Heribert Schwan zu Gast beim ARD-Talk Wie Jauch es verpasste, den Kohl-Biografen in die Mangel zu nehmen

Berlin · Er saß da und musste sich immer wieder verteidigen – und es gelang ihm mit Erfolg. Heribert Schwan, Ex-Biograf von Altkanzler Helmut Kohl und Autor des umstrittenen Buches "Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle", hat den ARD-Talk bei "Günther Jauch" nach Punkten gewonnen – allerdings ein äußerst unsympathisches Bild abgegeben.

 Günther Jauch (rechts) und sein Gast Heribert Schwan.

Günther Jauch (rechts) und sein Gast Heribert Schwan.

Foto: ARD

Er saß da und musste sich immer wieder verteidigen — und es gelang ihm mit Erfolg. Heribert Schwan, Ex-Biograf von Altkanzler Helmut Kohl und Autor des umstrittenen Buches "Vermächtnis — Die Kohl-Protokolle", hat den ARD-Talk bei "Günther Jauch" nach Punkten gewonnen — allerdings ein äußerst unsympathisches Bild abgegeben.

Wieder einmal hat Günther Jauch es in seinem Talk am Sonntagabend zugelassen, einem umstrittenen Gast eine große Bühne zur Vermarktung seiner Sache zu bieten, anstatt ihn vor einem Millionen-Publikum in die Mangel zu nehmen. Vor zwei Wochen tanzte Islam-Prediger Abdul Adhim Kamouss ihm auf der Nase herum, nun gelang es Journalist und Autor Heribert Schwan, sich immer wieder aus der Frage nach der moralischen Vertretbarkeit der Veröffentlichtung des Buches mit den brisanten Kohl-Zitaten zu winden.

Erst als der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber, der über Jahrzehnte mit Kohl zusammengearbeitet hatte, sich über das Verhalten Schwans echauffierte, wurde es spannend. "Helmut Kohl öffnet sich voll und ganz einem Ghostwriter", holte der 73-Jährige aus und verurteilte Schwans Verhalten. "Ich halte es für extrem unanständig, einen Vertrauensverstoß." Und dann stelle man das Buch noch hin als Kohls Vermächtnis. "Das ist für mich die deutsche Einheit und die Integration Europas", sagte er mit der ihm typischen Inbrunst, "und es sei nicht das, was in dem Werk zu lesen ist."

Juristisch, das betonte Schwan auch bei Jauch immer wieder, sei ihm überhaupt nichts vorzuwerfen. Das sieht auch das Kölner Landgericht so, vor dem Kohls Anwälte mit der einstweiligen Anordnung gegen die Verbreitung des Buchs, das sich mittlerweile mehr als 100.000 Mal verkauft hat, gescheitert waren. Nun versuchen die Juristen immerhin, 115 Passagen schwärzen zu lassen.

"Ich argumentiere in erster Linie moralisch", sagte Stoiber, und traf damit den wunden Punkt. "Sie machen es aus ökonomischen Gründen. Sie verstoßen gegen das grundsätzliche Vertrauen, das Kohl Ihnen gegeben hat. Es ist nicht ihr Vermächtnis, es ist Helmut Kohls Vermächtnis. Sie können nicht einfach dahergehen, und unter diesen Umständen veröffentlichen. Und Sie verkaufen es auch noch teuer."

Unmittelbar im Anschluss an dieses Argument gelang es Jauch als Moderator allerdings nicht, Schwan aufs Kreuz zu legen. Der Autor wirkte angeschlagen und teilte zunächst, wie schon zuvor gegen Kohl-Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner, auch gegen den CSU-Mann weiter aus ("In den 600 Stunden Aufzeichnungen ist Ihr Name kein einziges Mal aufgetaucht, so wichtig scheinen sie nicht gewesen zu sein für Helmut Kohl").

