"Hart aber Fair" Amazon-Kritiker Günter Wallraff wird ausgebremst

Düsseldorf · Günter Wallraff ist derzeit ein beliebter Interview-Gast. Zuletzt hatte er durch den aufgedeckten Burger-King-Skandal für mediales Echo gesorgt. Und am Montagabend erhoffte sich wohl das Redaktions-Team der ARD selbiges für die neue "Hart aber Fair"-Sendung. Der Online-Handel – Amazon und Co. – sollte unter der lyrischen Überschrift "Süßer die Kunden nie klicken" kritisch beäugt werden.

 Günter Wallraff bei "Hart aber Fair".

Günter Wallraff bei "Hart aber Fair".

Foto: Screenshot ARD

Günter Wallraff ist derzeit ein beliebter Interview-Gast. Zuletzt hatte er durch den aufgedeckten Burger-King-Skandal für mediales Echo gesorgt. Und am Montagabend erhoffte sich wohl das Redaktions-Team der ARD selbiges für die neue "Hart aber Fair"-Sendung. Der Online-Handel — Amazon und Co. — sollte unter der lyrischen Überschrift "Süßer die Kunden nie klicken" kritisch beäugt werden.

Doch in der Sendung entgingen dem Zuschauer immer wieder wichtige Fakten, die ein genaueres Bild über die Hintergründe von Paketzustellern und Lager-Arbeitern gegeben hätten. Auch weil Wallraff immer wieder gebremst wurde und letztlich sogar kapitulierte.

Wieder wollte der Enthüllungsjournalist auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter bei Amazon und weiteren Online-Großhändlern hindeuten, und wieder wurde der 72-jährige Mann unterbrochen. Und dieses Mal ganz bestimmt von Moderator Frank Plasberg persönlich: "Lassen sie es mal bleiben", fuhr er Wallraff ins Wort.

Nicht die erwartete Wallraff-Show

Er verstummte, tiefe Falten zogen sich plötzlich über seine Stirn, er griff zum wiederholten Male zu seinem Schreibutensil, trommelte mit seinen Fingern darauf herum — Wallraff kochte innerlich vor Wut: Es war für den Zuschauer nicht zu übersehen, dass er sich in der Runde nicht wohl fühlte. Zwischen einem Vertreter der Onlinehändler, der für schlechte Arbeitsbedingungen immer eine passende Ausrede parat hatte, einem Professor, der von der neuen Macht des Kunden schwärmte, einer Buchautorin, die keine Hemmungen hat, Literatur Online zu kaufen und sogar einem Einzelhändler, der offenbar dem Druck von Amazon und Co. standhalten und noch über die fragwürdige Steuerpolitik Amazons witzeln kann.

Nein, es war nicht die Wallraff-Show, die die Zuschauer wohl erwartet haben. Schon zu Beginn fuhr ihm Gero Furchheim, Präsident des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel, dazwischen. "Die Mitarbeiter arbeiten bis zu 16 Stunden täglich, schieben Überstunden am Sonntag, stehen permanent unter Zeitdruck und haben am Ende vielleicht drei, vier Euro", zählte Wallraff noch auf. Später sprach er noch von "Menschen als Unterware". Doch Furchheim, Vertreter von Online-Größen wie Tchibo oder Otto, brauchte nur wenige Worte und watschte Wallraff ab: "Der Online-Versandhandel ist eine fantastische Erfindung", konterte er, und verwies auf eine Studie der Stiftung Warentest, die belegen sollte, wie sehr sich die unethischen Verhältnisse doch zuletzt bei den "Global Playern", sprich bei den großen Versandhändlern wie Amazon, Zalando und Co. gebessert hätten.

Wallraffs Einwurf: "Das ist bloß eine Werbeaktion", es gebe keinen wirklichen Mindestlohn, weil getrickst werde, verblasste allerdings. Dabei muss es Wallraff wissen. Jahrelang war er als Undercover-Journalist bei Online-Versandhäusern tätig, er weiß um den Druck, der auf Paketzusteller und Lagermitarbeiter ausgeübt wird. Doch seine Meinung schien nicht wichtig.

"Beratungsklau" im Einzelhandel

Viel mehr zeigte sich, dass jeder der geladenen Gäste dem Mann die Grenzen aufzeigen wollte. Die Buchautorin Amelia Fried bemängelte Wallraffs Einwurf, dass Online-Händler auch für die Büchereien in Innenstädten eine Gefahr darstellen. "Ich denke das Buchhandlungs-Ketten wie Thalia vielmehr Konkurrenz machen", konterte sie Wallraff. Der Ulmer Einzelhändler Hermann Hutter konnte zumindest zu Beginn noch Wallraffs Sorgen bestätigen. "Kunden kommen zu uns, lassen sich stundenlang den Vollautomaten zeigen, trinken sogar den Kaffee und gehen dann nach Hause, um das Gerät im Internet zu bestellen", erklärt der Geschäftsmann.

Dieser Beratungsklau sei weder gut fürs Geschäft noch fürs Gemüt seiner Mitarbeiter, müsse der Einzelhandel sich doch genau durch diesen Service vom Internethändler unterscheiden. Gerrit Heinemann, Professor für Handel und Management an der Hochschule Niederrhein (in Mönchengladbach) sieht in dem Fall aber den Fehler bei Einzelhändler: "Sie dürfen den Kunden in dem Moment nicht gehen lassen", sagte Heinemann und schlug vor, per E-Mail in Kontakt zu bleiben und Coupons anzubieten.

Ob das den Kunden allerdings davon abhält, doch im Internet zu kaufen, bleibt fraglich. Einzelhändler Hutter sieht sich aber gestärkt im Wettkampf gegen das Internet, spricht von neuen Ideen, die man sich stets überlegen müsse und kann sich letztlich sogar einen Seitenhieb auf Amazon nicht verkneifen. "Ich zahle normale Steuern in Deutschland. Nicht so wie Amazon, das nur einen Prozent in Luxemburg zahlt", sagte er und lachte. So könne er wenigstens gut schlafen.

Plasbergs peinliche Sekunde

Plasberg, der besonnen durch die ruhige Runde moderierte, wollte mit einem einfachen Beispiel das Thema schlechte Bezahlung zwar wieder aufgreifen, sein Beispiel formulierte er aber äußerst unglücklich: "Ich habe Zuhause vier Pakete bestellt, drei kamen heute, zwei Paketzusteller waren schwarz".

Plasbergs Logik: Daran könne man erahnen, wie schlecht die Paketzusteller bezahlt werden. "Weil sie schwarz sind?", fragte die Runde geschlossen und Plasberg ruderte schnell zurück, entschuldigte sich für die simple Darstellung und versuchte es noch einmal — sprach von günstigen Arbeitskräften, die aus dem Ausland angeheuert werden — Verträge unterschreiben, obwohl sie die Sprache nicht verstehen.

Erst zum Ende durfte sich Wallraff bestätigt fühlen. Als er in der Sendung anmerkte, dass Amazon mit der "Allmachtsphantasie" zu einem unaufhaltbaren Monopol anwachse, blieben die Reaktionen noch verhalten. Doch allein das Beispiel, dass Wallraff juristisch dagegen vorgeht, dass seine Bücher bei Amazon angeboten werden, aber es trotzdem nicht gänzlich verhindern kann, beweist die Macht des Konzerns. Zumindest Gerrit Heinemann, der Wallraff Aussagen zuvor noch als polemisch und unfair bezeichnete, merkte im Schlusswort an: "Ich verstehe auch nicht, warum da das Kartellamt nicht einschreitet."

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