"Hart aber fair" mit Frank Plasberg Zieht die Schule weltfremde Fachidioten heran?

Düsseldorf · Mit zwei Klicks liefert uns Google heute die Antwort auf nahezu jede Frage, die uns in den Sinn kommt – und das innerhalb von 1,38 Sekunden. Welche Rolle fällt im Internet-Zeitalter der Schule zu? Was soll sie vermitteln – Goethe oder Google? Bei "Hart aber fair" mit Frank Plasberg gab es zu dieser Frage eine ausschweifende Diskussion, aber leider keine Antwort.

Bei der Lehrmethode "Lesen nach Hören" werden die orthographischen Fehler der Schüler vom Lehrer nicht korrigiert. Ist das eine gute Vorbereitung aufs (Berufs-)Leben?

Bei der Lehrmethode "Lesen nach Hören" werden die orthographischen Fehler der Schüler vom Lehrer nicht korrigiert. Ist das eine gute Vorbereitung aufs (Berufs-)Leben?

Foto: Screenshot ARD

Mit zwei Klicks liefert uns Google heute die Antwort auf nahezu jede Frage, die uns in den Sinn kommt — und das innerhalb von 1,38 Sekunden. Welche Rolle fällt im Internet-Zeitalter der Schule zu? Was soll sie vermitteln — Goethe oder Google? Bei "Hart aber fair" mit Frank Plasberg gab es zu dieser Frage eine ausschweifende Diskussion, aber leider keine Antwort.

Was ist ein Dispokredit? Wie oft pro Jahr muss man eigentlich in Deutschland eine Steuererklärung abgeben? Und was beinhaltet die Kaltmiete? "Keine Ahnung" — die Abiturienten eines Düsseldorfer Gymnasiums, die das Team von Frank Plasberg für die Sendung "Hart aber fair" am Montag mit diesen alltagsrelevanten Fragen konfrontierte, reagierten mit Ratlosigkeit.

Stattdessen wissen all diejenigen Schüler, die ihr Abitur im Fach Chemie erfolgreich abgelegt haben, die Lösung zu dieser Abituraufgabe, die Plasberg als Beispiel zeigte: "Geben Sie die offenkettige Form der D-Ribose in der Fischer-Projektion an! Formulieren Sie die Strukturformelgleichungen für die Umwandlung der Ribose in die entsprechende Ketose (= Ribulose) durch Keto-Enol-Tautomerie!" Diese Aufgabe wurde so tatsächlich in einer Abiturprüfung in Deutschland gestellt.

Wie gut bereitet unser Schulsystem unsere Kinder auf ihr späteres (Berufs-)Leben vor? Wie lebensnah ist Schule — oder ist sie gar weltfremd? Das sollte die zentrale Frage sein. Über das Thema diskutierten der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus; Hamburgs Schulsenator Thies Rabe; Florian Langenscheidt, Unternehmer, Buchautor und Urenkel des Verlagsgründers Gustav Langenscheidt; die Journalistin Barbara Eligmann und Mirko Droschmann, der auf seinem Youtube-Kanal als "Mr Wissen 2go" Schulwissen kompakt zusammenfasst.

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Die Fronten waren schnell klar. Kraus und Rabe vertraten einhellig die Meinung, der Lehrplan an deutschen Schulen sei gut, so wie er ist. Wenn man nun neuen, zusätzlichen Stoff vermitteln wolle, müsse man andere Inhalte streichen. Und das könne nicht im Sinne der Schüler sein. Zu der weltfremd erscheinenden Abituraufgabe aus dem Fach Chemie sagte Rabe: "Die Chemie-Aufgabe kam mir auch ein bisschen krude vor. Aber das Abitur ist der höchste Bildungsabschluss in Deutschland, die Schüler spezialisieren sich in Vorbereitung auf Schule und Beruf." Man wolle das Abitur nicht abwerten. Das Ergebnis der Umfrage, dass viele Schüler keine Ahnung haben, was ein Dispokredit ist, konnte Kraus und Rabe nicht von ihrer hohen Meinung über den Lehrplan abbringen. "Die Schule ist für das klassische Wissen zuständig. Das Alltagswissen müssen die Eltern vermitteln, oder andere", sagte Kraus. "Die Schule ersetzt keinen Bankberater."

Eligmann und Langenscheidt dagegen, die beide selbst Kinder im schulpflichtigen Alter haben, sprachen sich dafür aus, den Lehrplan zu überarbeiten. Langenscheidt glaubt, dass das Schulsystem den Kindern die Lust am Lernen nehme. "Lernen ist doch ein Grundbedürfnis. Jedes Kind will alles wissen. Doch wir treiben das aus, schaffen ein System, in dem alle ständig überfordert sind", sagte er. Diese Ansicht wurde zum Ende der Sendung von den Aussagen des Hamburger Kinderpsychiaters Michael Schulte-Markwort unterstrichen. Er lieferte beunruhigende Zahlen zur psychischen Überforderung vieler Schüler und forderte: "Wir müssen uns um unsere erschöpften Kinder kümmern!" Doch dieser Appell verpuffte nahezu in der Diskussion.

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"Mr Wissen 2go" Mirko Droschmann war wahrscheinlich der Part der Runde, der frischen Wind in die Diskussion bringen sollte. Mit seinen Youtube-Videos kommt er bei Schülern gut an, immer wieder geben sie ihm das Feedback, lieber mit seinen Videos für die Klausur zu lernen als mit dem Material aus der Schule. Doch in der Runde ging Droschmann unter. Das mag auch daran gelegen haben, dass das einzige Argument, das er im Laufe des Abends immer wieder für die Unsinnigkeit des Schulsystems einwarf, war, dass er zehn Jahre nach seinem Abitur schon "alles aus dem Matheunterricht vergessen" habe.

Im Verlauf der Sendung krankte die Diskussion mehr und mehr daran, dass immer mehr Themen angeschnitten wurden. Darunter zum Beispiel der Frontalunterricht oder die umstrittene Methode "Lesen nach Hören". Was getan werden muss, damit Schule Kinder und Jugendliche besser auf ihre Zukunft vorbereitet, wurde nicht geklärt. Und wenn man sich anschaute, mit welcher Beharrlichkeit (oder Sturheit?) Kraus und Rabe auf den Status Quo im Schulalltag pochten, ist zu befürchten, dass sich in der Schule in nächster Zeit ohnehin nicht viel ändern wird. Schließlich waren sie die beiden Gäste in der Runde, die auf einer Entscheiderposition im Schulsystem sitzen.

(lsa)
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