Sondersendung "Hart aber fair" Was Julia Klöckner noch immer nicht begriffen hat

Düsseldorf · Frank Plasberg wollte es sich nicht entgehen lassen, schon am Samstag über die Terroranschläge in Paris zu sprechen. Interessant wurde es erst, als die Floskeln verbraucht waren - vier Erkenntnisse.

 Julia Klöckner, Holger Schmidt, Heinrich Bedford-Strohm, Michel Friedman und Lamya Kaddor zu Gast bei Frank Plasberg.

Julia Klöckner, Holger Schmidt, Heinrich Bedford-Strohm, Michel Friedman und Lamya Kaddor zu Gast bei Frank Plasberg.

Foto: WDR/Dirk Borm

Zurecht darf man sich fragen, ob die "Hart aber fair"-Sendung so wichtige Erkenntnisse versprach, dass die ARD eine Sondersendung auf Samstagabend terminierte. Und ja, alles, was dort ausgesprochen wurde, war auch in den sozialen Netzwerken in den Stunden nach den Anschlägen bereits gesagt worden. Niemand kam ohne Floskeln aus. Nicht Julia Klöckner, stellvertretende CDU-Chefin, nicht Holger Schmidt, ARD-Terrorismus-Experte, nicht Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche, nicht Michel Friedman und nicht Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und Religionslehrerin. Da war viel von den Werten die Rede, die wir nun verteidigen müssten. Dass so etwas auch in Berlin hätte passieren können. Dass Menschen nun einander beistehen. Dass jetzt die Frage verhandelt wird, wie wir leben wollen. Talkshows sind zum Teil der Rituale nach einem Terroranschlag geworden. Aber vielleicht auch ein beruhigendes. Solange geredet wird, wird wenigstens nicht geschossen. Und keiner der Gäste vergriff sich in der Wortwahl, keiner spielte sich als Scharfmacher auf. Selten bei so einem Thema.

Früher war er ein Talkshowstar, dann wurde es ruhig um ihn. Doch bei "Hart aber fair" legte er einen so starken Auftritt hin, dass man ihn sich wieder häufiger im Fernsehen wünscht. Wer ihn bloß als aggressiven Diskutanten in Erinnerung hat, wunderte sich. Keiner der anderen Gäste sprach die Dinge so klar an (und keiner hatte einen höheren Redeanteil). Er stellte klar: Wenn wir jetzt nachgeben, heißt das, dass die Täter mit einem Minimum an Gewalt ein Maximum an Wirkung erzielt haben. Er sagte, dass die Freiheit keine ausschließlich westliche Idee ist. Er sagte, wir dürfen uns nicht jetzt schon anmaßen von Krieg zu sprechen angesichts der Zustände, die in einigen Ländern im Nahen Osten herrschen. Er forderte, Handelsbeziehungen zu reichen muslimischen Ländern wie Katar und Saudi-Arabien zu kappen, weil der Terror auch dort finanziert wird. Er wies darauf hin, dass nicht nur radikale Muslime, sondern auch viele Deutsche mit der Toleranz Probleme haben. Und dass die Flüchtlinge doch nichts für die teilweise chaotische Situation in Deutschland können.

Lamya Kaddor war leider die einzige Muslimin in der Runde - und das bei einem Thema, in dem der Islam im Zentrum stand. Doch mit dieser Rolle kam sie hervorragend zurecht, wenn auch viel zu selten zu Wort. Sie sagte, sie fühle sich nicht verpflichtet, sich von den Attentätern zu distanzieren, weil es zu diesen keine Nähe gebe. "Es ist denen völlig egal, ob sie Muslime oder Christen oder Atheisten töten. Wir müssten uns alle angesprochen fühlen." Sie sagte, sie habe mehr Angst vor den deutschen Jugendlichen, die zum IS gehen, als vor Terroristen unter den Flüchtlingen. Über ihre Aussage, dass der Westen ihrer Meinung nach schon 2011 Truppen nach Syrien hätte schicken sollen, kann man zwar streiten - es ist aber ein angemessener Seitenhieb darauf, dass der Westen sich erst für Syrien interessiert, seitdem die Flüchtlinge nach Europa kommen.

Einig waren sich alle Gäste darin, gegen Versuche der Rechtspopulisten vorzugehen, die Situation für ihre Agenda zu nutzen. Flüchtlingsproblem und Terrorismus dürften nicht vermischt werden. Dann aber spielte Plasberg einen O-Ton von CSU-Chef Horst Seehofer ein: "Wir müssen wieder Klarheit haben, wer in unserem Land ist." Was genau Ausdruck jener Taktik ist, die die ganze Runde zuvor verdammt hatte. Bedford-Strohm fiel dazu aber nur ein: "Was wir eben gehört haben, halte ich nicht für ein Problem." Julia Klöckner sagte sogar: "Seehofer liegt vollkommen richtig." Zum Glück wies Lamya Kaddor darauf hin, dass der Kontext des O-Tons wichtig ist. Denn nur sehr naive Menschen würden Seehofer unterstellen, diese Aussage nicht vor dem Hintergrund der Attentate gemacht zu haben. Er legt damit nahe, dass Terrorismus und Flüchtlinge direkt miteinander zu tun haben. Auf ihrem Facebook-Account hatte die CSU bereits am Samstagmittag wissen lassen: "Es müssen wieder die Regeln des Rechts zur Geltung kommen, die leider seit vielen Wochen nicht mehr eingehalten werden." Was Julia Klöckner begreifen sollte: Rechtspopulismus beginnt nicht erst bei der AfD, sondern immer häufiger schon bei Aussagen der CSU.

(seda)
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