffen? Sanktionen? Was tun in Sachen Ukraine? "Schicksalstage in Europa – auf wen hört Putin noch?", fragte am Sonntagabend Günther Jauch – und erhielt erwartungsgemäß sehr unterschiedliche Antworten.

In Sorge um den Frieden: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD).

In Sorge um den Frieden: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD).

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Diplomatie? Waffen? Sanktionen? Was tun in Sachen Ukraine? "Schicksalstage in Europa — auf wen hört Putin noch?", fragte am Sonntagabend Günther Jauch — und erhielt erwartungsgemäß sehr unterschiedliche Antworten.

Wie hart die Fronten in der Ukraine-Frage aufeinander prallen, zeigte sich im Berliner Gasometer, als sich die Repräsentanten der verschiedenen Linien ihr Gefecht beim TV-Talk lieferten. Ein wenig war es die Münchner Sicherheitskonferenz in klein, was Günther Jauch da in seinem Studio zu bewältigen versuchte.

Dass Diplomatie der einzige Weg zur Lösung der Ukraine-Frage ist, glaubt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Die Initiative von Angela Merkel und François Hollande, die in der vergangenen Woche mit ihrer kurzentschlossenen Reisediplomatie die Position Europas in der Frage zunächst einmal festgelegt haben, sieht er als möglichen Weg zum Frieden. Er setzt auf die Minsker Friedenskonferenz, die am kommenden Mittwoch stattfinden soll. Ob Putin überhaupt kommen wird, ist noch gar nicht klar, aber Schulz ist optimistisch: "Wenn wir am Mittwoch in Minsk erreichen, dass es einen Waffenstillstand gibt, sind wir einen Riesenschritt weiter."

Aber braucht es nicht ein Druckmittel? Eines, das Putin Respekt einflößt? "Putin respektiert Stärke, nicht Nachgiebigkeit", sagte John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. Und ein Zeichen der Stärke sei die Friedensinitiative der EU nicht. Wie könnte also Stärke aussehen? Waffenlieferungen an die ukrainische Armee, wie der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, sie fordert und wie auch einige US-Senatoren sie gerne sehen würden?

Kornblum ist dafür, denn: "Nichts zu tun bedeutet, dass die Ukraine irgendwann einen faulen Frieden schließen muss." Waffen als Druckmittel würden Putin vermutlich durchaus beeindrucken, sagt er ehemalige Diplomat, vor allem wenn sie von den USA geliefert würden. Denn für den US-Vertreter ist klar: "Die Macht liegt in Washington und Putin weiß das ganz genau."

"Ich glaube, es ist sinnvoller, wir Europäer lösen dieses Problem untereinander", hielt EU-Parlamentspräsident Schulz dem entgegen. Er verteidigte die Sanktionen, die Europa gegen Russland verhängt hat: Sie begännen schon zu wirken, verstärkt noch durch den fallenden Ölpreis. Das bringe Russland, das keine starke Wirtschaft hat, ökonomisch in Bedrängnis. Und das wiederum setze Putin innenpolitisch unter Druck.

Ob das nicht gefährlich sei, fragte Gabriele Krone-Schmalz. Die ehemalige Moskau-Korrespondentin der ARD gab zu bedenken, dass nicht klar sei, was oder wer dann gegebenenfalls nach Putin käme. Sie hält die Sanktionen aber vor allem aus einem anderen Grund für kontraproduktiv: "Wir wollen doch mit Russland in Europa vernünftige Politik machen", sagte sie. Die sich automatisch verschärfenden Strafmaßnahmen der EU verbauten die Chance auf einen Dialog. "Wir müssen eine Ausstiegsoption haben."

Harald Kujat legte sich nicht fest. Für den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr sollte "kein Weg zu weit sein", wenn es um Reisediplomatie in Sachen Frieden für die Ukraine gehe. Denn: "Wir sind in der Gefahr, dass aus diesem Krieg in der Ukraine ein Krieg um die Ukraine wird." Und das sei eine Bedrohung, die weit über Europa hinaus reiche. Nicht einig wurde er sich mit den anderen Diskutanten, vor allem John Kornblum, über seine Feststellung, dass in der Ukraine ein "Bürgerkrieg" tobe.

"Das ist kein Bürgerkrieg, Herr Kujat", blaffte Kornblum, "sondern ein Angriff durch Russland." Kujat schwieg darauf. Nur, eine militärische Lösung sieht er für den Krieg auch nicht — jedenfalls nicht für den Westen: "Wir können diesen Krieg nicht gewinnen. Aber für Russland sieht die Situation ganz anders aus. Wenn Russland wollte, wäre dieser Krieg innerhalb von 48 Stunden beendet." Bleibt also — Diplomatie?

Ja, bekräftigte Martin Schulz noch einmal lautstark: "Minsk I" habe nicht funktioniert, sagte der EU-Parlamentspräsident und nahm damit Bezug auf das erste Minsker Friedensabkommen vom September, dessen Vereinbarungen zu Waffenstillstand und Gebietsabgrenzungen nicht eingehalten wurden.

"Wenn Minsk II nicht funktioniert, dann machen wir Minsk III. Ich verhandle bis zum letzten Punkt, um einen Krieg zu verhindern. Denn Krieg hieße: Krieg mit Russland."

(hav)
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