TV-Talk bei Günther Jauch "Wir schütten jetzt das Füllhorn aus"
Berlin · Mehr Altersunterschied war nie bei Jauch: Zwischen 27 und 79 Jahren waren seine Gäste alt. Und das war gut, denn man stritt über ein Generationenthema: die Rente. Mit dabei, die Jüngste und streitbar: RP-Redakteurin Jasmin Buck.
Die Rente mit 63 ist da — in der vergangenen Woche hat die Große Koalition ihr Rentenpaket beschlossen. Und schon in diesem Jahr werden, das haben Experten berechnet, wahrscheinlich bis zu 200.000 Menschen diese Gelegenheit nutzen. Das kostet Milliarden und es stellt sich die Frage, ob diese Art von Rentenpolitik passt — zu einer deutlich längeren Lebenserwartung der Deutschen, beispielsweise. Müssten sie, wenn sie länger leben, nicht auch länger arbeiten? Oder zu einem heraufziehenden Fachkräftemangel, den zu mildern die Erfahrung der älteren Arbeitnehmer beitragen könnte.
Ist die Rente mit 63 also zeitgemäß? Oder sollten Rentner nicht doch besser weiterarbeiten können? "Die Rentner der Zukunft — Arbeit statt Ruhestand?" hatte Günther Jauch seine Sendung vom Sonntagabend deshalb überschrieben.
Mit ihm diskutierten in der Live-Sendung Ralf Stegner, SPD-Vizechef, Norbert Blüm (79, CDU), der 16 Jahre lang Arbeitsminister war und den Satz "Die Renten sind sicher" prägte, Herbert Walter, Ex-Chef der Dresdner Bank, die Journalistin und Autorin Margaret Heckel und als jüngste Teilnehmerin Jasmin Buck (27), Redakteurin bei der Rheinischen Post.
Buck (von ihr erschien die Analyse "Meine Generation hat keine Lobby" in der RP und auf RP Online) beschrieb die Situation ihrer Generation als sorgenreich: Wie lange man arbeiten müsse, ob die Rente dereinst zum Leben reichen werde — das seien Fragen, die "jeden von uns umtreiben", sagte sie. Sie müsse damit rechnen, auch bis 69 arbeiten zu müssen — und könne sich das sogar vorstellen. Allerdings erwarte sie von Gesetz- und Arbeitgebern auch mehr Flexibilität: Warum nicht die Lebensarbeitszeit herauf-, die Arbeitsstunden beispielsweise heruntersetzen, vor allem in der für junge Menschen entscheidenden Phase zwischen 25 und 40 Jahren, der "Rush Hour", in die neben dem Berufseinstieg zumeist auch die Familienplanung fällt?
Keine Chance, ließ Margaret Heckel durchblicken: Zumindest zurzeit besteht für solcherlei Gedankenspiele kein politischer Spielraum, findet die Autorin. "Die Große Koalition hat den demographischen Wandel noch nicht begriffen", sagte sie. "Wir waren auf einem guten Weg mit der Rente mit 67, jetzt wird alles zurückgerollt." Das sei ungerecht — vor allem gegenüber der jungen Generation, die das bezahlen müsse.
Das sieht auch Ex-Bankchef Herbert Walter so: "Wir schütten jetzt das Füllhorn aus, wo die Kassen voll sind." In einigen Jahren jedoch, wenn der demographische Wandel greift, werde man heftige Finanzierungsprobleme bekommen. Er mahnte deutlich eine "weitsichtigere Politik" an.
"Das Rentenpaket ist ein Wahlgeschenk", stellte Margaret Heckel trocken fest. Das kassierte Vize-SPD-Chef Ralf Stegner: Es sei kein Wahlgeschenk, sondern "Glaubwürdigkeit", konterte er. "Man macht nach der Wahl das, was man vor der Wahl angekündigt hat."
Überhaupt sei die Rente keine "Sozialleistung nach Kassenlage", sondern ein Ertrag aus Lebensleistung. Er wolle niemanden zwangsweise in Rente schicken, der noch arbeiten wolle. Ihm gehe es darum: "Wenn jemand kann und will, dann soll er dürfen — aber nicht müssen, wenn er nicht mehr kann."
Die Realität in deutschen Unternehmen sieht anders aus: Arbeitnehmer müssen oft zum vorgesehenen Stichtag in Rente gehen, obwohl sie noch arbeiten wollten. Ihnen verbietet zwar der Gesetzgeber nicht, weiterzumachen — allerdings stellen sich die Arbeitgeber oft quer: Denn sie dürfen die Arbeitsverträge von Rentnern nur unbefristet weiterlaufen lassen, eine Befristung ist gesetzlich verboten. Für sie bliebe dann nur zu hoffen, dass der Arbeitnehmer irgendwann von selbst geht, wenn seine Leistung nachlässt. Und dazu kommt: Ältere Arbeitnehmer sind in der Regel auch teurer als jüngere.
Eine Umfrage habe außerdem ergeben, das Arbeitgeber in der großen Mehrheit von ihren Mitarbeitern erwarten, bis zum letzten Tag vor der Rente voll zur Verfügung zu stehen. Die Arbeitnehmer wiederum gaben großenteils an, sich eine Teilzeitregelung zu wünschen. "Das", stellte Norbert Blüm in der Runde fest, "das haben wir noch nicht hinbekommen." Die Versuche, solch eine Regelung wirksam einzuführen, seien gescheitert. Dabei sei ein sanfter Übergang vom Arbeits- ins Rentnerleben für die meisten Menschen, aber auch für die Unternehmen erstrebenswert.
Im Übrigen verteidigte Blüm die gesetzliche Rente auch ein weiteres Mal: Andere Rentensysteme könnten nicht die Sicherheit herstellen, die die gesetzliche Rente in Deutschland darstelle. Aber: Die jüngere Generation müsse mehr bezahlen. "Das ist klar."
Jasmin Buck appellierte gegen Ende der Sendung an die Politiker: "Ich hoffe, dass sich die Politik auch um die junge Generation kümmert." — "Das tut sie", versprach Ralf Stegner.
Buck sah nicht so aus, als glaube sie ihm das.