TV-Talk "Hart aber fair" "Die SPD hat da einen Goldbarren verschenkt"

Düsseldorf · Hat Martin Schulz noch eine Chance? Bei "Hart aber fair" sind die Gäste nicht sicher, ob der SPD-Kandidat die Bürger im Land wirklich erreicht. Kanzlerin Merkel kritisieren einige in der Runde als gestrig.

Hannelore Kraft nach SPD-Niederlage bei Martin Schulz in Berlin
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Kraft nach SPD-Niederlage bei Schulz in Berlin

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Foto: dpa, fis htf

Darum ging's

Hat Kanzlerkandidat Martin Schulz nach den Niederlagen der SPD bei drei Landtagswahlen keine Chance mehr? Frank Plasberg wollte in der Talkrunde "Hart aber fair" wissen, ob das Rennen zwischen Schulz und Merkel schon entschieden ist. Er wollte mit seinen Gästen einen Blick darauf werfen, was in NRW für die SPD falsch lief und daraus Schlüsse ziehen, um welche Inhalte es nun im Bundestagswahlkampf gehen sollte.

Darum ging's wirklich

Die Runde betreibt etwas Ursachenforschung zum Wahlausgang in NRW, beleuchtet aber vor allem die Stimmung in der Bundesrepublik. Zwei Journalisten, zwei Politiker und ein Schauspieler sind nicht der Ansicht, dass die Bundestagswahl schon gelaufen ist, sie halten Martin Schulz' Perspektiven jedoch überwiegend nicht für rosig. Sie sprechen über Bildung und Sicherheit, nehmen Schulz' Persönlichkeit ins Visier und fragen nach, wie wichtig dessen Lieblingsthema "Gerechtigkeit" den Deutschen eigentlich wirklich ist.

Die Gäste

  • Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsvorsitzender
  • Markus Söder, Bayerischer Staatsminister, CSU
  • Ulrich Matthes, Schauspieler
  • Christiane Hoffmann, Journalistin, stellvertretende Leiterin des Spiegel-Hauptstadtbüros
  • Hajo Schumacher, Journalist und Moderator

Frontverlauf

Frank Plasberg lobt die NRW-Wahl als ein Hoch der Demokratie — dank hoher Wahlbeteiligung, konsequenter Rücktritte und klarer Ansagen. Dann lädt er ein zur Trauerarbeit für Martin Schulz und lässt Berliner Passanten befragen, wie sie den SPD-Kanzlerkandidaten nach den schlechten Ergebnissen wieder aufbauen würden. Viel Zuversichtliches haben die befragten Hauptstädter allerdings nicht zu sagen.

Im Studio sind Schauspieler Ulrich Matthes und Fraktionsvorsitzender Oppermann für die optimistische Note zuständig. Matthes glaubt trotz der Schlappe an die "Kraft der Sozialdemokratie" und nennt die SPD eine "Partei der Empathie", die jedem Land gut tue. Journalistin Hoffmann analysiert Ursachen, Schumacher kommentiert und Markus Söder kritisiert NRWs "Chaos bei der inneren Sicherheit" und gibt Parolen der Stärke aus: "Wir wollen uns nicht zurücklehnen, aber Schulz ist nicht der Richtige."

Christiane Hoffmann wundert sich, wie stark sich die Stimmung auch in der SPD gewandelt habe, seit Martin Schulz Kanzlerkandidat geworden sei, und fragt sich, wieso die Partei sein Potential nicht genutzt habe. "Die Partei hatte da praktisch einen Goldbarren in der Hand und hat ihn verschenkt", sagt sie und wundert sich, warum die SPD aus der frischen und "demokratischen Alternative zu Merkel" nichts gemacht habe. Schumacher hält Schulz weniger für einen Goldbarren, er kritisiert ihn als "ein Soufflee, das jetzt in sich zusammengefallen ist".

