TV-Talk "Hart aber fair" "Ein Krankenhaus darf kein Profitcenter mit Gewinnmargen sein"

Düsseldorf · Mehr Keime als Personal – werden deutsche Krankenhäuser kaputt gespart? Gesundheitsexperten haben bei "Hart aber fair" über Risiken in den Kliniken und den enormen Druck auf das Personal diskutiert.

Mehr Keime als Personal — werden deutsche Krankenhäuser kaputt gespart? Gesundheitsexperten haben bei "Hart aber fair" über Risiken in den Kliniken und den enormen Druck auf das Personal diskutiert.

Darum ging's

"Jeder Klinikaufenthalt könnte zur tödlichen Falle werden", lautet die Warnung einer Krankenschwester. Frank Plasberg will mit Experten und Politikern diskutieren, ob Hygiene und Pflege in Deutschen Krankenhäusern am Zwang zum Sparen leiden. Er will auch wissen, ob in privaten Häusern zu viel operiert wird, damit die Kasse stimmt.

Darum ging's wirklich

Deutlich wurde, wie enorm der Druck ist, unter dem Pfleger und Schwestern in Krankenhäusern arbeiten. Vor allem seit Patienten nach "Fallpauschalen" (und nicht Liegezeiten) abgerechnet werden, hätten sich Belastung und Bürokratie erhöht. Ein Politiker, ein Journalist, ein Arzt, eine Fachschwester und der Präsident der Krankenhausgesellschaft diskutieren die Zusammenhänge zwischen Überarbeitung der Fachkräfte, Personalmangel und den Risiken, die daraus für Patienten entstehen können.

Die Gäste

  • Hermann Gröhe, Bundesminister für Gesundheit, CDU
  • Reinhold Beckmann, "Sportschau"-Moderator und Autor der ARD-Dokumentation "Beckmann: Tödliche Krankenhauskeime"
  • Jana Langer, OP-Fachkrankenschwester
  • Prof. Dr. Ulrich Hildebrandt, Chirurg und ehemaliger Krankenhaus-Chefarzt
  • Thomas Reumann, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)

Frontverlauf

OP-Fachschwester Jana Langer beschreibt die Situation in Krankenhäusern, die seit Einführung der Fallpauschalen noch schlimmer geworden sei. Sie spricht von einer "tödlichen Falle", zu der Krankenhäuser werden könnten, und fordert Politik und Verwaltung auf, die Situation zu verbessern. Reinhold Beckmann und Prof. Hildebrandt stimmen in ihre Kritik ein. Minister Gröhe betont, die lauter werdenden Rufe der Pfleger würden ernst genommen. DKG-Präsident Thomas Reumann macht Personalmangel als Grund für viele Mängel aus.

"Das System funktioniert nicht", kritisiert die Ulmer OP-Schwester Langer mit Verweis auf die Fallpauschalen-Abrechnung. "Krankenhäuser nehmen sich gegenseitig Patienten weg." Sie arbeiteten wie Fabriken, in denen ein Patient vor allem Geld bringen muss. Dieser Kostendruck erschwere das Arbeiten für alle Beteiligten.

Zugleich würden die Risiken erhöht, weil das Personal seine Arbeit nicht mehr sorgfältig genug erledigen könne. TV-Moderator und Gast Reinhold Beckmann berichtet von seinem Bruder, der nach einer Lungentransplantation an einer durch Keime verursachten Infektion starb. Beckmann hat darüber eine Dokumentation gedreht. Genaue Zahlen sind demnach schwer zu ermitteln. Laut Robert Koch Institut gebe es jedoch im Jahr jährlich 600.000 Krankenhaus-Infektionen mit 15.000 Todesfällen.

Keime im Krankenhaus

Verwaltungsmann Reumann hält dagegen, die Patientensicherheit habe sich in den letzten Jahren verbessert und die Zahl der Keiminfektionen sei deutlich reduziert worden. Er räumt ein, der Druck auf Mitarbeiter sei schlecht, betont aber, wie gut Patienten nach wie vor in deutschen Krankenhäusern aufgehoben seien. Auch er kämpfe für mehr Personal, das es allerdings einfach nicht gebe. "Wir könnten sofort 6000 bis 10.000 neue Stellen besetzen, wenn wir die Pflegekräfte hätten."

