"Hart aber fair" mit Frank Plasberg Von Brandstiftern und Zäunebauern
Berlin · Ein Polizeigewerkschafter fordert die Komplettüberwachung der deutsch-österreichischen Grenze, eine Linkenpolitikerin verteidigt Angela Merkel und Peter Altmaier schaut Fernsehen. Der ganz normale Talk-Wahnsinn zur Flüchtlingskrise bei "Hart aber fair".
Deutschland befinde sich in einem Herbst, der das Land verändere. So bedeutungsschwanger beginnt Frank Plasberg die Sendung am Montagabend. Es ist eine Ausgabe, bei der der Moderator sein Publikum auch mal auffordert, nicht zu klatschen, um gewisse Kommentare wirken zu lassen. "Hart aber fair" widmet sich der Flüchtlingskrise. Es ist keine Premiere für das Format, erst recht nicht für Talkshows im deutschen Fernsehen allgemein. Nur die Besetzung wechselt munter.
Dieses Mal darf einer die Politik Angela Merkels erklären, der nun wirklich an den Hebeln der Macht sitzt. Peter Altmaier (CDU), Kanzleramtschef und oberster Flüchtlingskrisen-Koordinator in Deutschland, will klare Kante zeigen, um damit der Kanzlerin den Rücken zu stärken. Und tatsächlich ist er derjenige in der Runde, der am häufigsten Applaus bekommt. Vielleicht auch weil er häufig der einzige ist, der lösungsorientiert argumentiert. "Wenn es uns gelingen würde, Menschen ohne Bleiberecht abzuschieben, dann hätten wir eine Erleichterung", sagt Altmaier. Und Platz für die, die Hilfe wirklich brauchen. Applaus aus dem Publikum.
Geradezu entrückt wirkt es dann aber, als Altmaier erzählt, er kenne die dramatischen Flüchtlingsszenen aus dem Fernsehen. Wie bitte? Der Satz geht zum Glück für ihn jedoch ein wenig unter.
Man könne den Flüchtlingsstrom nicht abdrehen, wie einen Wasserhahn, sagt Altmaier. Die Regierung sei gewählt, um das zu machen, was jetzt das Richtige sei. Genau wie bei der Agenda 2010 und der Eurokrise. "Alles andere wird bei der nächsten Wahl entschieden." Große Sorgen scheint sich der Kanzleramtschef aber nicht zu machen. Nach den Umfragewerten der CDU würde sich Sigmar Gabriel "die Finger lecken", betont Altmaier.
Zweckoptimismus? So sieht es Politikberater Michael Spreng. Er könne verstehen, dass Angela Merkel sagt, dass man die Situation bewältigen könne. "Ein verantwortlicher Politiker kann nicht sagen: Wir schaffen das nicht. Dann muss er seinen Job abgeben."
Vielleicht ist Merkel auch "alternativlos"? Die größte Oppositionspartei im Bundestag, die Linke, gibt sich bei Plasberg in Person von Sevim Dagdelen handzahm. Die Kanzlerin habe den Mut gehabt, die Banken zu retten. Nun müsse sie auch den Mut haben, die "schwarze Null" nicht mit allen Mitteln aufrecht erhalten zu wollen, sondern das Geld für die Flüchtlingskrise zu nutzen, sagt Dagdelen.
Sogar CSU-Landrat Christian Bernreiter bekommt mehr Sendezeit von Plasberg eingeräumt — und das, obwohl er einfach nur andauernd wiederholt, man müsse schnell handeln, weil die Menschen in der Republik (er meint wohl in Bayern) die Geduld verlieren würden. "Irgendwann ist die letzte Turnhalle gefüllt."
Haudrauf, wie man es von Horst Seehofer kennt, gibt es aus dem Süden dieses Mal kaum. Darum muss der Ministerpräsident in Abwesenheit herhalten. Linkenpolitikerin Dagdelen sagt: "Ich habe den Eindruck, dass es Seehofer darum geht, im einen Wettbewerb mit der AfD zu treten." Das vergifte nur das Klima im Land.
Aber für die kernigen Thesen des Abends sorgt ohnehin jemand anderes als der CSU-Chef. Schließlich hat Plasberg den Polizeigewerkschafter Rainer Wendt eingeladen, der in der Vergangenheit schon einen Zaun an Deutschlands Grenzen gefordert hat und sich jetzt über die Empörung der Menschen empört zeigt. Er habe das Gefühl, man dürfe nicht mal mehr das Wort "Zaun" sagen. "Wir brauchen aber weitere Grenzsicherungsmaßnahmen", sagt Wendt.
Das Bild von Flüchtlingen hinter einem Zaun wolle er dann aber selbst nicht ertragen, stellt der Polizeigewerkschafter noch klar. Manche Kritiker würden auch ein komplett falsches Bild zeichnen. Der Einsatz von Wasserwerfern gegen Flüchtlinge an deutschen Grenzen sei hochgradig absurd. Was aber passiert, wenn Flüchtlinge sich nicht von Zäunen abhalten lassen, sondern einfach darüberklettern? Schaut die Grenzpolizei dann immer noch zu?
Michael Spreng dazu: "Ich fände es gut, wenn Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, in dieser Situation nicht aus Gewerkschaftsinteressen auch noch Öl ins Feuer gießen."
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