Interview mit Lisa Wagner Eine knallharte Kommissarin fürs ZDF

Düsseldorf · Die Schauspielerin bekam für ihre Rolle im Münchner "Tatort" den Grimme-Preis, jetzt ermittelt sie am Samstag im ZDF.

Kommissarin Heller: Lisa Wagners erster Fall
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Kommissarin Heller: Lisa Wagners erster Fall

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Foto: ZDF Hannes Hubach

Braucht das deutsche Fernsehen eine weitere Kommissarin?

Lisa Wagner Scheinbar schon, offenbar ist der Bedarf noch nicht gedeckt. Krimis bedeuten Spannung, es geht um Leben und Tod. Und die Frage, wer den Mord begangen hat und vor allem warum, lässt sich ja in vielen Varianten erzählen.

Inwieweit hatten Sie Einfluss auf die Figur Winnie Heller?

Wagner Sie ist eine Romanfigur, deshalb war einiges vorgegeben. Aber ich habe natürlich Einfluss, denn das bin ja ich, mein Körper, meine Sprache. Ich konnte auch vorschlagen, an dieser Stelle etwas Bestimmtes zu sagen, oder, noch wichtiger, an einer anderen Stelle nichts. Die Kommissarin ist taff, verfügt aber über einen trockenen Witz.

Im Film ist es brütend heiß. Wieso läuft Winnie Heller trotzdem in einer schwarzen Jacke herum?

Wagner Der Mantel gibt ihr Halt, ist aber auch Zeichen ihrer Professionalität. Sie kann nicht in Spaghetti-Trägern vor die Angehörigen treten und ihnen die Todesnachricht überbringen, "la-la" im roten T-Shirt funktioniert da nicht. Sie zieht an, was morgens über dem Stuhl hängt und befasst sich ansonsten mit dem Fall.

Ihren Durchbruch im Fernsehen hatten Sie 2010 mit der Münchner "Tatort"-Folge "Nie wieder frei sein", in der sie die Pflichtverteidigerin eines Vergewaltigers spielten und dafür unter anderem den Grimme-Preis erhielten. Waren Sie überrascht, was danach über Sie hereinbrach?

Wagner Die Angebote haben sich nicht plötzlich überschlagen. Aber diese Preise zu gewinnen, war schon ein Türöffner. Sehr viele Menschen in der Branche haben den Film gesehen, und das hat mir geholfen, einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Ihre Figur im "Tatort" wirkte hart und kompromisslos.

Wagner Das haben viele so empfunden, dabei war sie nur eines: klar. Sie hatte recht, mit dem, was sie sagte, sie hat lediglich auf Provokationen reagiert. Es ist schon komisch, wie die Menschen das auf mich projiziert haben, ich war auf einmal die böse Anwältin. Es kannte ja niemand mein Gesicht. Einem Axel Milberg wäre das vermutlich nicht so gegangen.

Wie sehr zehren Sie beim Drehen von Ihrer Theater-Erfahrung?

Wagner Ich empfinde es als Königsweg für einen Schauspieler, zuerst Theater zu spielen. Es gibt Bodenhaftung, wochenlang so eng mit Kollegen an einem Stück zu arbeiten, und dann werden bei jeder Vorstellung die Karten doch neu gemischt. Viele denken, beim Drehen kann man ja alles 20 Mal wiederholen, aber das stimmt nicht, denn es geht um viel Geld. Wenn alles sitzt, Kamera, Ton, Licht, und ich die Szene dann versemmele, ist das sehr unangenehm. Beides, Theater und Film, ist Präzisionsarbeit.

Sie werden nun festes Ensemble-Mitglied im Münchner "Tatort", in dem sie die Kommissare als Fallanalytikerin unterstützen, und spielen die Hauptrolle in einer ZDF-Krimireihe.

Wagner Erst mal müssen die Zuschauer "Kommissarin Heller" mögen, sonst ist die Reihe schnell wieder verschwunden. Wir wären zumindest deutschlandweit die ersten, die weitersenden, obwohl die Quote nicht stimmt (lacht). Außerdem ist es Zufall, dass jetzt einige Filme von mir kurz hintereinander gezeigt werden, die Drehs sind teilweise schon viele Monate her.

Werden Sie sich direkt nach der Quote erkundigen?

Wagner Ich frage nicht danach, ich werde sie schon früh genug erfahren. Ich freue mich über jeden Zuschauer, auf der Theaterbühne möchte ich auch nicht vor einem leeren Saal stehen. Aber diese Quotenfixiertheit ist sehr unsexy. Es sollte nicht nur um Zuschauerzahlen, sondern auch um Qualität gehen. Ich finde, es gibt eine Informations- und Niveau-Pflicht. Ein Film ist nicht nur dann gut, wenn er zwölf Millionen Zuschauer hat.

Sie begeben sich nun hauptsächlich ins Krimifach. Viele Kollegen haben Angst, da nicht wieder herauszukommen. Wie denken Sie darüber?

Wagner Ich kann diese Angst verstehen, aber ich habe das Gefühl, die Sparten vermischen sich, die Grenzen zwischen den Genres sind offener. Außerdem: Wer macht gerade nicht "Tatort"? (lacht). Wenn ich nach drei Jahren das Gefühl habe, ich werde auf Krimis reduziert, überlege ich mir etwas.

Über das deutsche Fernsehen und seine Qualität wird immer wieder diskutiert. Wie stehen Sie zu der "Die Amis, Briten und Skandinavier können alles besser"-Debatte?

Wagner Es muss schon etwas passieren. Es hängt damit zusammen, dass wir zu vorsichtig sind. In den USA oder in Skandinavien werden Serien langfristig geplant, da lassen sich Geschichten entwickeln und über mehrere Folgen erzählen. Hier heißt es, wir drehen mal eine Folge und schauen dann weiter.

GESA EVERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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