"Tatort" aus Münster Ist das Kunst, oder kann das weg?

Münster · Thiel und Boerne schlagen sich diesmal mit moderner Kunst und mörderischen Künstlern herum.

Szenen aus dem Münster-"Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch"
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Szenen aus "Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch"

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Foto: ARD/WDR/Wolfgang Ennenbach

Nach dem letzten Münster-"Tatort" gab es Grund zum Feiern: 14,56 Millionen Zuschauer sollen Anfang April den Jäger-Klamauk "Fangschuss" gesehen haben - so will es zumindest die Hochrechnung der Quote aus Messgeräten in weniger als 6000 der 38 Millionen deutschen Haushalte. Das war Rekord für das Krimi-Flaggschiff seit 1991, und zwar obwohl die Episode biedere Fließbandware war.

Die aktuelle, 32. Folge mit Thiel und Boerne ist besser, ambitionierter, schwungvoller. Was das wohl für die Quote bedeutet?

In "Gott ist auch nur ein Mensch" fiebert ganz Münster jedenfalls auf die "Skulpturtage" hin, die es als "Skulptur Projekte" auch im echten Leben gibt. Stargast: der spleenige Bildhauer-König Zoltan Rajinovic (stark bis in die Schnurrbartspitzen: Aleksandar Jovanovic), der sich selbst mit gesundem Selbstbewusstsein schlicht und einfach "Gott" nennt.

Deutschlands Lieblings-Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne wird angesichts dessen nicht etwa neidisch, sondern wirft sich Gott, in dem er einen Seelenverwandten zu erkennen glaubt, als Meisterschüler an den Hals. Und zwar, indem er einen Bonsaibaum mit Familienfotos behängt, angefangen bei seinem Ururgroßvater Emmanuel Erasmus Eckhart, und das Werk "Familienstammbaum" nennt. Tusch!

Währenddessen tauchen überall in der Stadt zu Unrecht freigesprochene Übeltäter auf, erstens tot, zweitens fein säuberlich einbalsamiert und drittens in durchaus respektable Skulpturen integriert.

Der jung-dynamischen Kuratorin Klara Wenger (Victoria Mayer) kommt das gerade recht, denn es gibt ja bekanntlich keine schlechte PR. Von deren Avancen schwer irritiert, weiß Thiel nicht recht, wer der Täter sein könnte - weil die Auswahl übergroß ist: die junge Kuratorin oder ihre extrem ehrgeizige Vorgängerin und Mutter? Einer der verstrahlten Künstler, die unbedingt aus Gottes Schatten treten wollen? Oder doch Gott persönlich, obwohl der die naheliegendste Wahl ist?

Zum ersten Mal seit geraumer Zeit treffen die Macher des Münster-"Tatort" die richtige Dosis Wahnsinn. Er habe versucht, "die Kunstwelt nicht zu karikieren, sondern ein möglichst ehrliches Porträt abzuliefern", sagt Christoph Silber, einer der zwei Drehbuchautoren. Wohl wissend, dass die Grenzen fließend sind. Die Selbstinszenierung der Damen und Herren Künstler in Styling und Wortwahl jedenfalls ist gelungen. "Hört auf zu denken!", herrscht etwa Gott seine Jünger an. "Nur dumme Menschen denken!" Angesichts von Welle um Welle dieses Unfugs hat Thiel endlich, endlich einmal tatsächlich Grund, zu nölen und Grimassen zu ziehen, anstatt es einfach zu tun, weil die Fans das so gerne sehen.

Mit "Gott ist auch nur ein Mensch" ist ein Film gelungen, der das Unverständnis des "kleinen Mannes" über weite Teile der modernen Kunst nett einfängt und nebenbei auch als Krimi einigermaßen funktioniert.

Nicht zu kurz kommen dabei aber - leider - die öde Witzfigur Alt-Hippie "Vadder" Herbert Thiel sowie die üblichen "lustigen" News über die Vergangenheit der Charaktere und ihre Beziehungen untereinander (hier: Kommune, Kiffen, Kleidertausch). Da muss man durch.

Auf die Frage "Ist das Kunst oder kann das weg?" lässt sich die salomonische Antwort finden: weder noch. Das ist solides Handwerk mit Gags, von denen mehr zünden als zuletzt. Münster-Liebhaber werden diesen Film selbstredend mögen, aber auch Münster-Muffel dürften ihn erträglich finden. Gott sei Dank.

(tojo)
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