Minister Gröhe weist darauf hin, dass es im Moment einen Ausbildungsrekord gebe und 830 Millionen Euro für ein Pflegeförderprogramm bereitgestellt seien. Zudem arbeite man daran, Untergrenzen für Personal in den Stationen festzulegen.

Beckmann kritisiert die Personalsituation: "Der Pflegeschlüssel ist so miserabel, oft nicht einmal festgelegt und gerade auf Intensivstationen nicht akzeptabel. Da sind Fehler unvermeidbar. Es wird mehr operiert, aber Personal wird abgebaut."

Frank Plasberg belegt Beckmanns Vorwurf mit Zahlen, nach denen es heute 30.000 Pflegekräfte weniger gibt als noch vor 20 Jahren. Während in Deutschland eine Schwester für 13 Patienten zuständig ist, muss sich in Norwegen ein Pfleger nur um fünf Patienten kümmern.

Eine Schwester für 13 Patienten

Fachschwester Jana Langer bestätigt die Zahlen: Sie sei heute für 13 Patienten zuständig. Als sie vor 20 Jahren den Beruf einstieg, waren es acht. Zudem nehme Bürokratie einen immer größeren Teil ihrer Arbeitszeit ein: "Wir dokumentieren uns einen Wolf!" klagt sie. Allein für eine kleine OP von etwa einer halben Stunde, dokumentiere sie fast 15 Minuten lang, halte jedes Detail fest. In dieser Zeit könne sie sich nicht um den Patienten kümmern, sondern hetze zwischen Bett und Computer hin und her. "Wie soll ich mit all den neuen Anforderungen und Gesetzen, die Sie, Herr Gröhe, mir als Steine in den Weg legen, noch vernünftig arbeiten?"

Minister Gröhe wehrt sich gegen die Kritik: Auf der einen Seite sorge man sich um Keime, beschwere sich dann aber darüber, dokumentieren und analysieren zu müssen — das passe für ihn nicht zusammen. Die Dokumentation sei eine Qualitätssicherung. Unnütze Bürokratie abzuschaffen sei nötig. Aber vieles, etwa die Meldepflicht für Keime, sei sinnvoll.

Chirurg Hildebrand erklärt, über die Systematik der Hygiene in Krankenhäusern müsse geredet werden. Nur in Häusern ab 400 Betten sei per Gesetz ein Hygienesachverständiger erforderlich. Allerdings hätten nur 400 der 2000 deutschen Krankenhäuser mehr als 400 Betten und haben daher so einen Sachverständigen. Als Arzt sei er für Hygiene mitverantwortlich, würde er sich über Zustände beklagen - etwa über mangelhafte Reinigung, die häufig als "patientenferne Leistung" ausgelagert sei - habe er allerdings selten bei der Klinikverwaltung Erfolg.

Jeder weiß um Hygiene - keiner desinfiziert

Interessant: Eine Film zeigt, wie gut Besucher von Krankenhäusern über die Bedeutung von Hygiene Bescheid wissen. Kaum jemand benutzt allerdings die einfachen Desinfektions-Sprühanlagen in den Krankenhauseingängen.

Minister Gröhe verweist auf die geplanten Mindestpersonalzahlen. Bis Ende des Jahres sollten sich Kassen und Krankenhäuser auf diese Zahlen einigen, anschließend werde das Ministerium sie gesetzlich festlegen. Für Professor Hildebrandt ist das nicht der richtige Weg: "Warum überlassen Sie es Kassen und Institutionen sich zu einigen, und entscheiden das nicht selbst?"

Zuletzt geht es darum, was die 35 Prozent der deutschen Krankenhäuser in privater Trägerschaft eventuell besser machen. Denn dort würden jährlich 820 Millionen Euro Gewinne eingefahren. Reinhold Beckmann warnt: "Ein Krankenhaus darf doch kein Profitcenter mit Gewinnmargen werden."

Reumann verteidigt die hohen Einnahmen der Kliniken, die schlicht viel Geld für Infrastruktur und Modernisierungen benötigten. Gröhe warnt vor vereinfachten Schlüssen, es gebe gute und schlechte Krankenhäuser in jeder Trägerform. Möglicherweise könne man einfach nicht alle Krankenhäuser, die mit Verlusten arbeiten erhalten. Frank Plasbergs Team weist auf einen Kliniksimulator hin, der Aufschluss zu Zahlen und Verteilung der Krankenhäuser gibt.

(juju)
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