TV-Nachlese Illner Kachelmann-Anwalt treibt Claudia Roth auf die Palme

Sexismus und kein Ende. Auch Maybrit Illner lässt darüber diskutieren. Höhepunkt des Abends: Anwalt Ralf Höcker wirft Grünen-Politikerin Claudia Roth vor, "hinterfotzig" zu agieren. Den Fall Brüderle bezeichnet er als absolut lächerliche Petitesse. Es prallen Welten aufeinander.

 Claudia Roth kämpfte am Donerstagabend bei Illner für die Frauen und die Quote.

Claudia Roth kämpfte am Donerstagabend bei Illner für die Frauen und die Quote.

Foto: Screenshot ZDF

Sexismus und kein Ende. Auch Maybrit Illner lässt darüber diskutieren. Höhepunkt des Abends: Anwalt Ralf Höcker wirft Grünen-Politikerin Claudia Roth vor, "hinterfotzig" zu agieren. Den Fall Brüderle bezeichnet er als absolut lächerliche Petitesse. Es prallen Welten aufeinander.

 Medien-Anwalt Ralf Höcker findet, der Fall Brüderle sei nicht mehr als eine "lächerliche Petitesse".

Medien-Anwalt Ralf Höcker findet, der Fall Brüderle sei nicht mehr als eine "lächerliche Petitesse".

Foto: Screenshot ZDF

"Schote, Zote, Herrenwitz" - auch Maybrit Illner befasst sich mit dem Thema Sexismus, das das Brüderle-Porträt der Stern-Reporterin Laura Himmelreich losgetreten hat. Zuvor hatten schon Günther Jauch und Anne Will dazu eingeladen.

Die Gästeliste verspricht Krawall. Der bekennende FDP-Macho Wolfgang Kubicki verteidigte Brüderle als "Opfer", das niedergemacht werden solle. Claudia Roth fordert mehr Macht und Führungspositionen für Frauen — Quote statt Zote. Die Verdi-Gewerkschafterin Christina Frank bemängelt, es könne nicht sein, dass eine Beschwerdestelle beim Arbeitgeber angesiedelt ist und Promi-Anwalt Ralf Höcker spricht vom Fall Brüderle als einer "absolut lächerlichen Petitesse."

Brüderle als Opfer

Auch Schauspielerin Sophia Thomalla darf sich zum Thema auslassen und berichtet dazu aus ihrem reichen Erfahrungsschatz als Promi. Dabei zeigt sie keinerlei Hemmungen auch mal zu pauschalisieren. Denn was sei sie bereits alles von Journalisten gefragt worden. "Haben Sie sich die Brüste machen lassen? Haben Sie sich die Lippen aufblasen lassen? Welche sexuellen Vorlieben haben Sie?" Ihre Schlussfolgerung: Wenn Journalisten so etwas fragen, dürfen sie sich nicht zu wundern, wenn sie selbst auch Adressat von Anzüglichkeiten werden. So gibt sie Himmelreich indirekt eine Mitschuld.

Auch aus Sicht Kubickis ist Rainer Brüderle mehr Opfer als Täter. Der Stern habe den Fall aufgeblasen, wie die Vorstufe einer Vergewaltigung. Dabei sei doch Chef Osterkorn der größte Macho der Republik, lästert der Liberale. Zudem attestiert er Himmelreich ein unverschämtes Vorgehen. Sie hatte Brüderle danach gefragt, wie man sich denn in seinem Alter als Hoffnungsträger für die Zukunft fühle. Er selbst, sagt Kubicki, hätte nach einer solchen Unverschämtheit das Gespräch beendet.

Die FDP als Alt-Herren-Club

Roth und Verdi-Frau Frank haben in dieser Runde einen schweren Stand. Wenigstens Claudia Roth bemüht sich, das Gespräch auf eine höhere Ebene zu tragen. "Es geht definitiv nicht um Herrn Brüderle", sagt sie. Sondern Respekt, Achtung, Würde, Anstand. Die FDP lebe in einer gestrigen Parallelgesellschaft.

Daraufhin schlägt die Stunde von Medien-Anwalt Höcker. Er hat in seiner Karriere bereits Jörg Kachelmann vertreten, aber auch Heidi Klum oder Felix Magath. In der Regel ging es um Medien- und Markenrecht. Bei Illner präsentiert er sich als juristischer Experte für Sexismus-Fragen.

Roth wirft er vor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Sie schmeiße den FDP-Fraktionschef mit Grabschern in einen Topf. "Irgendwie alles das gleiche." Ein Fehler, der sich nach seiner Ansicht durch die ganze Debatte zieht. Höcker listet fünf verschiedene Kategorien für Streitigkeiten mit sexuellem Anlass auf, von der Vergewaltigung über Ordnungswidrigkeiten wie obszöne Brüllereien bis zur reinen zwischenmenschlichen Belästigung.

"Vorsicht! Vorsicht!"

Die Belästigung im Fall Brüderle sei vergleichbar mit einem Menschen, der ungewaschen in die U-Bahn steigt und mit seinem Gestank seine Mitmenschen traktiert. Das sei das Level, über das gestritten werde. Damit lässt er es nicht bewenden, sondern greift Roth persönlich an.

Höcker zeigt mit dem Finger auf die Politikerin und sagt: "Das was Sie machen, ist ehrlich gesagt ein hinterfotziger Trick, Sie schmeißen Brüderle in diesen Sexismus-Topf und diese ganzen Vergewaltigungs- und Grabschergeschichten schwingen mit. Roths Augen weiten sich. "Vorsicht, Vorsicht!", warnt sie ihren Gegenüber.

Illner versucht zu entschärfen und geht mit einer Frage dazwischen. Roth aber antwortet direkt. Es sei eben keine Petitesse, wenn Frauen sich angegriffen und entwürdigt fühlen, auch wenn das Strafrecht nicht zieht. Dafür bekommt sie spontanen Applaus aus dem Publikum. Roth redet sich in Schwung. Sie wundere sich nur, dass immer so getan werde, als sei das alles normal, die sollten sich halt nicht so anstellen, diese verklemmten Alt-Feministinnen.

Es geht auch um die Kinder auf dem Schulhof

Stellvertretend zeigen die zwei an diesem Abend, wie sehr in der Seximus-Debatte aneinander vorbeigeredet wird.

Höcker vertritt die Argumente, die in der Sexismus-Debatte identifizierten Probleme zwischen Mann und Frau aus individuellen Einzelfall bewertet. Frauen sollen sich seiner Ansicht nach zur Wehr setzen, wenn sie blöd angemacht werden, so wie Kinder das auf dem Schulhof lernen. Gesetze könnten das nicht regeln, sonst würde man sich aller Möglichkeiten berauben, von Mensch zu Mensch soziale Beziehungen auszuhandeln.

Roth hingegen verweist immer wieder auf die große Menge an Frauen, die wie beim #aufschrei bei Twitter über sexuelle Belästigung im Beruf und Alltag klagen. In ihren Augen ist unser Normensystem in Deutschland in ein Ungleichgewicht zu Lasten der Frauen geraten.

Gesellschaftliche Normen aber werden nicht mit dem Strafrecht erfasst. Sie werden im alltäglichen Mit- und Gegeneinander ausgehandelt. Auf der Straße, im Beruf, in den Medien und erst am Ende vor Gericht. Was die Debatte vor allem zu Tage befördert hat ist am Ende eins: Die jungen Frauen des Jahres 2013 wollen mit einem 50er Jahre geprägten Machogehabe nichts mehr zu tun haben — und wehren sich.

(pst)
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