Interview mit ZDF-Redakteurin Irene Wellershoff "Die alte Heidi hätte einfach schlecht ausgesehen"

Düsseldorf · Das ZDF hat nach der Biene Maja und Wickie nun auch die Klassiker-Serie "Heidi" in neuem 3D-Look produziert. Im Interview mit unserer Redaktion wehrt sich die verantwortliche ZDF-Redakteurin Irene Wellershoff gegen Häme und Kritik aus dem Internet.

 Irene Wellershoff leitet die Kinderredaktion des ZDF und hat unter anderem Siebenstein erfunden.

Irene Wellershoff leitet die Kinderredaktion des ZDF und hat unter anderem Siebenstein erfunden.

Foto: ZDF

Warum die neue Heidi? Ist es so wie bei Maja und Wickie? Damals argumentierte das ZDF, man stelle sich auf neue Sehgewohnheiten ein.

Wellershoff: "Das trifft in diesem Fall nicht wirklich zu. Die Folgen nehmen sich Zeit und dauern nicht wie bei Wickie oder Maja zwölf, sondern 22 Minuten. Auch die Schnitte sind nicht so hektisch, wie man das beim Gedanken an 'moderne Sehgewohnheiten" erwarten mag. Wir erzählen Heidis Geschichte sehr ruhig, dafür geht es emotionaler zu."

Kritiker monieren, die Figuren seien flach.

Wellershoff: "Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Folgen aus den 70ern bedienen mehr die heile Welt als die neuen. Die neuen Folgen befassen sich auch mit Ereignissen aus dem Roman, die in der alten Serie übergangen wurden, zum Beispiel das Trauma des Großvaters, der sich Vorwürfe macht, dass er den Tod seines Sohnes nicht verhindern konnte. Die Figuren aus dem Roman wollten wir auf jeden Fall erhalten."

Das heißt?

Wellershoff: "Die neue Heidi orientiert sich am Roman von Johanna Spyri und zeigt deutlich die Schwierigkeiten, die das Mädchen überwinden muss. Denken Sie daran, wie schwer sie es hat, die Eltern sind tot, auch bei der Tante kann sie nicht bleiben und muss auf die Alm zu dem verbitterten Großvater, der sie auch nicht haben will. Und dennoch verliert sie nie ihre Fröhlichkeit und ihre positive Kraft. Das ist es, was Heidi so einzigartig macht. Für Kinder ist sie eine sehr starke, wichtige Figur."

Waren denn Pädagogen an der Neugestaltung von Heidi beteiligt?

"Nein, das nicht."

Vor allem im Internet, aber auch einigen Medien wurden viele verärgerte Reaktionen laut. Die am Computer erstellten Bilder wirken auf viele lieblos.

Wellershoff: "Na ja, auch am Computer sitzen Menschen, die die Bilder erstellen. Dass Heidi optisch verflacht, stimmt überhaupt nicht. Wir beschreiben in vielen originalgetreu gestalteten Details die damalige Zeit im 19. Jahrhundert. Was die neue CGI-Bildtechnik für 3D leisten kann, sieht man vor allem in Frankfurt. Dort können die Kinder sehen, wie damals die Häuser oder die Bahnstation ausgesehen haben. Ich glaube, das finden sie interessant. Viele Einzelheiten der historischen Ausstattung in der Sesemann-Villa sind zu sehen, von den großbürgerlichen Räumlichkeiten bis hin zur Küche."

Was hat den Ausschlag gegeben für die Entscheidung, Heidi neu zu verfilmen?

Wellershoff: "Ins Rollen gebracht hat das die Umstellung auf die HD-Technologie. Die alte Heidi hätte auf modernen Fernsehgeräten einfach schlecht ausgesehen. Grobkörnig, blass, mit Schrammen und dergleichen. Die Zuschauer gewöhnen sich sehr schnell an die neue HD-Optik und umso schlechter sehen automatisch alte Produktionen aus. Der Wandel mag nicht ganz so fundamental sein, aber Sie müssen sich das so ähnlich vorstellen wie den Umbruch von Schwarzweiß auf Farbe."

Was sagen Sie den ganzen enttäuschten Kritikern, die im Internet auf die neue Heidi schimpfen?

"Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Leute an den alten Figuren hängen. Für viele sind das vermutlich fast heilige Kindheitserinnerungen. Aber ich kann alle nur bitten, sich die neuen Folgen erst einmal anzuschauen. Ich glaube versprechen zu können, dass wir den Kern von Heidi bewahrt haben."

Mit Irene Wellershoff sprach Philipp Stempel

(pst)
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