TV-Talk "Hart aber Fair" "Viele Menschen sind vom Wohnungsmarkt ausgegrenzt"

Düsseldorf · In "Hart aber fair" diskutierte Moderator Frank Plasberg mit fünf Gästen zum Thema "Wenn Wohnen unbezahlbar wird – was muss die nächste Regierung tun?". Ein Betroffener berichtete von seiner Marathon-Wohnungssuche.

In "Hart aber fair" diskutierte Moderator Frank Plasberg mit fünf Gästen zum Thema "Wenn Wohnen unbezahlbar wird — was muss die nächste Regierung tun?". Ein Betroffener berichtete von seiner Marathon-Wohnungssuche.

Darum ging's

Moderator Frank Plasberg will mit einer gemischten Runde aus Betroffenen, Akteuren, Beobachtern und Politikern vor dem Hintergrund der laufenden Koalitionsverhandlungen ein Pflichtenheft für die Politik erstellen, um der Mietexplosion und der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland zu begegnen.

Darum ging's wirklich

Die Teilnehmer sind sich einig, dass möglichst schnell eine Lösung für den Mangel an bezahlbaren Wohnungen her muss, und dass die Politik in der Pflicht steht. Das "Wie" kommt über die Diskussion der Probleme und Forderungen ein wenig zu kurz.

Die Gäste

  • Thomas Hafner, 47-jähriger Familienvater, seit fünf Jahren auf Wohnungssuche
  • Klaus-Peter Hesse, Geschäftsführer des Immobilienverbandes ZIA
  • Caren Lay, Die Linke, Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik
  • Alexander Graf Lambsdorff, FDP
  • Gerhard Matzig, Architekturjournalist der "Süddeutschen Zeitung"

Frontverlauf

In Deutschland eine bezahlbare Wohnung in halbwegs zentraler Lage zu finden, ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Nur wer sehr gut verdient, muss nicht mit Hunderten von Mitbewerbern Schlange stehen. Die meisten Interessenten müssten sich im übertragenen Sinne "völlig nackig machen", sagt Moderator Frank Plasberg. Da würden schon mal Briefe verfasst, in denen sich die Bewerber als ordentlich und ohne laute Hobbys beschreiben würden.

Dieses Prozedere hat auch die Familie von Thomas Hafner mehrfach erfolglos mitgemacht. 30, 40 Mal habe sich seine Familie in den letzten fünf Jahren beworben, sagt der Fernmeldetechniker. Aber auch nach unzähligen "Massenbesichtigungen" habe es bis heute nicht geklappt, eine bezahlbare Wohnung in Frankfurt am Main zu finden. Bis zu 900 Euro warm könne er für 80 bis 85 Quadratmeter entrichten, ein Drittel des Familieneinkommens. Mit seiner ebenfalls berufstätigen Frau und ihrer zehnjährigen Tochter lebt Hafner weiter auf 63 Quadratmetern. "Am meisten eingeengt ist unsere Tochter", sagt der 47-Jährige. Er beklagt, dass er von Wohnungsbaugesellschaften kein Feedback bekomme. Auch in den Vororten sei die Situation nicht besser. "Und zieht man 200 Kilometer weiter raus, steckt man die gesparte Miete in den Tank", beschreibt er das Dilemma, in dem immer mehr Deutsche stecken, vor allem rund um die Großstädte.

Klaus-Peter Hesse, der Geschäftsführer des Immobilienverbandes ZIA, sagt: "Es stimmt etwas mit dem Wohnungsmarkt nicht. Es ist jahrzehntelang vernachlässigt worden. Man hat am Bedarf vorbeigeplant." Was Hafner beschreibe, sei kein Einzelfall, vor allem in den Ballungsräumen. Hesse, der die Diskussion mit lauter Stimme über weite Teile dominiert, sagt: "Wir wollen schnell bezahlbaren Wohnraum für alle Schichten der Bevölkerung schaffen." Moderator Plasberg ist skeptisch: "Das klingt so einfach, aber ich glaube, das ist es nicht."

Caren Lay von der Partei Die Linke ist Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik. "Wollen wir Verhältnisse wie in Paris, London und New York haben, wo Innenstädte nur noch für Reiche sind?", fragt sie rhetorisch. "Hier muss etwas passieren. Diese Mietenexplosion muss einfach gestoppt werden", fordert die Bundestagsabgeordnete. "Wir haben Studenten, die im ersten Semester in Turnhallen übernachten, Rentner, die nach 30, 40 Jahren aus Wohnungen rausmüssen. Die Situation ist dramatisch." Sie und Hesse liefern sich im Laufe der Sendung erbitterte Debatten, bei denen Plasberg mehrfach interveniert, und sie ermahnt, einander ausreden zu lassen.

"Wie verändert sich eine Stadt, in der zentrumsnah nur sehr gut Verdienende wohnen?", fragt Plasberg den Architektur-Journalisten bei der "Süddeutschen Zeitung", Gerhard Matzig. "So eine Stadt ist dabei, klinisch tot zu werden", sagt der ausgebildete Architekt. Das Problem sei, dass teure Wohnungen in Innenstädten oft von Ausländern als Investitionsobjekt gekauft würden. Diese würden große Dachterrassenwohnungen besitzen, aber selbst nicht dort wohnen.

Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff berichtet aus Berlin, dass dort vor allem Russen, Chinesen und Dänen inzwischen Wohnungen kaufen würden. Auch er warnt vor dem Veröden von ganzen Straßenzügen. "Wohnen ist zur Ware geworden", ergänzt Lay.

Plasberg wendet ein, dass das Problem nicht nur Großstädte wie Berlin und München betreffe, sondern auch kleinere Städte — mit entsprechenden Folgen für die Gesellschaft. "Ich glaube, dass das tatsächlich der soziale Sprengstoff in diesem Land zu dieser Zeit zu dieser Stunde ist", sagt Matzig. Er erinnert an die letzte Wohnungsnot nach dem Krieg, als Deutschland in Trümmern lag. Freilich sei die Situation nicht vergleichbar, "aber es gab damals keine Schuldzuweisung, wie ich es jetzt hier erlebt habe", sagt er lächelnd mit kritischem Blick in die Runde. Das Links-Rechts-Denken bringe nichts. "Viele Menschen sind vom Wohnungsmarkt ausgegrenzt, das ist ein Skandal. Wohnen ist absolut existenziell. Das hat viel mit Menschenwürde und politischer Teilhabe zu tun."

Graf Lambsdorff regt zum Blick ins Nachbarland Holland an. Dort habe man das Planungsrecht entschlackt. Außerdem entwickelten dort private Planungsbüros und Kommunen gemeinsam Wohnprojekte — ein in Deutschland unvorstellbares Szenario.

Der nächste Diskussionspunkt auf der Agenda ist die vor zwei Jahren eingeführte Mietpreisbremse, die zum Beispiel in 13 NRW-Städten zu Mietpreiserhöhungen geführt habe. Sie funktioniere in der jetzigen Form nicht, darin ist sich die Runde einig. Der Knackpunkt sei, dass man nicht wisse, wie viel der Vormieter bezahlt habe — und dies ja auch nicht fragen könne, ohne sich in den Augen des Vermieters zu diskreditieren, wirft Plasberg ein. Hesse und Lay sind bei diesem Thema kaum zu stoppen. Beide sind sich immerhin in dem Punkt einig, dass der Fehler in der Politik zu suchen sei.

Matzig beschreibt die Größenordnung des Problems: Deutschland bräuchte pro Jahr 350.000 neue Wohnungen, gebaut würden aber nur 250.000. Es fehlten 80.000 Sozialwohnungen pro Jahr, gebaut würden aber nur 15.000. Er sieht die Gründe für die seiner Ansicht nach skandalösen Zustände am Wohnungsmarkt in einem "Tsunami" von Staatsversagen und Marktversagen.

Andere entscheiden sich fürs Pendeln, wie ein 58-jähriger alleinstehender Mann, der jeden Morgen 200 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz zurücklegt. Er ist nicht allein. Das Plasberg-Team rechnet vor: 18 Millionen Deutsche pendeln im Schnitt 17 Kilometer täglich. Das entspreche der Wegstrecke von 800 Mal zum Mond und zurück. Für den Familienvater Hafner ist dies keine Option. "Das ist nur eine Lösung, wenn man seine Familie nicht sehen will."

Der Architektur-Journalist Matzig hat eine spezielle Lösung für die Wohnungsknappheit im Raum München gefunden. Er kaufte ein extrem schmales Grundstück am Stadtrand, für das er ein Haus von einem anderen Architekten entwerfen ließ, das weniger als fünf Meter breit ist. So konnte er die Abstandsregelungen einhalten — und für seine fünfköpfige Familie endlich eine 130-Quadratmeter große Bleibe finden.

Zum Abschluss diskutiert die Runde darüber, dass Vermieter Modernisierungskosten auf Mieter umlegen dürfen, und zwar in Deutschland um bis zu elf Prozent der Kosten der Modernisierung pro Jahr. Das kann für den einzelnen Mieter schon mal eine Mietpreissteigerung von 60 Prozent bedeuten. "Die Modernisierungsumlage muss abgeschafft werden, ist unsozial", fordert Lay. Hesse beschwert sich, dass die Politikerin alle über einen Kamm schere. Für die meisten Mieter lohne es sich nicht, wenn eine Wohnung besser gedämmt oder bessere Fenster und Türen eingebaut würden, sagt Matzig. So viel lasse sich nicht an Energiekosten einsparen. Deutschland habe wegen extremer Dämmvorschriften ein Schimmelproblem.

Die Diskussionsteilnehmer erfahren überrascht, dass in Deutschland aufgrund von Bauvorschriften Luxuswohnungen fast die gleichen Baustandards wie Sozialwohnungen haben. Graf Lambsdorff zieht noch einmal Holland als Beispiel heran, wo man sich bewusst dazu entschied, weniger perfekt, dafür günstiger zu bauen. Es brauche mehr Freiheiten, mehr Entbürokratisierung, sagt der FDP-Politiker. "Da müssen wir wirklich dringend ‘ran."

(sbl)
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