TV-Nachlese Günther Jauch Herbert Grönemeyer belehrt den Kanzleramtsminister

Düsseldorf · Günther Jauch diskutiert mit Gästen wie Herbert Grönemeyer, Ranga Yogeshwar und Peter Altmaier über Flüchtlinge und das innere Befinden der Republik. Grönemeyer rechnet bei der Gelegenheit mit Gott und der Welt ab.

Peter Altmaier und Herbert Grönemeyer in Jauchs Sonntagabend-Talk.

Peter Altmaier und Herbert Grönemeyer in Jauchs Sonntagabend-Talk.

Foto: Screenshot ARD

Heimat ist das große Thema der ARD-Themenwoche. Dementsprechend verkauft es der Sender als logisch, dass Günther Jauch über Flüchtlinge diskutiert. Worüber er wohl ohne die ARD-Themenwoche gesprochen hätte? Über das beste Rezept für rheinischen Kartoffelsalat? Doch ausgerechnet dem sonst oft schwächelnden Jauch gelingt trotz seiner Gäste eine immerhin ordentliche Sendung.

Mit Peter Altmaier (Chef des Bundeskanzleramtes) und Werner Patzelt (Politikwissenschaftler) sitzen gleich zwei CDU-Mitglieder in der Runde. Daneben reihen sich noch Sänger Herbert Grönemeyer (etwas sachfremd, aber Pate der Themenwoche), Journalist Ranga Yogeshwar (kann immer mal zu allem etwas sagen), sowie die Leiterin des Sozialamtes der Stadt Fürth (für den Blick aus der Realität verantwortlich) in die Debatte ein.

Thema der Sendung: Wo liegen die Grenzen der "Flüchtlingsrepublik Deutschland"? Die Frage, das gehört zum Konstrukt Talkshow, beantwortet die Sendung am späten Sonntagabend nicht. Das Vorhersehbare der Diskussion wird allerdings hin und wieder durch einige überraschende Gedanken der Gäste durchbrochen. Die Protagonisten in der Einzelkritik:

Peter Altmaier etwa sagt direkt zu Beginn der Sendung, dass es nicht seine Aufgabe sei, die Bundeskanzlerin zu interpretieren — um im Anschluss daran knappe 60 Minuten lang nichts anderes zu tun. Der Kanzleramtsminister tut, was er tun muss und nimmt Merkel in Schutz: Alles, aber wirklich alles, was sie macht und sagt, ist richtig, lernt der Zuschauer. Altmaier nimmt aber auch Seehofer in Schutz, der in einem Einspieler "verbale Brandstiftung" (so der Kommentar Grönemeyers) betreibt. Im Grunde nimmt Altmaier jeden in Schutz, der irgendwie mit der Politik der Union zu tun haben könnte. Er redet am meisten, sagt aber am wenigsten. Noch am auffälligsten: Altmaier trägt zur lila Krawatte auch lila Socken.

Ursachen der großen Flucht
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Foto: ALESSANDRO BIANCHI

Herbert Grönemeyer trägt keine Krawatte, aber orange Socken und belehrt Altmaier gelegentlich. Ein Unionswähler ist der in London lebende Sänger, Stand Sonntagabend 22.45 Uhr, nicht. Grönemeyer findet es gut, dass die Gesellschaft der Politik diktiert, was zu tun ist. Nämlich: Sich um Flüchtlinge kümmern, entsprechende Patenschaften von Bürgern, höhere Steuern für Wohlhabende (Wo wird eigentlich Grönemeyer besteuert?) und schließlich Bush und Blair vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen, wo sie sich für den Irakkrieg rechtfertigen sollen. Vom Thema Heimat sind alle Beteiligten längst etwas abgedriftet.

Michaela Vogelreuther ist eher selten im Bild. Sie prangert Merkels Politik insgesamt als "realitätsfern" an, beklagt sich, dass es keinen Plan gibt und ist damit auf Seehofer-Kurs. Auf die Frage, ob wir das schaffen, wie die Bundeskanzlerin meint, sagt sie: "Sicher schaffen wir das irgendwie, aber ist das dann menschenwürdig?" Im Sozialamt Fürth ist man jedenfalls überfordert, wie Vogelreuther zu erkennen gibt.

Werner Patzelt glaubt nicht, dass wir das schaffen. "Die Wirklichkeit wird die Antwort auf die Frage liefern", sagt er. Und diese Wirklichkeit bestünde dann aus massiven Protesten der Flüchtlinge über die Zustände in ihren Unterkünften, aus Schlägereien, aus Protesten der Bürger, aus Eskalation. Selbst wenn die Flüchtlinge in diesem Jahr integriert würden, fragt Patzelt, wie viele kommen denn im Jahr 2016? Bringt die Debatte voran, ist skeptisch, aber nicht bösartig, sehr bildstarke Sprache.

Ranga Yogeshwar beklagt verkrustete Strukturen in sämtlichen Lebensbereichen. Der Journalist ist stolz auf Angela Merkel, aber auch stolz auf seine Heimatstadt Hennef, in der er Flüchtlingen hilft. Er wäre auch gern stolz auf Deutschland, das ginge aber wegen der vielen Waffenlieferungen nicht. "Wer Waffen liefert, erntet Flüchtlinge", sagt Yogeshwar und zieht damit Altmaiers Unmut auf sich. Sieht die Geflüchteten im Land als Chance, wirkt positiv, verbreitet Hoffnung.

Günther Jauch wirkt zwar wie immer etwas angestrengt und genervt, insgesamt aber deutlich interessierter als an anderen Themen. Jauch versucht Streit zwischen Altmaier und Seehofer zu provozieren, das will aber Altmaier nicht. Stellt nach 45 Minuten kurzerhand das Sendungskonzept in Frage, indem er Grönemeyer und Yogeshwar fragt, ob es nicht einfach sei, aus so wohlhabender Position dieses Thema zu diskutieren. Erntet Unverständnis von Grönemeyer, zeigt damit aber ein erstaunliches Gespür für die Stimmung.

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