"Hart aber fair" Schlagbaum runter, Zäune hoch?

Düsseldorf · Wie lässt sich die Flüchtlingskrise lösen? Droht sogar ein endgültiges Scheitern der europäischen Solidarität? Zu diesen Fragen hatte Frank Plasberg Gäste wie den ungarischen Politiker Gergely Pröhle, Margot Käßmann und Ralf Stegner in seine Sendung eingeladen. Als Stimme der Vernunft gab sich ausgerechnet ein CSU-Politiker.

 CSU-Politiker Markus Söder argumentiert, Politikwissenschaftler Herfried Münkler zeigt sich unbeeindruckt.

CSU-Politiker Markus Söder argumentiert, Politikwissenschaftler Herfried Münkler zeigt sich unbeeindruckt.

Foto: Hart aber Fair / ARD Mediathek

Auch wenn die Stimmen der Politiker fest und ihre Blicke entschlossen waren: Man ahnt, dass hinter den Kulissen durchaus Ratlosigkeit, bei manch einem auch Angst stecken mag. Eine Angst, die von einigen Bürgern angesichts der sich überschlagenden Bilder und Zahlen von über einer Million Flüchtlingen geteilt wird. Erst kennt Asyl keine Obergrenze, dann werden die Grenzen gesichert. Schon mit den ersten Sätzen zeigte Frank Plasberg am Montagabend, wohin die Richtung der neuesten Ausgabe von "Hart aber fair" gehen sollte. Klartext zur Flüchtlingskrise, dazu hatte sich der Moderator unter dem Motto "Schlagbaum runter, Zäune hoch — Panikstimmung in Europa?" durchaus streitbare Gäste eingeladen.

Gergely Pröhle, Staatssekretär der ungarischen Regierung zum Beispiel. Der zeigte sich durchaus erleichtert, dass Deutschland die Grenzkontrollen zumindest vorübergehend wieder einführt, bezeichnete das Durchlassen der Kriegsflüchtlinge als großen Fehler. Klar, dass sich Pröhle in der Runde dafür verteidigen und sich Fragen zur europäischen Solidarität gefallen lassen musste. Ungarns Beitrag zur europäischen Solidarität sei die Sicherung der Schengengrenze, nicht das Aufnehmen von Flüchtlingen, argumentierte der ungarische Politiker. Pröhle fühlt sich anscheinend aber auch in der Offensive pudelwohl. Der Politiker, der auch Landeskurator der evangelischen Kirche in Ungarn ist, konterte Margot Käßman an einem Punkt mit dem Hinweis auf Trennung von Kirche und Staat. Machte dann aber mehr als einmal eine wackelige Figur bei unangenehmen Fragen zu Ungarns Haltung in der Flüchtlingskrise.

Margot Käßman fungierte wie zu erwarten als Stimme des Glaubens. Argumentierte mit der Bibel und gab das christliche Gewissen. Statt Angst vor fremdem Glauben zu haben solle man sich lieber fest im eigenen Glauben zeigen. Motto: Volle Moscheen mit vollen Kirchen begegnen. Das untermauerte sie dann mit einem freien Zitat aus der Bibel. Wer das im 3. Buch Mose nachschlägt, findet: "Wenn ein Fremdling bei dir in eurem Lande wohnen wird, den sollt ihr nicht schinden. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und sollst ihn lieben wie dich selbst." Klingt ein bisschen nach Predigt, wie nicht nur die anderen Talkshow-Teilnehmer bemerkten.

Dass er ein durchaus frommer Mensch ist, möchte man dem Bayer und CSU-Politiker Markus Söder ebenfalls gerne glauben. Dennoch ist er normalerweise eher für die deftigen Töne in Talkshows zuständig. Seine Partei versucht in den vergangenen Tagen wie keine andere, sich über das Thema Flüchtlinge zu profilieren. Etwa mit der Forderung, auch nach Syrien abzuschieben. Oder Flüchtlinge vom Oktoberfest fernzuhalten. Oder der Einladung von Ungarns umstrittenen Regierungschef Viktor Orban. Ausgerechnet Söder war es dann aber, der sich als Stimme der Vernunft gab. Kontrollen, Sicherheit, Integration - alles müsse mit dem gesunden Menschenverstand betrachtet, das Problem "vernünftig" gelöst werden. Natürlich garnierte er das Ganze aber wieder mit der Warnung vor unkontrollierter Unterwanderung Deutschlands durch Bürgerkrieger. Ein bisschen Angst zu schüren, gehört dann eben doch zum Repertoire.

SPD-Fraktions-Vize Ralf Stegner hatte in jüngster Vergangenheit Horst Seehofer mit dem US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump verglichen. Und den findet ja bekanntlich nicht nur Schauspieler George Clooney idiotisch. Dass er sich in einer Show eine Fraktion mit Markus Söder teilen würde, hätte er sich vorher wohl auch nicht vorgestellt. Beide gaben aber die anpackenden Politiker auf der Suche nach Lösungen für akute Probleme. Die Argumentation ist dann aber doch eine andere: Man dürfe den Rechtsextremen nicht in die Hände spielen, unterstrich Stegner. Und: Die Flüchtlinge müssten direkt in Griechenland und Italien registriert werden.

Bleibt Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der eben das tat, was er gelernt hat: Das Thema politikwissenschaftlich einzuordnen. Dafür musste er sich den Vorwurf des Theoretikers gefallen lassen, konnte aber damit kontern, praktische Ansätze zu fordern. Münkler war von den "Hart aber fair"-Machern wohl in die Sendung gesetzt worden, um in hektischen Situationen für unaufgeregte Analysen zu sorgen. Dass er dabei nicht von Partei-, Kirchen- oder Staatsdoktrin gelenkt ist, verschafft ihm Glaubwürdigkeit und spielt ihm in die Karten.

Frank Plasberg selbst zeigte sich nach zuletzt für die Sendung eher unangenehmen Schlagzeilen wieder besser aufgelegt und angriffslustig. Er leitete souverän die Diskussionsrunde, die am Ende des Tages aber eine von vielen zu dem Thema blieb — und von vorneherein keine Antworten auf drängende politische Fragen finden konnte. Schließlich, und das hat mittlerweile nun fast jeder begriffen, steht so oder so nicht weniger als das Gefüge Europas auf dem Spiel.

(lukra)
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