#varoufake Jan Böhmermann: Ein Clown blamiert das Establishment

Mainz · Ob das Varoufakis-Video nun gefälscht ist oder nicht, Böhmermanns Aktion hat gezeigt: Deutschlands Medien-Elite ist angreifbar. Der gebürtige Bremer schafft es immer wieder, TV-, Musik- und Internetgrößen bloßzustellen.

#varoufake: Auch um diese Bilder gab es Wirbel
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Auch um diese Fotos gab es Wirbel

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Jan Böhmermann, TV-Moderator und smarter Komiker in den Dreißigern, gibt sich betont seriös. Schwarzer Anzug, dunkle Krawatte, ordentlicher Kragen, die Hände vor dem Körper gefaltet. Er grinst fein in die Kamera seiner Sendung "Neo Magazin Royale." Hinter seinem Moderationspult schließt er die Augen und holt noch ein letztes Mal Luft. Die gesamte Inszenierung lässt die Zuschauer spüren, dass er eine folgenschwere Ankündigung zu machen hat.

Dann setzt er an: "Lieber Günther Jauch, liebe ARD, liebe "Bild"-Redaktion. Einmal bitte tief durchatmen. Vielleicht nehmen sie sich mal 'nen Stuhl". Es fällt ihm sichtlich schwer, ernst zu bleiben. "Setzen Sie sich hin. Sie müssen jetzt ganz ganz stark sein." Es folgt ein Einspieler, in dem die angebliche Entstehung des Stinkefinger-Videoclips gezeigt wird, mit dem Günther Jauch den griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis konfrontiert hat.

Das ZDF hat das Video von Böhmermann mittlerweile als Meta-Fälschung entlarvt. Also die Fälschung einer Fälschung. Trotzdem: Allein das heillose Durcheinander, dass der TV-Moderator durch die Ausstrahlung seines Clips angerichtet hat, ist bemerkenswert: Die Jauch-Redaktion reagierte mit Bestürzung und forderte Beweise. Prominente und Medienmacher meldeten sich im Internet zu Wort. Ganz Deutschland diskutierte über die Begriffe "Fake" und "Meta-Fake".

Fest steht, dass Böhmermann mit dem Videoclip ein satirischer Coup gelungen ist. Möglich war das nur, weil die Zuschauer und Fernsehmacher dem TV-Moderator schier alles zutrauen. In der Vergangenheit hat Böhmermann schließlich schon oft bewiesen, dass er bereit ist, Mediengrößen eiskalt auflaufen zu lassen.

Im vergangenen Jahr traf es zum Beispiel ProSieben-Titan Stefan Raab. Böhmermann und sein Team hatten eine fiktive chinesische Spielshow inszeniert, in der eine asiatische Variante des Raab-Ratespiels "Blamieren oder Kassieren" zu sehen war. Den Clip spielte das ZDF-Team der "TV Total"-Redaktion zu. Die sendete den offensichtlichen Unfug ohne ihn auf seine Echtheit zu prüfen. Raab und Elton machten sich in der Sendung darüber lustig.

Böhmermanns Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Ähnlich wie im vorliegenden Fall Varoufakis — das dürfte man auch bei der ARD registriert haben — präsentierte der Komiker in seiner Sendung einen Clip, in dem gezeigt wurde, wie das Video entstand." Böhmermanns süffisanter Kommentar damals: "Blamieren oder Kassieren? In dem Fall wohl eher Blamieren!" Dass es so einfach sein würde "Raab zu verarschen", habe er nie geglaubt.

Auch wenn das der erste größere TV-Skandal ist, den Böhmermann zu verantworten hatte, ist der streitbare Komiker kein unbeschriebenes Blatt. Der 35-Jährige ist aktiver Nutzer sozialer Netzwerke und hat vor allem mit Äußerungen auf Twitter mehrfach für Aufregung gesorgt.

Serientäter in Sachen Urheberrechtsverletzungen

Böhmermann ist ein bekennender Serientäter in Sachen Urheberrechtsverletzung. Wesentlicher Bestandteil seiner TV-Show ist das Verfremden und Bearbeiten vorhandener TV-Beiträge — bisher jedoch meist ohne rechtliche Konsequenzen.

Teuer wurde es für ihn bislang nur in der Auseinandersetzung mit dem Fotografen Martin Langer, der 1992 einen vollurinierten Jogginghosenträger in Rostock Lichtenhagen beim Hitlergruß fotografierte. Die Veröffentlichung des Fotos auf seinem Twitter-Account und die darauf folgende Abmahnung lösten eine Debatte um das Urheberrecht im Allgemeinen aus, die der Moderator mit seinen Beiträgen noch forcierte.

So schrieb er damals auf Facebook: "Die Anwaltskanzlei 'Weinert Levermann Heeg' legt für das unerlaubte Publizieren eines Fotos in der Abmahnung einen Streitwert von 7000 Euro zugrunde, unterm Strich mit Strafzöllen, Lochprämie, Tackergebühr, Digitalimmigrantaufschlag, Empörungsprämie und Büropauschale wird ein Betrag von 906,50 Euro fällig, sowie die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Ich zahle und unterlasse natürlich — unter der Bedingung der genaueren und öffentlichen Betrachtung dieser merkwürdigen Abmahnung."

Vor Kurzem geriet Böhmermann mit seiner Kritik an deutschen Internet-Stars in die Schlagzeilen. Er kritisierte Web-Größen wie Simon Unge, "Dagi Bee", Sami Slimani oder "Dner" dafür, mit ihren Youtube-Videos nur "abkassieren zu wollen" und ihren jugendlichen Fans "das Geld aus der Tasche zu ziehen". Dabei verwies er auf professionelle Management- und Werbestrukturen hinter den Videomachern. Die fühlten sich in ihrer Ehre verletzt, und Böhmermann musste einen "Shitstorm" der Youtube-Fangemeinde über sich ergehen lassen. Sein etwas ironisches Fazit nach einigen Stunden voller Beleidigungen: "117 ernsthafte Morddrohungen, 2812 strafrechtlich relefante Beleidigungen." Und etwas später "Fun, Fun, Fun!"

Output der @unge und @dnertv Community bislang: 117 ernsthafte Morddrohungen, 2812 strafrechtlich relefante Beleidigungen.

Auch mit der Musikindustrie stand Böhmermann unlängst auf Kriegsfuß. Auf wiederholte Interviewanfragen der "Neo Magazin Royale"-Redaktion anwortete der offenbar genervte Rapper Haftbefehl mit einem Facebook-Eintrag, in dem er Böhmermann als "schlechten Abklatsch von Markus Lanz" und "kleinen Lauch" bezeichnete. Der Moderator teilte den peinlichen Eintrag draufhin mit seiner Fangemeinde, stellte den Musiker damit bloß und verkehrte so die "Ansage" von Haftbefehl ins Gegenteil.

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