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Auf Jauchs Frage, warum er das Buch trotz moralischer Bedenken veröffentlicht habe, wich Schwan jedoch erneut geschickt aus. "Es gibt zwei Ebenen, die eine ist die moralische, die andere ist die juristische. Fangen wir mit der juristischen Ebene an", sagte er — und kam auf die moralische Ebene gar nicht mehr zu sprechen. Der Ghostwriter von drei Bänden mit Memoiren von Kohl verlor sich wieder darin, seine Arbeit toll zu finden. Acht Jahre habe er an dieser Sache gearbeitet, sich nicht nur durch 600 Stunden Tonband-Aufzeichnungen von gemeinsamen Treffen gearbeitet, sondern durch 16 Jahre Kabinetts-Protokolle während der Kanzlerschaft Kohls (1982 bis 1998) sowie alle Stasi-Akten.

"Wie dumm war es, den Vertrag zu kündigen?"

Die moralische Ebene und die Antwort auf Jauchs Frage nach dem Vertrauensbruch lässt er — natürlich — außen vor, und teilt lieber weiter aus: so wie gegen Kohls 33 Jahre jüngere Ehefrau Maike Richter-Kohl. "Wie dumm war es, den Vertrag zu kündigen?", sagte Schwan ob des 2009 beendeten Vertrags-Verhältnisses zwischen ihm und Kohl, auf das er seine komplette Argumentation stützt. Denn: Ab der Kündigung des Vertrags habe er gewusst, dass er vertraglich zu nichts mehr verpflichtet sei, sei er ja ohnehin nie gewesen, denn wenn er hätte schweigen müssen wie ein Grab, dann wäre es auch nie zu einer Zusammenarbeit zwischen dem Journalisten und dem Politiker gekommen.

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Nun beließ es Jauch allerdings dabei und hakte nicht nach, um endlich die Antwort auf die Frage zu bekommen, wie es denn um die Moral Schwans in der Causa Kohl stehe, sondern nutzte die Erwähnung von Maike Richter-Kohls Namen, um galant zu Brigitte Seebacher, Witwe von Altkanzler Willy Brandt, überzuleiten.

Ein grober Fehler. Denn Seebacher fand das Vorgehen von Schwan zwar verständlicherweise "unterirdisch", schwelgte allerdings anschließend in Erinnerungen, wie gut sich Brandt (Kanzler von 1969 bis 1974) und Kohl doch verstanden hätten, und wie Kohl bei einem Besuch in ihrem Hause kurz vor dem Tod ihres Mannes im Jahr 1992 seinen Arm um Seebacher gelegt habe und ihr seine privaten Nummern gegeben habe. Sie könne sich jederzeit bei ihm melden.

Schwan hielt sich anschließend schlauerweise bedeckt, und ließ, um nicht noch einmal in die Verlegenheit zu kommen, auf den moralischen Aspekt der Veröffentlichung des Buches (an dem er zusammen mit Tilman Jens gearbeitet hat) zu antworten, lieber Seebacher, Nikolaus Blome aus der Chefredaktion des "Spiegel" und Holthoff-Pförtner reden.

"Ich hatte das Hoheitswissen"

Dabei hallten beim Zuschauer noch immer die Worte Schwans nach, als er sich einmal fast in Rage geredet hat — und vermutlich die wahren Beweggründe für die Veröffentlichung des Werks offenbarte. "Ich hatte das Hoheitswissen", fuhr Schwan aus. "Wie konnte die damalige junge Frau an seiner Seite mir kündigen, und glaubte, den Ghostwriter austauschen zu können?", fragte er lächelnd, und es wirkte, als gehe es ihm nicht um das Vermächtnis Kohls, als vielmehr um Genugtuung gegenüber der zweiten Ehefrau des Altkanzlers.

Wer heute einen vierten Band schreiben wolle, der müsse all das lesen, was er, Schwan, doch schon alles gelesen habe, wodurch er sich acht lange Jahre durchgearbeitet habe. Die Kündigung des Vertrags von Seiten der Kohls "war eine Dummheit" — und für diese, so wirkte es, will Schwan zu seinen persönlichen Gunsten die Familie nun büßen lassen. Dem nicht energisch genug nachfragenden Jauch ist es zu verdanken, dass das nicht noch deutlicher wurde.

(spol)
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