"Hart aber fair" mit Frank Plasberg Vom Gefühl der totalen Ohnmacht
Düsseldorf · "Straftäter sind Straftäter, egal wo sie herkommen." Für diesen Satz erntete NRW-Ministerpräsidentin Kraft bei "Hart aber fair" Applaus. Doch ist es wirklich so einfach? Und wenn ja, welche Konsequenzen müssen daraus folgen? Mehr Integration? Mehr Abschiebungen? Als erstes müssten wohl die Verantwortlichen aus ihrer Ohnmacht erwachen.
"Es war ein Gefühl von Angst und Hilflosigkeit". "Da war ja keiner, der uns hätte helfen können." "Wir haben uns gefühlt, als ob es in diesem Moment in Köln nur noch diese Männer gäbe."
Über eine Woche nach der Silvesternacht, in der am Kölner Hauptbahnhof Hunderte Frauen von Männergruppen bedrängt, sexuell belästigt und beklaut worden sind, schildert Anja Meier, deren Name geändert wurde, in der Sendung "Hart aber fair" ihre Erlebnisse. Es sind Sätze, wie sie in den vergangenen Tagen unzählig in den Medien zu hören und zu lesen waren. Und trotzdem berühren sie immer wieder aufs Neue, auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).
"Wir konnten sie nicht schützen, das ist nicht zu entschuldigen", sagt Kraft. "Das war ein Gefühl der totalen Ohnmacht." Die Politikerin steht in der Kritik, weil sie sich erst spät und dann nur defensiv zu den Vorfällen in Köln geäußert hat. Bei "Hart aber fair" mit Frank Plasberg möchte sie das Versäumte offenbar nachholen. "Ich würde gerne alle Frauen um Entschuldigung bitten. Aber ich weiß, dass das nicht hilft."
Krafts Worte spiegeln die Ohnmacht, die seit der Silvesternacht auf Verantwortlichen aus Politik und Polizei zu liegen scheint. Es ist, wie Kraft sagt: Der Staat war nicht in der Lage, die Frauen vor den Demütigungen und Verletzungen zu schützen, die ihnen beigebracht worden sind. Das steht außer Frage. Nun werden Antworten gesucht, "Konsequenzen", damit sich die "Schande von Köln", wie es im Titel der Talkshow heißt, nicht wiederholt.
Ministerpräsidentin Kraft will auch in Zukunt auf Integration setzen. "Wir müssen daran arbeiten, das passiert nicht von allein", sagt sie. Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft fällt ihr ins Wort: "Die Leute vom Kölner Hauptbahnhof können Sie nicht mit Deutschkursen integrieren." Die Stimmung ist aufgeheizt, und Kraft fällt es zunehmend schwer, die Contenance zu bewahren. "Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt", schimpft sie in Richtung Wendt. "Jetzt markieren Sie hier nicht den Macker", schlägt Grünen-Politikerin Renate Künast in die gleiche Kerbe. Moderator Plasberg hat Mühe, das aufgebrachte Stimmengewirr zu beruhigen.
Der Journalist Heribert Prantl, Rechtsexperte bei der "Süddeutschten Zeitung", fordert als Konsequenz aus den Vorfällen eine Verschärfung des Strafrechts. "Sexuelle Tätlichkeiten werden derzeit gar nicht oder nicht ausreichend bestraft", sagt Prantl. Die anwesenden Politikerinnen aus CDU, SPD und von den Grünen springen sofort auf diesen Vorschlag an und behaupten alle, ein entsprechender Vorschlag für eine Gesetzesänderung liege bereits vor und ihre Partei sei maßgeblich an seiner Erarbeitung beteiligt gewesen. Prantl geht noch einen Schritt weiter und fordert asylpolitische Konsequenzen.
In diese Richtung geht auch die Forderung von CDU-Politikerin Kristina Schröder, die Flüchtlingszahlen massiv zu senken. "Sonst wird die Integration scheitern." Für die ehemalige Bundesfamilienministerin ist das "patriarchale Frauenbild", das im arabischen Raum vorherrscht, Teil des Problems. "Selbstverständlich gilt das nicht für alle Männer aus arabischen Ländern", differenziert sie. Schröder fordert, dass es in Deutschland kein Tabu mehr sein dürfe, Besorgnis über dieses Thema zu äußern.
Für Schröder sind die Vorfälle von Köln "blanke Frauenverachtung". Das, was passiert ist, sei doppelt schlimm. "Nicht nur die Taten selbst, sondern dass dann Tage lang nicht darüber geredet wurde", sei furchtbar, sagt Schröder.
Wendt nimmt seine Kollegen in Schutz. "Jeder Beamte weiß, dass er eine bestimmte politische Erwartungshaltung erfüllen muss", sagt er in Richtung der Ministerpräsidentin. Seine Kollegen hätten die Herkunft der Täter nicht sofort offen gelegt, weil dies politisch nicht gewollt gewesen sei. Auch die polizeiliche Statistik werde mit "Taschenspielertricks" geschönt, um diese politische Haltung zu bedienen. Aus einer Sexualstraftat werde dann für die Statistik schnell mal eine Körperverletzung, so Wendt.
Die Diskussion zeigt, wie facettenreich die durch die Vorfälle in Köln überdeutlich gewordene Problematik ist und wie sehr eine klare Linie fehlt, wenn es um die Konsequenzen geht. Erst am Ende der Sendung stellt Plasberg eine zentrale Frage: "Wann ist die Belastungsgrenze derjenigen, die es gut mit den Menschen meinen, die zu uns kommen, erreicht?" Die Antwort kommt zögerlich. "Ich weiß es nicht", sagt schließlich Künast.
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