Flüchtlingstalk bei "Hart aber fair" "Die Lage ist einfach bitterernst"

Düsseldorf · Nur anfangs spricht Frank Plasberg mit seinen Gästen über die Vorfälle in Clausnitz und Bautzen, doch lieber will er Merkels Flüchtlingspolitik analysieren. Die Rollen sind klar verteilt, und ein wenig wird auch gekeilt. Am Ende zeigt sich einmal mehr, wie festgefahren die Positionen aller Beteiligten sind. Der Talk im Schnellcheck.

 Frank Plasberg und seine Gäste zum Thema "Kanzlerin der leeren Hände?".

Frank Plasberg und seine Gäste zum Thema "Kanzlerin der leeren Hände?".

Foto: Screenshot ARD

Darum ging's

Schon wer den Titel der Sendung hörte, ahnte, was der TV-Talkabend bringen würde — eine Neuauflage der politischen Flüchtlingsdebatte mit wenig neuen Argumenten. Mit "Merkels Zwischenbilanz: Kanzlerin der leeren Hände?" war die Sendung überschrieben, und man sprach erneut über Obergrenzen, Landesgrenzen, die Türkei. Ein Gast sah nicht nur eine Regierungs-, sondern auch eine Gesellschafts- und Staatskrise.

Die Runde

CDU-Politiker Jens Spahn übernahm die Rolle des Merkel-Verteidigers, Linken-Chefin Katja Kipping wetterte in gewohnter Manier, Professorin Gesine Schwan wirkte wie ihre Partei, die SPD, derzeit ein wenig außen vor. Journalist und CSU-Politiker Wilfried Scharnagl stellte klare Forderungen in Richtung Kanzlerin auf, und Publizist Wolfran Weimer gab den entschiedenen Schwarzmaler.

"Was ist bloß los in diesem Land?", fragte Plasberg zu Beginn der Sendung, um nur kurz darauf direkt die Vorfälle in Clausnitz und Bautzen ansprechen. Denn man könne, sagte der Moderator, "nicht über die Flüchtlingskrise diskutieren, ohne über eine Krise der Menschlichkeit zu reden". Einig war sich die Runde, dass man fremdenfeindlichen Tendenzen scharf begegnen müsse. Katja Kipping, selbst aus Sachsen und lange im dortigen Landtag, warf zudem der dortigen Landesregierung vor, in den vergangenen 25 Jahren nicht genug gegen Rechtsextremismus vorgegangen zu sein. Weimer wiederum erkannte darin ein "größeres Krisensymptom", eine "gesellschaftliche Krise. "Das Land gärt, es leidet", sagt der Publizist — und leitete geschickt zum eigentlichen Thema der Sendung über.

Frontverlauf

Weimer sprach von einer Regierungs- und ja, auch einer Staatskrise in gewisser Weise. "Die Lage ist einfach bitterernst", stellte er fest und konstatierte, dass die Volksparteien durch diese Krise "verletzt, degradiert, und ja auch zertrümmert" seien. Schwan sah diese Spaltung eher nur bei der Union, während Spahn feststellte, dass Deutschland auseinanderdriftet "in einer Geschwindigkeit, die so noch nicht dagewesen ist". Keiner der Gäste mochte also bestreiten, dass es Probleme gibt in der deutschen Politik in Bezug auf die Flüchtlingskrise.

Uneinigkeit herrscht aber erwartbar bei den Lösungen — insbesondere, was die europäische Ebene angeht. So stand Spahn recht alleine da mit seiner Ansicht, der EU-Gipfel sei nur eine Zwischenetappe gewesen und man sei "so nah wie lange nicht mehr" an einer europäischen Lösung. Kipping dagegen glaubte, dass Deutschland jetzt die Quitttung für mangelnde Solidarität in voriger Zeit bekomme. Schwan hingegen wollte die Solidarität von Ländern wie Polen einfach erkaufen. Scharnagl sah nur einen einzigen Ausweg: Klare Worte der Kanzlerin

Der Forderer

Während alle irgendwie noch eine Verhandlungslösung suchten, zeigte sich Scharnagl konsequent und forderte einen direkten Appell der Kanzlerin in Richtung Flüchtlinge und eine "radikale Wende". Für ihn gab es deshalb keine Lösung, weil die anderen europäischen Staaten die Flüchtlingskrise als ein deutsche Problem ansehen würden, weil Merkel gesagt habe, die Flüchtlinge könnten kommen. Seine Lösung: Frau Merkel müsste hingehen und vor allen Medien der Welt sagen, dass sie am 5. September vergangenen Jahres in einer Notsituation gesagt habe, man mache die Grenzen auf. Aber jetzt gehe das nicht mehr. Und deshalb sollte ihr Appell an alle nun sein: "Macht euch nicht auf den Weg. Ihr kommt nicht mehr herein".

Katja Kipping strengte an — weil sie lautstark immer wieder dazwischen redete und die anderen Gäste nicht ausreden ließ. Jens Spahn zeigte sich davon leicht genervt, Scharnagl sagte es ihr einfach direkt ins Gesicht. "Entschuldigen Sie, gnädige Frau, vielleicht lassen Sie mich mal ausreden. Vielleicht ist es bei Ihnen nicht so üblich, bei uns aber schon." Da werde man das auch wohl einfordern dürfen. Dafür bekam der CSU-Mann Applaus — und Kipping hielt sich tatsächlich den Rest der Sendung weitgehend zurück.

Erkenntnis

So festgefahren inzwischen die deutsche und die europäische Politik in Bezug auf die Flüchtlingskrise wirkt, so festgefahren sind auch die Talkshows. Kaum ein Argument, dass nicht schon mal irgendwann irgendwo gefallen wäre. Wirkliche Tiefe lässt auch Plasberg vermissen, und so wirkt seine Sendung wie ein austauschbarer Talk, der auch schon vor Wochen (und vermutlich auch wieder in ein paar Wochen) hätten stattfinden können.

(das)
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