SPD-Mann Oppermann will derlei nicht hören, für ihn ging es in NRW klar um Landespolitik. Er erinnert daran, wie sehr Schulz die politische Szene belebt habe und eine Zeit lang in Umfragen sogar Merkel überholte. Er räumt aber ein: "Dieser schnelle, fast kometenhafte Aufstieg ist kein normales Wachstum, so schnell kann Vertrauen nicht wachsen." Seiner Ansicht nach gibt es jedoch eine große Zahl von Bundesbürgern, die Merkel als gut für die Vergangenheit, aber nicht geeignet für die Zukunft ansähen.

Kann Schulz die Bürger erreichen?

Interessant sind die Antworten auf Plasbergs Frage, ob Martin Schulz' Themen und Inhalte eigentlich beim Bürger ankommen: Bezahlte Kita, Vermeidung von Teilzeitfallen, die Abschaffung sachgrundloser Befristung werden genannt. Journalistin Hoffmann kritisiert, Schulz' Maßnahmenkatalog wirke "wie auswendig gelernt". Sie ist der Ansicht, dass auch wenn Schulz das Wort "Gerechtigkeit" oft wiederhole, die Bürger nicht wirklich erkennen würden, welche Gerechtigkeit für wen er da meine.

Sie hätten einfach kein klares Bild von dem Mann. "Deutsche werden niemanden wählen, den sie nicht erkennen können." Auch Hajo Schumacher findet, Schulz wirke nicht wirklich überzeugend. "Das Versprechen von Chancen-Gerechtigkeit wurde nicht eingelöst, das funktioniert nur über gute Bildungspolitik", so der Journalist, genau die aber fehle in NRW.

Steuereinnahmen nicht per Gießkanne verteilen

Frank Plasberg will von seinen Gästen wissen, wie die 54 Milliarden Euro zusätzlichen Steuereinnahmen der nächsten fünf Jahre verteilt werden sollen. Für Oppermann haben Investitionen den Vorrang. Erst wenn die geleistet seien, könne man an Steuersenkungen denken, aber nicht mit der Gießkanne.

Die SPD wolle Normalverdiener unterstützen, etwa die paritätische Krankenversicherung wieder einführen. Söder will Steuersenkungen und hält den Abbau des Solidaritätsbeitrags für richtig. Ulrich Matthes indes meint, dass Geld für die Integration von Flüchtlingen ausgegeben werden muss, und bricht eine Lanze für Europa: Deutschland könne gut etwas "nationalen Egoismus" und Finanzhoheit abgeben.

Das ist Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat 2017
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Das ist Martin Schulz

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Ein Stichwort, dass Oppermann gefällt: "Wir müssen ohne erhobenen Zeigefinger mit Macron zusammenarbeiten." Er lobt dessen Plan eines Budgets für die Eurozone aus. Gespeist werden könne es durch Finanztransaktionssteuern: "Ein Eurozonenbudget kann Schwankungen ausgleichen und für mehr Investitionen sorgen", sagt der SPD-Mann und nennt das eine riesige Chance für Europa, die man nicht mit einer Krämerseele ansehen dürfe.

Stimmung kann schnell wechseln

Dann geht es wieder um die Stimmung im Land. Christiane Hoffmann erinnert daran, dass es auch schon mal eine Merkel-Müdigkeit gab. "Das Schulz-Hoch zu Beginn seiner Kandidatur hat gezeigt, es gibt in Deutschland Potential für eine Wechselstimmung, und das kann für die Kanzlerin kritisch werden", sagt die Spiegel-Journalistin.

In ihren Augen könne auch Merkels eher moderierender, weiblicher Führungsstil passé sein. "Vielleicht gibt es, wie anderswo in Europa, eine Sehnsucht nach einem Stil, der vitaler, visionärer und mutiger ist." In Frankreich sei so ein Stil im Kommen, im Vergleich damit wirke die Kanzlerin zuweilen wie eine Figur von Gestern. Kollege Schumacher ist sich über diese Stilnoten nicht so sicher und erinnert: "Frau Merkel kann auch einen ausgemachten Killerinstinkt entwickeln."

(juju)
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